Grundsatzvereinbarung zwischen EU und Mercosur-Staaten Gewinn oder Verlust für Klimaschutz?
Die EU hat trotz des Widerstandes einiger Länder wie Frankreich, Polen und Österreich nach über zwanzig Verhandlungsjahren eine Grundsatzvereinbarung mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay erzielt. Die damit entstehende Freihandelszone ist die weltweit größte, denn sie umfasst rund ein Drittel aller Warenexporte und ca. 720 Millionen Bewohner:innen. Während aus Wirtschaftsreihen viel Zustimmung kommt, sind Vertreter der Bauernschaft, der Arbeitnehmer:innen und auch Stimmen der Zivilgesellschaft und Umweltorganisationen kritisch dem neuen Handelsvertrag gegenüber.
Das Thema Mercosur ist ein vielschichtes. Der letztgültige Vertragsentwurf liegt noch nicht öffentlich vor, daher lässt sich darüber noch nicht inhaltlich debattieren. Wirklich beschlossen wird der Vertrag erst sein, wenn die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten diesem zustimmen. Doch Frankreich, Polen, Österreich und auch Italien waren gegen die Freihandelszone. Laut DerStandard soll jedoch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Vertragskniff anwenden wollen, um die Vetomöglichkeit auszuhebeln.
Dies könnte mit der schlechten Wirtschaftssituation in der EU zu tun haben. Und auch mit der Vormachtstellung Chinas in Südamerika, das deren wichtigster Handelspartner ist. Durch die Abschaffung von Importzöllen würden neue Märkte für europäische Güter wie Autos und Industriegüter entstehen. „Nach Berechnungen der Europäischen Kommission können sich durch den Zollabbau für europäische Exporteure jährliche Einsparungen von vier Milliarden Euro ergeben. Damit leistet die Vereinbarung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum und zur Wettbewerbsfähigkeit beider Seiten“, schreibt dazu die deutsche Bundesregierung.
Demgegenüber würde die EU höhere Kontingente von Landwirtschaftsgütern aus Mercosur-Ländern zollfrei in die EU importieren.
- Der EU-Mercosur-Pakt (laut den Vorverhandlungen) sieht unter anderem eine Erhöhung der Einfuhrquote von Rindfleisch von derzeit 200.000 Tonnen auf 300.000 Tonnen pro Jahr vor.
- Die Importquote für Zucker soll um 10.000 Tonnen erhöht werden,
- während die Importquote für Bio-Ethanol – das ebenfalls aus Zuckerrohr gewonnen wird – um 650.000 Tonnen steigen soll.
Dies verursacht großen Widerstand in der europäischen Bauernschaft. Es wird befürchtet, dass dadurch wichtige Schutzstandards in der Land- und Lebensmittelbranche unterwandert werden. „Das Mercosur-Abkommen würde dazu führen, dass die heimische Erzeugung durch Agrarimporte zu Standards aus dem vergangenen Jahrhundert verdrängt wird, zum Nachteil von Verbrauchern, Landwirten, Tieren, Umwelt und Klima.“, warnte zum Beispiel Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Desweiteren befürchten Umweltorganisationen wie Greenpeace, dass die Brandrodungen im Amazonas und anderen einzigartigen Ökosystemen in Südamerika zunähmen, während Landwirt:innen in Österreich unter zusätzlichen ökonomischen Druck geraten würden.
Über die Problematik des Mercosur-Vertrags findet man auf unser Plattform bereits einige weiterführende Artikel!
EU-Mercosur: Lulas neuer Gegenvorschlag gefährdet den Regenwald noch stärker
Mercosur und Klimaschutz
Ob und inwieweit dieser Freinhandelsvertrag dem Klimaschutz schadet, hängt vom Inhalt ab, den wir noch nicht genau kennen. Die deutsche Bundesregierung schreibt in einer Aussendung: „Im Abkommen wurden grundlegende Vereinbarungen zur Nachhaltigkeit getroffen, insbesondere zum Schutz des Regenwaldes. Beide Seiten verpflichten sich mit der Einigung zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens.“
Prinzipiell gehen auch hier die Meinungen weit auseinander. Sehen Umwelt- und Zivilschutzorganisationen größere Zerstörung und einen Anstieg der CO2-Emissionen voraus, glauben andere, dass durch diesen Vertrag der europäische Green Deal bis zum Amazonas ausgeweitet werden kann und er somit eine große Chance ist, durch den stärkeren Einfluss der EU in Lateinamerika die dortigen Klimaschutzstandards zu verbessern und auch dem starken Einfluss Chinas, das kaum Umweltauflagen stellt, etwas zu verringern.
Verrücktes Abkommen
Für das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist EU-Mercosur ein verrücktes Abkommen in Zeiten der Klimakrise. Das Mandat stammt aus dem vergangenen Jahrtausend und ignoriert die Klimakrise und die Klimaziele der EU.
„Die Welt steuert auf eine 3-Grad Erhitzung zu – und die EU hat keine bessere Handelsstrategie als mehr klimaschädliches Rindfleisch, Soja und Bioethanol gegen mehr klimaschädliche Verbrenner-Autos und giftige Pestizide quer über den Atlantik zu handeln“, kritisiert Theresa Kofler von Attac Österreich. Studien zeigen, dass das EU-Mercosur-Abkommen die Entwaldung in Südamerika um 25 Prozent beschleunigen könnte.
Fördert Rechte transnationaler Konzerne
Während das EU-Mercosur-Abkommen die Rechte transnationaler Unternehmen und Finanzinstitutionen fördert, von der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen zu profitieren, werden koloniale Asymmetrien aufrechterhalten. Indem es die südamerikanischen Volkswirtschaften zu Rohstofflieferanten degradiert, konzentriert es noch mehr politische und wirtschaftliche Macht auf einige wenige Großunternehmen im Bergbau- und Agrarsektor“, kritisiert Lucia Ortiz, Executive board member von Friends of the Earth Brasilien und Friends of the Earth Lateinamerika und Karibik.
Wechselseitige Chance
Der Verein oecolution austria hingegen begrüßt die politische Grundsatzeinigung zum Mercosur-Abkommen. „Dieses Abkommen bietet wechselseitige Chancen, den Klimawandel aktiv zu bekämpfen und gleichzeitig Europas Rohstoffsicherheit zu stärken“, erklärt oecolution-Geschäftsführerin Elisabeth Zehetner zum heute erzielten Grundsatzabkommnen.
Zehetner betont, dass die Befürchtungen, das Mercosur-Abkommen könnte Klima- und Umweltschutz gefährden, unbegründet seien: „Im Gegenteil – der Nachhaltigkeitsteil des Abkommens verpflichtet explizit zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens. Damit wird ein wirksamer Hebel geschaffen, die Mercosur-Staaten stärker an Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zu binden.“