Bundeswaldinventur: Wald hat Funktion als Kohlenstoffsenke verloren

Am 8. Oktober erschien die aktuelle Bundeswaldinventur für Deutschland, die alle zehn Jahre veröffentlicht wird. Die darin enthaltende Grundaussage ist erschreckend und besorgniserregend: Der Wald hat seine Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern, verloren und gibt dafür CO2 in die Atmosphäre ab. Aus einer Senke wurde innerhalb von zehn Jahren eine Kohlenstoffquelle. Das bedeutet, der überwiegende Abgang durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall ist größer als der Zuwachs an lebender Biomasse. Seit 2017 hat sich der Kohlenstoffvorrat im Wald um 41,5 Millionen Tonnen verringert. Die Bundeswaldinventur ist die umfangreichste Erhebung zum Zustand und zur Entwicklung des Waldes in Deutschland.

 

Alle zehn Jahre erfasst das Thünen-Institut im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums den Zustand der deutschen Wälder, indem verschiedenste Daten gesammelt und ausgewertet werden.

Dazu zählen gehören

  • die Größe der Waldfläche
  • das Alter der Bäume
  • die Zusammensetzung der Baumarten
  • Der Zustand des Waldes
  • Das Ausmaß und die Art der Bewirtschaftung   – ob intensiv oder nachhaltig

 

„Ein starker Wald heißt Klimaschutz für uns – da müssen wir hin.“

Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft

 

 

Zentrale Ergebnisse auf einen Blick:

  • Kohlenstoffspeicherung & Klimabilanz: Verlust von 41,5 Mio. Tonnen Kohlenstoff seit 2017. Der Wald ist erstmals seit Jahrzehnten zur Kohlenstoffquelle geworden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit dringend erforderlicher Maßnahmen zur Anpassung und Wiederherstellung der Wälder, um ihre Rolle als Klimaschützer wieder langfristig zu stärken.

 

  • Waldfläche: 11,5 Millionen Hektar (+15.000 Hektar seit 2012). Die Waldfläche bleibt stabil, was ein positives Zeichen für den Erhalt dieser wichtigen Ressource als Basis für seine vielfältigen Ökosystemleistungen ist, insbesondere im Kontext der Flächenversiegelung durch Siedlung und Infrastruktur in einem dicht besiedelten und stark industrialisiertem Land wie der Bundesrepublik.

 

  • Kalamitätsflächen: 2 Millionen Hektar Wald sind von Kalamitäten, also Schäden durch Naturgewalten, betroffen. Kalamitäten wie Dürre, Sturm und Borkenkäferbefall können einzelne Bäume, Baumgruppen oder ganze Bestände betreffen. Auf 34 Prozent der Kalamitätsflächen fand keine forstliche Nutzung statt, auf 20 Prozent wurden die abgestorbenen Bäume flächig genutzt. Die hohe Zahl der Kalamitätsflächen ist alarmierend und verdeutlicht die Notwendigkeit dringender Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz der Wälder gegen Schädlinge und Krankheiten.

 

  • Holzvorrat: In unseren Wäldern sind 3,6 Milliarden Kubikmeter Holz vorrätig. Bis 2017 war der Holzvorrat auf 3,8 Milliarden Kubikmeter angestiegen. Aufgrund von Stürmen, Trockenheit sowie der darauffolgenden Kalamitäten sowie einem um 16 Prozent rückläufigen Zuwachs sank der Holzvorrat auf das Niveau von 2012.

 

  • Totholzanteil: Die Zunahme des Totholzanteils um 32 Prozent ist sowohl ein positives als auch ein negatives Zeichen. Totholz ist wichtig für die Biodiversität und bietet Lebensraum für viele Arten. Allerdings ist der Anstieg vor allem auf Klimaschäden zurückzuführen, was die Verwundbarkeit der Wälder in Bezug auf extreme Wetterereignisse verdeutlicht.

 

  • Anteil der Laub- und Nadelbäume: 48 Prozent Laubbäume und 52 Prozent Nadelbäume. Der Anstieg des Anteils an Laubbäumen ist ermutigend, da es die Resilienz gegen das sich verändernde Klima steigert.

 

  • Mischwälder: 79 Prozent der Wälder sind Mischwälder (+3 Prozent seit 2012). Die Zunahme des Anteils der Mischwälder ist ein positives Signal für die Biodiversität und die Resilienz der Wälder. Mischwälder bieten eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen und Krankheiten sowie eine bessere Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel. Diese Diversität trägt dazu bei, das Risiko von großflächigen Schäden durch Klimafaktoren zu verringern.

 

Wald fällt als Helfer im Klimaschutz aus

Im deutschen Klimaschutzgesetz wird dem Wald eine wichtige Rolle zuteil, so soll er als natürliche Senke gemeinsam mit Mooren von 2027 bis 2030 jährlich im Durchschnitt mindestens 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen. Dadurch sollen Emissionen in anderen Bereichen wie Landwirtschaft und Industrie ausgeglichen werden. Bis 2045 sollen es sogar 40 Millionen Tonnen sein.

 

Dieser Plan geht nicht auf: Unsere Wälder sind nicht länger ein Speicher von Treibhausgasen, sondern speziell seit dem Dürrejahr 2017 durch die Klimakrise zu einer Kohlenstoffquelle geworden, und zwar vor allem durch den Verlust an lebender Biomasse  – dafür dient der Holzvorrat als Indikator. Laut Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ sei das massive Absterben von Fichten- und Kiefernmonokulturen in den vergangenen Jahren eine der Ursachen dafür, denn die Nadelwälder litten besonders in den vergangenen Dürre- und Sturmjahren seit 2017.

„Die Frage ist eher, ob sich der Negativtrend der vergangenen Jahre noch stoppen lässt.“

Pierre Ibisch, Waldexperte

 

Der Waldexperte an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, Pierre Ibisch, geht sogar davon aus, dass die Klimabilanz der Wälder in Wahrheit noch schlechter ausfällt, weil die Daten der Bundesinventur aus 2022 stammen und das Absterben von Fichten- und Kiefernplantagen seitdem weiter ging. Darüber hinaus fehlten in der Inventur seiner Meinung nach die Treibhausgasemissionen, die in großer Menge entstehen, wenn Flächen mit toten Bäumen abgeräumt werden, zum Beispiel nach einem Borkenkäferbefall. Auch dabei entweiche zuvor im Boden gebundener Kohlenstoff in die Atmosphäre.

Dies bestätigen Berechnungen des Thünen-Instituts, wonach zwischen 2027 und 2030 nur eine geringe Netto-Einbindung von 0,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erwartet wird. Die Expert:innen sind davon überzeugt, dass das „Ziel einer Netto-Einbindung von 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten deutlich verfehlt“ wird.

 

„Jetzt rächt sich, dass der Umbau von Nadelholz-Monokulturen zu klimastabilen Laubwäldern nicht frühzeitig und konsequent angegangen worden ist.“

WWF-Waldexpertin Susanne Winter

 

Ihrer Meinung nach kann das „25-Millionen-Tonnen-Ziel“ nur noch mit einer konsequent auf Schutz und Schonung des Waldes ausgerichteten Reform der Forstwirtschaft gelingen. Dazu müsse die gesamte Einschlagmenge, vor allem aber in alten Laubwäldern, den „Garanten für die Speicherung riesiger Mengen von Kohlenstoff“ drastisch verringert werden.

 

Die Forstwissenschaftlerin hat auf Basis der Daten der Bundeswaldinventur errechnet, dass in den kommenden Jahren auf mehr als 30 Prozent des jährlichen Einschlags verzichtet werden müsste, damit Wälder durch ihr Wachstum die Klimaziele bis 2030 erreichen können.

 

Wie die Lage des Waldes diesbezüglich in Österreich aussieht? Nachdem wir eine ähnliche Ausgangslage haben, mit ähnlichen klimatischen Herausforderungen und auch ähnlichen Kalamitäten zu kämpfen hatten, dürfte die Bilanz nicht viel anders aussehen.

 

Der eingeschlagene Weg zu stabilen, arten- und strukturreichen Wäldern muss konsequent weitergegangen werden. Waldbauliches Handeln muss sich den neuen klimatischen Herausforderungen anpassen. Denn der Klimawandel bedroht nicht nur die Vitalität unserer Wälder, sondern auch ihre Funktion als wirtschaftliche Grundlage vieler Betriebe.

 

Links

Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur findet man auf der BMEL-Webseite sowie unter Bundeswaldinventur.

Wie die Bundeswaldinventur durchgeführt wird, sieht man in diesem Video der FNR