Klimaökonomin Sigrid Stagl ist Wissenschafterin des Jahres
Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen hat vergangenen Dienstag Sigrid Stagl als Wissenschafterin des Jahres ausgezeichnet. Stagl ist Professorin für Ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien mit den Schwerpunkten Nachhaltiges Wirtschaften, Ökologische Makroökonomie, Integrierte Bewertungsmethoden und Sozioökonomische Handlungstheorien. Der Preis wird seit 1994 jährlich an Wissenschafter:innen, die sich besonders um die verständliche Vermittlung ihrer Arbeit verdient gemacht haben, vergeben. Sigrid Stagl fordert, dass Klimaschutz zu einem zentralen Thema in Politik und Wirtschaft wird und erklärt, wie wichtig positive Zukunftsbilder gegen Desorientierung und Populismus sind.
„Das Wichtigste wäre meines Erachtens, dass man Klimapolitik nicht als eigenen Bereich sieht, sondern als Teil der Wirtschaft, der Wettbewerbs- und der Industriepolitik“
Sigrid Stagl
Die 56-jährige wurde 2008 als Professorin an die WU berufen und gründete dort 2014 das Institute for Ecological Economics, das sie bis 2019 leitete. Seit 2020 steht sie dem Department für Sozioökonomie an der WU Wien vor. Zuvor forschte und lehrte Sigrid Stagl an der University of Leeds und der University of Sussex. Nach dem Diplomstudium an der WU Wien absolvierte sie ihr PhD Studium am Rensselaer Polytechnic Institute, New York, wo ihr weltweit das erste Doktorat in Ecological Economics verliehen wurde. Zusätzlich war sie in der Governance der European Society for Ecological Economics (ESEE) tätig. Mit 1. März 2023 wurde Stagl für fünf Jahre zum Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank bestellt, also in den Aufsichtsrat der Nationalbank.
Stagl ist die elfte Frau, der der Klub- der Bildungs- und Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten den Titel „Wissenschafterin des Jahres“ verleiht, nach der Pionierin, der Transplantationschirurgin Hildegunde Piza der Universität Innsbruck (2000), der Klimaforscherin Helga Kromb-Kolb (2005), der Archäologin Sabine Ladstätter (2011) oder zuletzt der Gletscherforscherin Andrea Fischer (2023), um nur einige zu nennen.
Begriff der Ökologischen Ökonomie
Im Gegensatz zu der Umweltökonomie als Teil der Volkswirtschaftslehre geht man in der Ökologischen Ökonomie davon aus,“, dass die Wirtschaft Teil der Gesellschaft ist und auf den biophysischen Grundlagen, der Natur basiert.“ Das heiße, „alle ökonomische Analyse braucht die Umweltdimension mitberücksichtigt“, weshalb man hier vorwiegend interdisziplinär arbeitet. Währenddessen geht man bei der Umweltökonomie davon aus, dass sich andere Ökonomen, die sich mit dem Arbeitsmarkt, mit der Sozial- oder Industriepolitik beschäftigten, „sich nicht mehr besonders um Umweltfragen kümmern“ müssen, so die Wissenschafterin.
Klimaschutz ist Aufgabe aller
In ihrer Rede zur Preisverleihung meinte die Ökonomin: „Klimaschutz ist daher keine Option, sondern eine notwendige Voraussetzung, um Sicherheit und Stabilität in einer sich wandelnden Welt zu sichern. Klimaschutz muss außer Diskussion gestellt und von allen ökonomischen und politischen Akteur:innen priorisiert und konsequent umgesetzt werden.
Klima- und Umweltschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die aber Champions und Fürsprecher:innen braucht, daher ist es wichtig auch in der nächsten Bundesregierung ein Klimaschutzministerium zu haben. Klima- und Umweltschutz bildet die Grundlage für eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit.“
Sie forderte letzten Herbst von der neuen Bundesregierung ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz und ein Maßnahmenpaket zur Reduktion des Energieverbrauchs.
Klimaschutz ist Investition in Zukunft
Weiters erklärte sie, dass Klimaschutz aus ökonomischer Sicht eine Investition in die Zukunft sei. So zeigten Studien, dass die Kosten des Nichthandelns weitaus höher sind als die Kosten für die notwendige Transformation. Jetzt klimafreundlich zu handeln sei daher wirtschaftlich sinnvoller als später zu beginnen. und weiters meinte die Preisträgerin in ihrer Rede:
„Eine kurzfristige Budgetsanierung durch das Zurückfahren zukunftsorientierter Investitionen wäre fatal. Die langfristigen Kosten, beispielsweise durch Klimaschäden, würden die Einsparungen bei Weitem übersteigen.
Klimafreundliches Handeln muss für Unternehmen und Haushalte zur wirtschaftlich attraktivsten Option werden. Zukunftsfähiges Handeln muss erleichtert werden und muss sich lohnen.“
In ihrer Rede nennt Stagl folgende Beispiele für zukunftsorientierte Regeln:
- die Verringerung der klimaschädlichen Subventionen,
- Energieeffizienzstandards für Neubauten anheben,
- Förderung energieeffizienter Technologien in der Industrie,
- Beschleunigung des Ausbaus von Wind- und Solarenergie,
- Industriestandards für Umstellung auf Kreislaufwirtschaft,
- Einführung von Tempolimits 30/80/100, die mit minimalem Aufwand signifikante Emissionsminderungen bewirken,
- und einen Stopp des Ausbaus des höherrangigen Straßennetzes.
„Wir brauchen positive Zukunftsbilder“
Am Ende ihrer Rede erwähnte die Wissenschafterin einen Punkt, den wir von pro.earth ebenfalls für essentiell halten: „Wir brauchen positive Zukunftsbilder. Die Transformation braucht positive, aktivierende Narrative. Wissenschaft kann Chancen aufzeigen: neue Arbeitsplätze, regionale Wertschöpfung und ein besseres Leben für alle. Ohne solche Visionen riskieren wir Desorientierung und geben Populisten Raum.“
Das gesamte Team von pro.earth gratuliert der Wissenschafterin des Jahres, Sigrid Stagl!