Bilanz: Verlierer des Tierreichs 2024
Die Naturschutzorganisation WWF zieht eine durchwachsene Jahresbilanz für den weltweiten Artenschutz: Stellvertretend für tausende bedrohte Arten stehen die Verlierer aus dem Tierreich 2024: Korallen, Borneo-Elefanten, Bantengs und Brillenpinguinen geht es teils dramatisch schlechter. Wölfe in Europa sollen noch öfter auf der Abschussliste stehen. Sogar der heimische Igel hat mit Problemen zu kämpfen und wird erstmals als “potenziell gefährdet” eingestuft.
Weder die Weltnaturkonferenz noch die Weltklimakonferenz hätten laut WWF im vergangenen Jahr die notwendigen Fortschritte zum Schutz unserer letzten verbliebenen Wildtiere gebracht. In Europa lässt zuletzt die Verschiebung der EU-Entwaldungsverordnung eine weitere Zerstörung artenreicher Regenwälder befürchten. Wegweisend wäre hingegen der Beschluss der wichtigen EU-Renaturierungsverordnung.
“Wildtiere verschwinden im Rekordtempo für immer von unserem Planeten und alle Ursachen sind menschengemacht: Lebensraumzerstörung, Übernutzung und Wilderei, invasive Arten, Umweltverschmutzung sowie die Klimakrise”
WWF-Artenschutz-Experte Georg Scattolin
Der WWF fordert daher eine Naturschutz-Offensive von der Politik. “Der Schutz der Biodiversität und des Klimas muss weltweit mehr Priorität bekommen. Lichtblicke gibt es immer dort, wo sich Menschen aktiv für den Schutz der Natur einsetzen”, sagt Scattolin.
“Es braucht dringend einen globalen Schulterschluss, um die artenreichsten Lebensräume zu schützen. Denn eine intakte Natur ist unsere beste Verbündete gegen die Klimakrise und das weltweite Artensterben”, sagt Georg Scattolin vom WWF.
Das gilt auch für Österreich, wo vor allem der Bodenverbrauch besorgniserregend ist: Pro Minute gehen im Schnitt mehr als 80 Quadratmeter wertvoller Boden verloren – mit fatalen Folgen für die Artenvielfalt und hohen Folgekosten für die gesamte Gesellschaft.
Die Verlierer im Überblick
Banteng
Das südostasiatische Dschungel-Rind wird in der Roten Liste als “vom Aussterben bedroht” eingestuft. Der weltweite Bestand schrumpfte in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 80 Prozent. Grund dafür sind vor allem illegale Jagd und Lebensraumverlust. Expert:innen schätzen die Population auf nur noch etwa 3300 Tiere. Gleichzeitig zeigt die aktuelle Version der Roten Liste aber auch, dass Schutzmaßnahmen Wirkung zeigen: So konnte sich die Population des Banteng in Thailand erholen – nicht zuletzt aufgrund jahrzehntelanger Schutzbemühungen des WWF. Doch die größer werdenden Banteng-Herden in Thailand können die Verluste in anderen asiatischen Regionen nicht kompensieren.
Brillenpinguine
Wie rasant eine Tierart an den Abgrund des Aussterbens geraten kann, zeigen die Brillenpinguine auf erschreckende Weise. Die afrikanische Pinguinart wird seit diesem Jahr als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. 2021 galten Brillenpinguine noch als „nicht bedroht“. Hauptproblem ist wahrscheinlich das fehlende Nahrungsangebot aufgrund kommerzieller Fischerei und klimabedingte Veränderungen der Fischbestände. Die IUCN geht von nur noch höchstens 20.000 Tieren aus. Laut Prognose: Brillenpinguine könnten in den nächsten zehn Jahren ausgestorben sein.
Igel
Die Zahl der Westeuropäischen Igel, auch Braunbrustigel genannt, geht stark zurück. Die Art wird jetzt als «potenziell gefährdet» eingestuft. Insbesondere die Zerstörung ländlicher Lebensräume durch Intensivierung der Landwirtschaft, Straßen und Stadtentwicklung führt zu einem beständigen Rückgang. Der Westeuropäische Igel kommt in weiten Teilen Mitteleuropas vor, unter anderem in Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch in Großbritannien. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Anzahl nach Schätzungen je nach Land um 16 bis 33 Prozent zurückgegangen. Gesicherte Angaben über die Gesamtzahl der Igel gibt es derzeit allerdings nicht.
Korallen
In den Korallenriffen der Erde vollzieht sich gerade eine unermessliche Tragödie. Die Klimakrise führt zu Rekordtemperaturen, durch die in den tropischen Meeren der ganzen Welt Korallenriffe ausbleichen. Hält dieser Zustand länger an, drohen große Teile dieser ikonischen Lebensräume abzusterben. Am australischen Great Barrier Reef stellten Wissenschaftler bei Untersuchungen von zwölf Teil-Riffen bereits Sterblichkeitsraten von bis zu 72 Prozent fest. Mit den Riffen würde nicht nur ein wichtiger Lebensraum verloren gehen, sondern auch die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen, die von der Fischerei und vom Tourismus leben. Der einzige Ausweg aus dieser fatalen Entwicklung ist sofortiger, wirksamer Klimaschutz.
Borneo-Elefant
Der auf der südostasiatischen Insel Borneo lebende Zwergelefant wurde 2024 in die Rote Liste der IUCN als „stark gefährdet“ aufgenommen. Von der kleinsten Unterart des Asiatischen Elefanten leben nur noch rund tausend Tiere in freier Wildbahn. Die Population ist in den vergangenen 75 Jahren aufgrund der intensiven Abholzung der Wälder Borneos zurückgegangen, die den Großteil des Lebensraums der Elefanten zerstört. Es war das erste Mal, dass die IUCN den Borneo-Elefanten einzeln als Unterart der Asiatischen Elefanten untersuchte.
Wolf
Trotz fehlender wissenschaftlicher Fakten haben die Staaten der Berner Konvention im Dezember den Schutzstatus des Wolfes in Europa von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt. In einem weiteren Schritt könnte die EU den Wolfsschutz in der FFH-Richtlinie senken. In diesem Fall könnten Wölfe unter Umständen wieder regulär bejagt werden dürfen, ganz klar ein Rückschritt für den Artenschutz. Denn bisher war der Abschuss nur in Ausnahmefällen als letztes Mittel nach Anordnung der Behörde erlaubt.