Meerespiegel wird höher ansteigen als bisher angenommen

Berechnungen über den zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels sind mit vielen Unsicherheiten behaftet. Bis dato geht der UN-Klimarat IPCC von rund einem Meter bei hohen Treibhausgasemissionen bis 2100 aus. Doch neue Berechnungen der Nanyang Technological University in Singapur (NTU Singapur) zeigen, dass je nachdem, wie sich die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren entwickeln, wir mit einem fast doppelt so großen Anstieg um bis zu 1,9 Metern rechnen müssen. Dies hätte zum Teil fatale Auswirkungen auf die Küsten dieser Erde.

 

 

Der globale Meeresspiegel wird bis zum Jahr 2100 höchstwahrscheinlich zwischen 0,5 und 1,9 Meter ansteigen, so eine eine von der NTU Singapur geleitete Studie mit neuer Projektionsmethode, den sie Fusionsansatz nennen. Ein interdisziplinäres Team von Forschern der NTU Singapur und der Technischen Universität Delft (TU Delft), Niederlande, hat darin prognostiziert, dass bei einem weiteren Anstieg der globalen CO2-Emissionen der Meeresspiegel sehr wahrscheinlich bis zum Jahr 2100 zwischen 0,5 und 1,9 Metern ansteigen wird  Das obere Ende der Spanne dieser Projektion liegt 90 Zentimeter höher als die jüngste globale Projektion der Vereinten Nationen von 0,6 bis 1,0 Metern.

Nachdem heute die Hälfte der Erdbevölkerung näher als 25 Kilometer zur nächsten Küste lebt, klingt das durchaus bedrohlich, immerhin befinden sich mehr als 130 Millionenstädte an den Küstenlinien.

„Unser neuer Ansatz geht ein zentrales Problem der Meeresspiegelforschung an: Unterschiedliche Methoden zur Prognose des Meeresspiegelanstiegs führen oft zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Durch die Kombination dieser verschiedenen Ansätze in einer
können wir die mit dem künftigen Meeresspiegelanstieg verbundene Unsicherheit abschätzen und die sehr wahrscheinliche Bandbreite des Meeresspiegelanstiegs quantifizieren.“

Leitender Studienautor Benjamin Grandey, Senior Research Fellow at NTU’s School of Physical and Mathematical Sciences (SPMS)

 

Die aktuellen Meeresspiegelprognosen stützen sich auf eine Reihe von Methoden zur Modellierung von Klimaprozessen. Einige beinhalten gut verstandene Phänomene wie das Schmelzen der Gletscher, während andere unsicherere Ereignisse wie den abrupten Zusammenbruch von Schelfeis einbeziehen.

Küste in Bagladesch

Meeresspiegel steigt unterschiedlich hoch an

Interessanterweise steigt der Meeresspiegel nicht überall auf der Welt gleich stark an. Während am Nordatlantik entlang der US-Ostküste und in Norwegen und auch am Pazifik entlang der ohnehin tiefliegenden Küsten Süd- und Südostasiens, darunter auch in Bangladesch, der Meeresspiegel überdurchschnittlich hoch ansteigt, ist die Entwicklung an der deutschen Nordseeküste eher gemäßigt. Dort wurden die Deiche  bislang um 50 Zentimeter, den sogenannten Klimazuschlag, erhöht. Niedersachsen plant jedoch viele Dämme um weitere 50 Zentimeter zu erhöhen. Beides reicht allerdings nicht aus, sollte der Meeresspiegel tatsächlich um 1,9 Meter ansteigen. Besonders dramatisch ist dies in Ländern, denen nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um ihre Küsten ausreichend zu schützen. Schon heute besteht vielerorts das Problem, dass Salzwasser ins Grundwasser drückt und zum Versalzen von Böden und der Wasserversorgung führt.

 

Ursachen für den Anstieg des Meeresspiegels

Welche Prozesse durch die Erderwärmung zu dem Anstieg des Meeresspiegels führen, ist zum einen die Ausdehnung der sehr sensibel reagierenden Wassermoleküle durch die wärmeren Temperaturen. Bereits die Erwärmung um wenige Zehntel Grad führt zu einer deutlichen Zunahme des Wasservolumens. Laut IPCC beträgt die Ausdehnung des Wasservolumens rund 46% des gesamten Anstiegs (im Zeitraum 1993 -2018).

 

Gletscherschmelze

Der zweite Grund für den Anstieg ist die Zunahme an Wasser in den Weltmeeren. Diese wird hauptsächlich durch das Abschmelzen von Landeis, dem großen Eisschild auf Grönland und der Antarktis sowie Gletschern, hervorgerufen. In den beiden Eisschilden befinden sich rund zwei Drittel aller Süßwasserreserven weltweit. Würden beide völlig abschmelzen, rechnet man mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 65 Meter.

Auch die Entnahme von tieferliegendem Grundwasser zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen oder für die Wasserversorgung vor allem der stark wachsenden städtischen Bevölkerung führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels, da dieses Wasser letzten Endes wieder in den Weltmeeren landet.

 

 

„Unsere neuen, sehr wahrscheinlichen Projektionen zeigen, wie groß die Unsicherheiten sind, wenn es um den Meeresspiegelanstieg geht. Die höchste Prognose von 1,9 Metern unterstreicht die Notwendigkeit für Entscheidungsträger, kritische Infrastrukturen entsprechend zu planen. Noch wichtiger ist, dass diese Ergebnisse die Bedeutung des Klimaschutzes durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen unterstreichen.“

Benjamin Grandey

 

Co-Autor, Professor Benjamin Horton, Direktor des Earth Observatory of Singapore an der NTU, sagte: „Diese NTU-Forschung stellt einen bedeutenden Durchbruch in der Meeresspiegel Wissenschaft dar. Durch die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit der extremsten Ergebnisse unterstreicht sie die schwerwiegenden Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs auf Küstengemeinden, Infrastruktur und Ökosysteme und unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die Klimakrise zu bewältigen“.

 

#handelnstattreden

Link:

“Fusion of Probabilistic Projections of Sea-Level Rise” in Earth’s Future, veröffentlicht am 11. Dezember 2024