Drohende Verschiebung der EU-Entwaldungsverordnung problematisch

Entwaldung und Waldschäden zählen zu den Hauptverursachern der beiden großen Krisen unserer Zeit, nämlich der Erderwärmung und des Artensterbens. Sie sind Haupttreiber bei den CO2-Emissionen. Der Anbau von Produkten wie Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee, die wir in die EU importieren und konsumieren, ist maßgeblich für die Waldzerstörung im großen Stil verantwortlich. Durch die EU-Entwaldungsverordnung (auch EUDR), die seit Juni 2023 gültig ist, sollte der europäische Beitrag an der weltweiten Abholzung stark reduziert werden. Bis 30. Dezember 2024 hätten die nationalen Gesetzgebungen diese Verordnung in nationales Recht umwandeln sollen. In den letzten Monaten hat die geplante EUDR zu hitzigen Diskussionen geführt. Nun kündigte die EU-Kommission an, den Umsetzungsbeginn um ein bis eineinhalb Jahre verschieben zu wollen.

 

Die Ausgangslage:

  • 90 Prozent der weltweiten Entwaldung werden durch die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen verursacht (Quelle: FAO)
  • Zwischen 1990 und 2020 sind rund 420 Millionen Hektar Wald zerstört wurden – das entspricht einer Fläche in der Größe der Europäischen Union (Quelle: FAO)
  • Entwaldung und Waldschädigung sind wichtige Treiber von Klimawandel und Biodiversitätsverlust – der Weltklimarat IPCC schätzt, dass rund 23 Prozent aller Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2007-2016 aus der Land- oder Fortwirtschaft und anderen Landnutzungen stammen
  • Die EU ist ein bedeutender Wirtschaftsblock und Verbraucher dieser Erzeugnissen im Zusammenhang mit der Entwaldung und Waldzerstörung und war im Jahr 2017  für 16% der Regenwaldabholzung verantwortlich (Quelle: WWF)

 

Inhalt der EUDR

Die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) umfasst neben der Waldpolitik auch die landwirtschaftliche Produktion betreffend folgender Rohstoffe:

  • Holz
  • Kakao
  • Kaffee
  • Kautschuk
  • Ölpalme
  • Soja
  • Rinder
  • sowie daraus hergestellte Erzeugnisse gemäß Anhang I der Verordnung

 

Diese dürfen nur noch dann in der EU in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden, wenn sie

  • entwaldungsfrei sind,
  • nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und
  • für sie eine Sorgfaltserklärung inklusive Geo-Daten des Erzeugungsursprungs vorliegt.

Ziel dieser Maßnahme als Teil eines ganzen EU-Pakets ist es, dass europäische Unternehmen nachhaltiger wirtschaften, die Biodiversität wieder erhöht, das Artensterben aufgehalten und die Klimakrise abgedämpft werden kann. EUDR zielt auch auf Nachhaltigkeit der Lieferketten ab.

 

Reaktionen auf mögliche Verschiebung

Die Verschiebung des Umsetzungsbeginnes wird von Seiten der Forst- und Landwirtschaft positiv gesehen. So betont Herbert Jöbstl, Obmann des Fachverbands der Holzindustrie, in eienr Presseaussendung: „Natürlich unterstützt die Holzindustrie das Ziel, die globale Entwaldung zu stoppen. Das grundlegende Problem der EUDR ist, dass sie gemessen am Bürokratieaufwand keinen Mehrwert bringt. Die Wertschöpfungskette Holz wurde nicht verstanden. Waldbesitzer und die nachfolgenden Betriebe der Wertschöpfungskette müssen für jedes Stück Holz nachweisen, dass dieses nicht aus Entwaldung stammt, obwohl Entwaldung im großen Stil auf anderen Kontinenten stattfindet. Zudem sind Holzimporte in die EU bereits streng gemäß der EU-Holzhandelsverordnung (EUTR) reguliert.“

 

NGOs wie Greenpeace, WWF und auch Südwind sowie Forscher:innen kritisieren hingegen die mögliche Verschiebung. Die Professorin für Forst- und Umweltpolitik an der Universität Freiburg, Daniela Kleinschmit, erklärte gegenüber APA: „Mit der Eingrenzung der Entwaldung soll durch die Vermeidung von CO2 und durch die erhaltene Senkenfunktion der Wälder dem Klimawandel entgegnet werden“. Sie plädiert für schnelle Lösungen. „Konsequenzen sind bereits jetzt deutlich spürbar und betreffen insbesondere die besonders vulnerablen Gesellschaften. Aus diesem Grund ist schnelles Handeln gefordert und ein Aufschub zu vermeiden.“

 

„Es ist skandalös, dass die laufende Blockadehaltung einiger Mitgliedstaaten – allen voran Österreich – nun dazu geführt hat, dass ein bereits beschlossenes EU-Umweltschutzgesetz sabotiert wird. Nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus demokratiepolitischer Sicht wäre die Verschiebung eine Katastrophe. Die Wälder weltweit sind in einem sehr schlechten Zustand – sie werden abgeholzt, niedergebrannt, leiden unter Trockenheit, Extremwetter und Schädlingsbefall. Das EU-Waldschutzgesetz wurde lang genug verhandelt und es ist ausreichend Zeit, die sinnvollen Vorgaben umzusetzen.”

 

„Der angekündigte Aufschub ist inakzeptabel. Die Auswirkungen der Klimakrise waren selten so deutlich wie heuer und immer noch werden Menschen durch Abholzungsprojekte gewaltsam vertrieben”, sagt Maria Hammer, Südwind-Sprecherin für Waldschutz. “EU-Mitgliedstaaten sind die zweitgrößten Importeure von Produkten aus Waldzerstörung. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, knickt die EU-Kommission vor der Forst-Lobby ein und öffnet Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen weiterhin Tür und Tor.”

 

Südwind, der Österreichische Biodiversitätsrat, die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar und die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) haben im Mai 2024 einen Faktencheck zur Entwaldungsverordnung präsentiert und widerlegen darin die gängigsten zehn Mythen. Der Faktencheck basiert auf dem Verordnungstext der EU sowie auf öffentlich zugänglichen Dokumenten der EU-Kommission.