Wassertest – Ewigkeitschemikalie in allen 10 österreichischen Wasserproben festgestellt
GLOBAL 2000 und das Europäische Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN Europe haben eine Stichprobenuntersuchung von 23 Oberflächen- und sechs Grundwässern aus zehn EU-Ländern durchgeführt. Darunter sind 10 Wasserproben von österreichischen Flüssen. Alle Proben weisen eine besorgniserregend hohe Belastung durch die wenig bekannte und weitgehend unregulierte Ewigkeits-Chemikalie TFA (Trifluoracetat) auf. Die Ergebnisse werden im Report “TFA in Wasser” im Detail dargestellt und wissenschaftlich sowie politisch eingeordnet.
TFA ist ein Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden und anderen Ewigkeits-Chemikalien (PFAS). Die in den Wasserproben gefundenen TFA-Konzentrationen belaufen sich im Durchschnitt auf 1.180 Nanogramm pro Liter (ng/l). Das ist 70 Mal mehr als die Summe aller anderen gemessenen PFAS-Konzentrationen, einschließlich bekannter „Hot-Spot-PFAS”, zusammengenommen (17,5 ng/l). In 79 % der Wasserproben überschreiten die TFA-Konzentrationen den in der EU-Trinkwasserrichtlinie vorgeschlagenen Grenzwert für „PFAS gesamt“. Keines der anderen analysierten PFAS überschritt seine entsprechenden Grenzwerte.
„Unsere Daten zeichnen das alarmierende Bild einer flächendeckenden Wasserkontamination durch eine wenig untersuchte und äußerst persistente ‚Ewigkeits-Chemikalie‘: TFA. Alle Gewässer waren belastet, und das in ungewöhnlich hohen Konzentrationen. Das heißt: Das PFAS-Problem, das seit 25 Jahren primär als das Problem von Kontaminations-Hotspots, die räumlich eingegrenzt sind, angesehen wurde, hat sich in der Form von TFA zwischenzeitlich auf alle Gewässer ausgedehnt“, sagt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000.
Österreich am wenigsten schlecht
„Erfreulicherweise weisen die österreichischen Flüsse im Vergleich mit den meisten anderen EU-Ländern deutlich niedrigere TFA-Belastungen auf. Getrübt wird die Freude allerdings dadurch, dass die Belastungen insgesamt – auch in Österreich – inakzeptabel hoch sind. Zwei der drei untersuchten Grundwasserproben und die Hälfte der untersuchten Fließgewässer überschreiten auch in Österreich den in der EU-Trinkwasserrichtlinie vorgeschlagenen Grenzwert für die Gesamtbelastung durch PFAS”, gibt Burtscher-Schaden zu bedenken.
TFA unter dem Radar
Nach unserem Kenntnisstand überwachen die wenigsten der 27 EU-Länder die TFA-Konzentrationen in Oberflächen-, Grund- oder Trinkwasser, bzw. sind keine entsprechenden Daten öffentlich verfügbar. Löbliche Ausnahmen sind Österreich, Deutschland, Belgien, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden.
Versagen von Behörden und Politik
Laut Berechnungen des deutschen Umweltbundesamts sind PFAS-Pestizide deutschlandweit die dominante Quelle der Kontamination von Wasser durch TFA. Dies obwohl laut EU-Pestizidverordnung Pestizide nur dann zugelassen werden dürfen, wenn ihre Wirkstoffe und ihre „relevanten Metaboliten“ (= Abbauprodukte) Konzentrationen von 100 ng/l im Grundwasser nicht überschreiten.
Die Tatsache, dass alle untersuchten Gewässer diesen Grenzwert bei weitem überschreiten, aber PFAS-Pestizide trotzdem zugelassen sind, hat mit einer problematischen Entscheidung der EFSA vor über 20 Jahren zu tun. 2003 erklärte die Behörde TFA zu einem „nicht relevanten Metaboliten“ und nahm ihn damit von allen Überwachungspflichten und Grenzwerten aus.
Für Salomé Roynel, Politikbeauftragte bei PAN Europe, war diese Entscheidung der Grundstein für die “wohl die größte und weitverbreitetste Kontamination europäischer Oberflächen- und Grundwässer durch eine menschgemachte Chemikalie in der Geschichte. Den Herstellern von PFAS-Pestiziden sicherte das damit verbundene Ignorieren einer vorhersehbaren Grundwasserkontamination jedoch die Vermarktung ihrer Produkte auf lange Sicht.“
Doch auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie hätte diese Kontamination verhindern können und müssen. Denn sie verbietet explizit die chemische Verschmutzung von Gewässern mit Schadstoffen wie TFA. Insbesondere verlangt Artikel 4 ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen durchführen, um alle signifikanten und anhaltenden Trends einer Steigerung der Konzentration von Schadstoffen aufgrund der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten umzukehren“. Diese „erforderlichen Maßnahmen“ hätten zweifellos ein Verbot von PFAS-Pestiziden und einer weiteren Gruppe von PFAS, den sogenannten F-Gasen, die als TFA über Regen in den globalen Wasserkreislauf gelangen, umfassen müssen.
Auswirkungen von TFA wenig erforscht
Obwohl TFA das persistente Endprodukt von geschätzten 2.000 PFAS-Verbindungen ist, gibt es nur wenig Forschung über seine Toxizität für die Umwelt und den Menschen, wie Dr.in Pauline Cervan, Toxikologin bei Générations Futures erklärt:
„Hinweise auf gefährliche Eigenschaften von TFA förderte kürzlich eine von der Industrie selbst in Auftrag gegebene tierexperimentelle Studie zutage, in der TFA schwere Missbildungen bei Kaninchenbabys, deren Mütter während der Schwangerschaft TFA ausgesetzt waren, verursachte. In den letzten Jahren haben die europäischen und US-amerikanischen Behörden ihre Toxizitätsbewertungen für einige relativ gut untersuchte PFAS wiederholt revidiert und Grenzwerte im einstelligen Nanogrammbereich festgelegt. Wir können nur hoffen, dass sich TFA letztlich nicht als ähnlich toxisch erweist.“
Rasche Maßnahmen gefordert
Das Ausmaß der in den Wasserproben gefundenen TFA-Kontamination erfordert rasche und entschlossene Maßnahmen. Dazu zählen ein schnelles Verbot von PFAS-Pestiziden, die Umsetzung der allgemeinen PFAS-Beschränkung im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung, die Einstufung von TFA als „prioritärer Stoff“ in der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie Überwachungspflichten und Grenzwerte für TFA.
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