Wie jede:r einzelne die Welt verbessern kann: Rutger Bregman

Viele Menschen sehen recht pessimistisch in die Zukunft und fühlen sich überfordert. Anlässe dafür gibt es momentan auch genug. Seien es die gerade stattfindenden Kriege, der Vormarsch von Autokraten, Regierungskrise in Deutschland und Österreich, Wirtschaftsrezession, die Klimakrise mit all ihren Folgen oder soziale Ungerechtigkeit. Doch es gibt so viele gute Nachrichten, positive Entwicklungen, die leise und fast unbemerkt vonstattengehen. Und es formiert sich weltweit eine Bewegung von Menschen, die für eine positive Zukunft kämpfen, und nicht nur darüber reden (oder schreiben). Zu denjenigen, die einen Plan zur Veränderung zum Guten haben, zählt der niederländische Historiker und Autor Rutger Bregman.
„Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit können wir uns selbst auslöschen, nicht nur durch Atomwaffen, die wir geschaffen haben. … Es könnte aber auch erst der Beginn der Menschheitsgeschichte sein“
Rutger Bregman
„Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit können wir uns selbst auslöschen, nicht nur durch Atomwaffen, die wir geschaffen haben.“ Sondern auch durch Biotechnologien und künstliche Intelligenz. Es könnte aber auch erst der Beginn der Menschheitsgeschichte sein, erklärt der niederländische Historiker, Journalist und Aktivist Rutger Bregman, der 2019 erstmals weltweit mit seinem Input zu mehr Steuergerechtigkeit auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos auf sich aufmerksam machte. Dort kritisierte er die Steuervermeidungsstrategien der Superreichen und forderte, dass gerade in Foren wie Davos mehr über das wichtige Thema Steuern gesprochen werden sollte. Dabei zog er einen Vergleich: „Es fühlt sich an, als sei ich auf einer Konferenz von Feuerwehrleuten, und niemand darf über Wasser reden.“
Er ist Autor mehrerer millionenfach verkaufter, inspirierender Bücher wie dem Bestseller von 2020 „Im Grunde gut“ und „Utopist für Realist:innen“ sowie dem neuesten Buch „Moralische Ambition“, das gleichzeitig mit der Gründung der „School of Moral Ambition“ 2024 einherging. In seinem neuesten Werk zeigt Bregman anhand von ambitionierten Menschen, die das Leben von vielen verbessert oder gar gerettet haben, dass es möglich ist, die Situation als einzelne:r oder als kleine Gruppe zu verändern und zu verbessern. Dafür muss man handeln, denn Demokratie, Chancengleichheit, Klimaschutz lassen sich nicht einfach herbeireden.
Wir brauchen Taten
„Über viele, viele Jahre hat sich die Bildungselite dieses Märchen erzählt, dass der Fortschritt unumgänglich sei“, erklärt Bregman. „Dass die Demokratie sich weltweit durchsetzen werde. Aber was wir jetzt sehen, ist genau das Gegenteil. Überall auf der Welt ist die Autokratie auf dem Vormarsch. Trump wurde gerade wiedergewählt. Ich glaube, was wir jetzt brauchen, ist keine weitere Runde der Selbstbestätigung. Was wir jetzt tun müssen, ist unseren Worten Taten folgen lassen.“
Survival of the Friendliest
Es ist wichtig, den Blick zu schärfen und das gesamte Bild zu sehen und die positiven Aspekte ebenso anzuerkennen wie die negativen, die es natürlich ebenso gibt. Wir fokussieren uns viel zu sehr auf die negativen Dinge, meint Bregman. Dafür gibt es einen Begriff: Das „Mean World Syndrome“. Wer viel Nachrichten sieht, hat einen negativeren Blick auf die Welt und den Mensch an und für sich. Das ist im Interesse der Eliten, der Mächtigen, so der Aktivist. Der Ansatz, den Bregman in seinem Buch „Im Grunde gut“ vertritt, und zwar, dass die freundlichsten Menschen überleben – also „Survival of the Friendliest“ – führt zu einer Revolution des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems.
HIER geht es zu einem wunderbaren Beitrag auf Ö1 Diagonal zur Person Rutger Bregman vom 12. Januar 2025. Absolut hörenswert!

Die Kraft der Veränderung durch Menschen, die Risiken eingehen
Im Buch „Moralische Ambition“ zeigt der Autor anhand von Umfragen auf, dass 25% aller Beschäftigten ihren Job als „Bullshit-Job“, als nicht sinnstiftend und sogar schädlich für die Gesellschaft empfinden. Weiters wirft Bregman in seinem neuesten Buch die provokante These auf, dass sich die meisten Menschen mit ihrer Mittelmäßigkeit abfänden und erklärt im Interview mit Radio Bayern 2:
„Die Anthropologin Margaret Mead hat einmal gesagt, dass man niemals die Kraft unterschätzen sollte, die von kleinen Gruppen engagierter Bürger ausgeht. Sie können die Welt verändern – mehr noch: Nur so entsteht überhaupt Veränderung. Eigentlich sind das harte Worte. Denn damit sagt sie gleichzeitig auch, dass die meisten Menschen die Welt eben nicht verändern. Weil sie die Regeln befolgen und tun, was von ihnen erwartet wird. Sie haben vorhersehbare Meinungen und vorhersehbare Jobs. Und gehen nie Risiken ein. Mich haben als Historiker immer die anderen interessiert: Warum sind manche Menschen dazu in der Lage, die Geschichte zum Besseren oder Schlechteren zu verändern?“
Der Autor und Aktivist erklärt, was er unter dem Begriff moralische Ambition versteht, so:
„Moralische Ambition ist der Wille, die Welt drastisch zu verbessern. Die eigene Karriere den großen Problemen unserer Zeit zu widmen, seien es der Klimawandel oder Kindersterblichkeit, Steuerhinterziehung oder die nächste Pandemie. Es ist das Bedürfnis, etwas zu bewirken und etwas zu hinterlassen, das wirklich zählt.“
School of Moral Ambition – es braucht „radikale Nerds“
Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründete Bregman daraufhin eine Stiftung, die Menschen aus Top-Jobs abwirbt und sie darin schult, ihre Talente dort einzusetzen, wo sie sinnstiftend etwas verändern können. „Wir wollen hier ein Team aufstellen aus brillanten Steueranwälten, Vermögensverwaltern, Bankern, Firmenanwälten – die ihre Karriere dem Kampf für Steuergerechtigkeit widmen“, meint der Historiker. „Denn es braucht nicht nur Awareness-Leute wie mich, sondern vor allem radikale Nerds. Streber, die sich mit jedem kleinsten gesetzgeberischen Detail auskennen. Im Moment arbeiten solche Leute für die bösen Jungs. Und wir sagen zu ihnen: Arbeitet nicht für Darth Vader, arbeitet für Luke Skywalker!“, so Bregman.
„Wir bezahlen dich, damit du deinen Job kündigst“.
Solche Banner sollen nach Amsterdam und Berlin auch bald an der New Yorker Wall Street von den Hochhauswänden prangen.
„Wir nennen uns manchmal „die Robin Hoods des Talents„. Wir nehmen den Reichen und Wohlhabenden zwar nicht das Geld weg, aber das Talent. Und das spenden wir den wichtigsten Kämpfen unserer Zeit. Und ich glaube, das ist nur der Anfang. Auch in Deutschland wollen wir viele Menschen für unsere Community gewinnen.“, erklärt der Aktivist gegenüber Radio Bayern 2.
Weitere Empfehlungen
Gleich zwei TV-Beiträge befassen sich mit Rutger Bregman. Die Kulturzeit in 3sat von 6.1. 2025 sowie der ARD-Beitrag vom 15.12.2024.