Regenwälder in kritischem Zustand

Die letzten Regenwälder stehen vor dem Kollaps. Davor warnt die Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) anlässlich des internationalen Tages der Regenwälder am Sonntag. Jede Minute geht eine Fläche von zehn Fußballfeldern an artenreichen Tropenwäldern aufgrund von Landnutzungsänderungen, illegaler Entwaldung, Bergbau und Ausweitung von menschlichen Siedlungen verloren. Die Zerstörung erreicht weltweit bereits ein kritisches Ausmaß. Eine neue Studie eines internationales Forscherteams unter Beteiligung des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), veröffentlicht im Fachmagazin „Nature“, besagt, dass sich der brasilianische Regenwald bis 2050 in eine Savanne verwandeln könnte. 

 

Die lebenswichtigen Funktionen unserer Regenwälder

Regenwälder erfüllen unverzichtbare Funktionen für unser Leben auf der Erde. Sie beherbergen mehr als die Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten der Welt. Sie sind unverzichtbar für das globale Klima, da sie große Mengen Kohlendioxid binden und so zur Regulierung des Weltklimas beitragen. Zudem sind sie die Heimat zahlreicher indigener Völker, deren Lebensweise untrennbar mit den Wäldern verbunden ist.

So beherbergt der Amazonas laut der Studie rund 10 % der weltweiten Biodiversität, speichert eine Kohlenstoffmenge, die 15-20 Jahren globaler CO2-Emissionen entspricht, und trägt durch seinen Netto-Kühleffekt (durch Verdunstung) zur Stabilisierung des Erdklimas bei.

Der Amazonas ist für bis zu 50 % der Niederschläge in der Region verantwortlich und spielt für die Feuchtigkeitsversorgung in ganz Südamerika eine entscheidende Bedeutung. Er ermöglicht das Gedeihen anderer Ökosysteme und wirtschaftlicher Aktivitäten in Regionen, die ansonsten eher trocken wären, wie z. B. das Pantanal-Feuchtgebiet und das La-Plata-Flussbecken.

 

Während im Amazonas die Abholzung im letzten Jahr zurückging, verschieben sich die Grenzen des Waldverlustes: Den bemerkenswerten Rückgängen in Brasilien und Kolumbien steht ein starker Anstieg des Waldverlustes in Bolivien, Laos und Nicaragua gegenüber, während in anderen Ländern ein geringerer Anstieg zu verzeichnen ist, so die Oragnisation Global Forest Watch.

“Wir riskieren, unsere wertvollen Schatzkammern der Artenvielfalt für immer zu verlieren. Wir müssen jetzt alles tun, um das Erreichen gefährlicher Kipp-Punkte zu verhindern, bevor es zu spät ist”

Georg Scattolin, WWF-Regenwaldexperte

 

 

 

Bedrohung durch fünf Kipppunkte

Ein großflächiges “Kippen” von Regenwaldgebieten hätte nicht nur dramatische Folgen für die Artenvielfalt, sondern auch verheerende Auswirkungen auf das globale Klima: “Je schlechter der Zustand des Waldes, desto weniger kann er sich von klimatischen Veränderungen wie Dürren oder Bränden erholen. Damit schwindet auch seine Fähigkeit, CO2 zu speichern, was den Klimawandel weiter antreibt – ein Teufelskreis”, sagt Scattolin vom WWF. Die Studienautor:innen untersuchten  fünf Kipppunkte, die den Regenwald bedrohen:

  • die globale Erwärmung,
  • die jährlichen Niederschlagsmengen,
  • die Intensität der saisonalen Niederschläge,
  • die Länge der Trockenzeit und
  • die kumulierte Abholzung.

Die Forscher haben errechnetet, dass bis 2050 ein kritischer Punkt erreicht werden könnte, ab dem sich das Ökosystem nicht mehr erholen kann, falls sich die Situation der Regenwälder weiter verschlechtert.

Um die Verschlechterung des Regenwaldsystems zu verhindern, definieren die Studienautor:innen für jeden einzelnen der möglichen Kipppunkte sichere Grenzen, innerhalb derer die Widerstandsfähigkeit des Waldsystems erhalten werden kann.

„Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass der Amazonas-Regenwald bei einer mittleren jährlichen Niederschlagsmenge von weniger als 1000 Millimetern pro Jahr nicht mehr existieren kann. Unterhalb von 1800 Millimeter pro Jahr sind jedoch abrupte Übergänge vom Regenwald zu einer savannenartigen Vegetation möglich. Dies kann durch einzelne Dürren oder Waldbrände ausgelöst werden, die beide in den letzten Jahren häufiger und heftiger geworden sind“, erklärt Da Nian, Wissenschaftler am PIK und Mitautor der Studie.

 

Erhaltung der Widerstandsfähigkeit

Die Erhaltung der Widerstandsfähigkeit des Amazonaswaldes hängt laut der Studie in erster Linie davon ab, ob wir es schaffen, die Treibhausgasemissionen zu stoppen und die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die regionalen Klimabedingungen abzumildern. Darüber hinaus müssen vor  Ort die Abholzung beendet und Wiederaufforstung vorangetrieben werden. In den Worten eines Mitautors:

„Um den Amazonaswald in sicheren Grenzen zu halten, müssen lokale und globale Anstrengungen kombiniert werden. Die Abholzung und die Schädigung des Waldes müssen beendet und die Wiederherstellung muss ausgeweitet werden. Außerdem muss viel mehr getan werden, um die Treibhausgasemissionen weltweit zu stoppen“, schreibt Mitautor Niklas Boers. Auch die Ausweitung von Schutzgebieten und indigenen Territorien kann einen wichtigen Beitrag zu diesen Maßnahmen leisten.

Je nach Einhaltung der sicheren Grenzen, ist es durchaus möglich, dass sich der Regenwald zukünftig wieder erholt. Es kann aber auch sein, das er in einem geschädigten Zusatnd , wie er bereits an vielen Stellen heute in Satellitenaufnahmen zu erkennen ist, wo er lichter und mit Lianen und Bambus überwuchert ist. Dort nimmt die Wasserspeicherfähigkeit und die Nährstoffversorgung der Bäume ab. Wird der Wald zu stark aufgelichtet, ist er leicht entflammbar und stellt eine große Gefahr auch für die angrenzenden Waldbereiche dar.

 

Engagement für den Erhalt

Der WWF Österreich engagiert sich weltweit für die Regenwälder. Das betrifft zum Beispiel den Lebensraum der letzten Tiger im thailändischen Kui Buri Nationalpark oder jenen der asiatischen Elefanten in Myanmar. Im peruanischen Amazonas arbeitet der WWF mit vollem Einsatz daran, das Überleben der seltenen rosa Flussdelfine zu sichern und Jaguare vor Wilderei zu schützen.

 

Link

Studie „Critical transition in the Amazon forest system“