Journalistische Verantwortung in der Klimakrise

Wolfgang Blau, Mitbegründer des Oxford Climate Journalism Network war diese Woche Dienstag zu Gast in Wien und hat den ersten Vortrag der Hugo Portisch Lecture Reihe gehalten, welche die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit dem Presseclub Concordia im Gedenken an den Doyen des österreichischen Journalismus veranstaltet.  In einem Interview mit Ö1 anlässlich seines Vortrages sprach er über die Verantwortung des Journalismus in der heutigen Zeit.

 

Temperaturrekorde, schmelzende Gletscher, Waldbrände: Die Berichterstattung über die Klimakrise wirkt oft düster und hoffnungslos. Doch wie kann man die Erkenntnisse der Klimaforschung vermitteln, ohne zu verzweifeln? Denn, das wissen sowohl Journalist:innen als auch Forscher:innen, Phänomene wie Klimaangst, Resignation und Niedergeschlagenheit betreffen immer mehr Menschen. Das kann auch zu Nachrichtenvermeidung, Abwehr und Verdrängung führen.

 

Wie Journalist:innen dem entgegenwirken können und was sich dafür im Journalismus ändern muss, darüber sprach der Klimakommunikations-Experte Wolfgang Blau. In seinem Vortrag „Journalistic Leadership in The Age of Climate Change“ (in englischer Sprache) berichtete er, wie Medienhäuser weltweit versuchen, konstruktiv und lösungsorientiert auf die dringlichste Krise dieses Jahrhunderts zu blicken, ohne ihre Leser:innen zu demoralisieren.

 

Alle Ressorts sind betroffen

„Guter Klimajournalismus ist einer, der gar nicht mehr so heißen muss“, so Wolfgang Blau im Gespräch mit Ö1. Für ihn steht fest: Die Klimakrise wirft grundlegende Fragen auf, die alle Bereiche der Gesellschaft betreffen. „Es ist höchste Zeit, dass die Klimaaspekte einer Nachricht oder Reportage in allen Ressorts auftauchen“, sagt Blau. Statt das Thema in eigenen Klimaredaktionen (Climate Desks) zu behandeln, wie dies in vielen Medienhäusern heute praktiziert wird, sollte sich das Thema seiner Meinung nach durch die gesamte Redaktion ziehen. Dafür müssten alle Redakteur:innen zu dem Thema geschult sein um die Thematik im Hinterkopf immer mitnehmen zu können. Von der jeweiligen Chefredaktion aus sollte sichergestellt werden, dass die Klimakomponente in allen Bereichen verankert wird.

 

Ob dieser Ansatz ausreicht oder ob tiefgreifendere Veränderungen in der journalistischen Theorie und Praxis notwendig sind, um den klimabedingten Umwälzungen gerecht zu werden, war Thema der ersten Hugo Portisch Lecture.

 

„Erderwärmung ist kein Thema, das zu unseren Lebenszeiten wieder vorbeisein, sondern uns als Fragestellung immer begleiten wird.“

Wolfgang Blau

 

Im Interview mit Ö1 nannte Blau ein plakatives Beispiel: Ein Wirtschaftsredakteur schreibt über die Bestellung von 340 Flugzeugen in Indien, was ja wirtschaftlich positiv ist. Allerdings spart der Journalist die Frage aus, wie sich das auf die CO2-Emissionen und den Klimawandel auswirkt.

 

Für Journalist:innen heute stellt sich für Blau die Frage: Welchen Nachrichtenwert haben Daten und wie vermitteln wir es unserem Publikum ohne es gegen die immer neuen Rekorde abzustumpfen? Für den Medienmanager steht fest, dass man die Dringlichkeit der THG-Emissionsreduktion mit den Handlungsoptionen verbinden muss, damit nicht das Gefühl der Ohnmacht bei den Leser:innen besteht, wobei die Dringlichkeit immer vermittelt werden muss.

 

Zwei große Fragen des Klimajournalismus

Laut Blau gibt es zwei essenzielle Fragen im Klimajournalismus, die man als Journalist:in aufwerfen und immer auch Lösungsansätze aufzeigen muss:

1. Wie schaffen wir es die THG-Emissionen möglichst auf null zu reduzieren? Dabei geht es nicht nur um den Sektor Energiewirtschaft, sondern auch um die Bereiche Stahl, Zement, Landwirtschaft und Textilien, so Blau.

2. Welche Strategien zur Anpassung an die Klimaerwärmung gibt es – vorallem in Städten, wo die Temperaturen nochmals höher sind als im Umland? Wo steht der Umbau ? Wo steht die Wirtschaft heute? Sehr wichtige Durchbrüche über die kaum berichtet wird, wie zum Beispiel bei der Batterietechnik, die heute bereits sehr mächtig und erschwinglich ist. Es gäbe viele gute Geschichten zu erzählen, meint Blau.

 

Zwei fehlende Themen

Dem Mitbegründer des Oxford Climate Journalism Network fehlen in der Berichterstattung zwei wesentliche Aspekte der Klimaerwärmung in der heutigen Berichterstattung:

1. Wie dramatisch die Unterschiede der Auswirkungen bei 1,5 Grad im Gegensatz zu bei 2 Grad sind – jedes Zehntelgrad, das wir reduzieren, zählt

2. Wie hoch unser verbleibendes CO2-Budget eigentlich ist. Dabei ist mit Budget gemeint, wie viele Gigatonnen CO2 wir noch in die Atmosphäre ausstoßen können, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Er erläutert, dass wir noch ungefähr maximal (großzügig gerechnet) eine Dekade haben, daher kommt der Zeitdruck, dass wir rasch handeln müssen.

 

1,5 versus 2 Grad Erderwärmung – so dramatisch ist der Unterschied

 

Über Wolfgang Blau

Wolfgang Blau ist Global Managing Partner des Climate Hub der Brunswick Group, sowie Visiting Fellow an der University of Pennsylvania und Trustee Director des Bonn Institute. Unter anderem berät er auch die Klima-Abteilung der Vereinten Nationen, UNFCCC. Blau ist Mitgründer des Oxford Climate Journalism Network. In seinen früheren Positionen war er Chefredakteur von ZEIT ONLINE, Digitalchef des britischen Guardian und Präsident für das internationale Geschäft des US-Medienkonzerns Condé Nast in Europa, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika.

 

Unser pro.earth.Fazit:

In unserer Redaktion versuchen wir seit jeher, das Thema ganzheitlich zu betrachten sowie Alternativen, Lösungsansätze und Forschungsergebnisse zu finden. Wir fühlen uns daher in unserer Arbeit bestätigt und nehmen uns nun vor, noch intensiver an diesem Bereich zu arbeiten, um neben der Dringlichkeit auch die Lösungsansätze, die es mannigfaltig auf unserem Planeten gibt, zu beleuchten und ihnen in diesem Medium einen entsprechenden Raum zu geben!