Klimakolonialismus durch zügellosen Emissionshandel
Obwohl das 2005 in Kraft getretene Kyoto-Protokoll zu funktionieren scheint und die EU ihre Netto-Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 31 Prozent senken konnte, gibt es Kritik daran.
1,36°C Erderhitzung ist hauptsächlich auf die Industrialisierung der sogenannten entwickelten Länder zurückzuführen – und das in den vergangenen 150 Jahren.
Im Rahmen der UN-Klimakonferenz 1997 in Kyoto übernahmen 37 Industrienationen und die Europäische Union völkerrechtlich verbindlich die Verantwortung dafür. Damit einher ging die Verpflichtung, gleichzeitig ihren Ausstoß von Treibhausgasen zukünftig zu reduzieren.
Was versteht man unter dem Europäischen Emissionshandel?
Als Grundlage dient das „Cap & Trade“-Prinzip:
Cap steht für Obergrenze und legt fest, wie viele Treibhausgas-Emissionen von den circa 9.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie in Europa insgesamt ausgestoßen werden dürfen.
Dabei setzen die Mitgliedstaaten eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen an die Anlagen fest. Wenn ein Unternehmen nun weniger Emissionen verursacht, kann es seine Emissionsberechtigungen auf dem Markt frei handeln (Trade).
Das System funktioniert sichtlich, denn der Treibhausgasausstoß der europäischen Stromunternehmen und Industriekonzerne ist zwischen 2005 und 2020 um 40 Prozent gesunken.
Für Emissionsgutschriften, die weltweit durch Klimaschutzprojekte generiert werden, gibt es daneben einen freien Markt. Diese Gutschriften können von staatlichen wie nicht-staatliche Akteure können diese Gutschriften genutzt werden. Damit werden dann Verpflichtungen aus internationalen Abkommen wie dem Übereinkommen von Paris oder auch selbst auferlegte Ziele (Stichwort Klimaneutralität) erfüllt.
Die Kritik
Die Kritik zum Handel mit Emissionsgutschriften kommt zustande, da es natürlich für die jeweiligen Akteure wesentlich günstiger ist, CO2-Kompensation durch Gutschriften zu nutzen, als in die Reduzierung ihrer Emissionen zu investieren. Diese Herangehensweise ist mit dem 1,5 Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen eindeutig nicht kompatibel.
Außerdem bezieht sich die Kritik auf die fehlende Aufsicht, denn der freiwillige Kohlenstoffmarkt ist derzeit nahezu unreguliert. Das wirkt sich auf die Qualität der Zertifikate wie auch auf die Qualität der zugrundeliegenden Klimaschutzprojekte aus. Hier geht es vor allem um Wiederaufforstungsprojekte und jene zum Schutz von Wäldern (sogenannte REDD-Projekte).
Auch wird die Methodik der Quantifizierung der CO2-Einsparungen, sowie das Fehlen einheitlicher Zertifizierungsstandards bemängelt. Nur sechs Prozent der durch den privaten Zertifizierungsstandard Verra zertifizierten betrachteten Waldschutz-Projekte haben laut einer aktuellen Studie der Universität Cambridge zu einer zusätzlichen Einsparung von CO2-Emissionen geführt haben.
Mehr Schaden als Nutzen
In mehr als 90 Prozent der Projekte waren in erster Linie die Geldbörsen der beteiligten Profiteure die Sieger.
NGOs wie Amnesty International berichteten mehrmals von Menschenrechtsverletzungen. Bei der Umsetzung von Waldschutzprojekten kam es nämlich oftmals zu brutalen Vertreibungen der indigenen Bevölkerung. Konkret passierte das im Embobut Forest in Kenia.
Da in Afrika gewaltige Waldreserven vorhanden sind, sehen die afrikanischen Regierungen CO2-Gutschriften als eine willkommene und tatsächlich auch dringend benötigte Geldquelle.
Leider sind jedoch die Hauptprofiteure stets internationale Unternehmen, somit haben Kritiker:innen einen neuen Begriff geprägt: Klimakolonialismus.