EU-Aktionsplan für Autoindustrie führt zu Schwächung der Klimaziele

Anfang März hat die Europäische Kommission ihren Aktionsplan für den Automobilsektor in Europa vorgestellt. Er ist Ergebnis des strategischen Dialogs über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Januar eingeleitet hatte. Unter anderem wird die Kommission 1,8 Milliarden Euro für eine sichere und wettbewerbsfähige Lieferkette für Batterierohstoffe bereitstellen. Der europäische Automobilsektor befindet sich an einem kritischen Wendepunkt und steht raschen technologische Veränderungen und zunehmenden Wettbewerb gegenüber. Durch den Aktionsplan der EU-Kommission würden Autohersteller, die auf Kurs wären bestraft und der wichtigste Anreiz zur Elektrifizierung wegfallen, so kritische Stimmen.

 

Der Plan der Europäischen Kommission enthält zwar wichtige Maßnahmen, um die Nachfrage nach europäischen E-Autos anzukurbeln. Dazu zählt ein Gesetz, das E-Autos in Unternehmensflotten fördert. Allerdings räumt der Plan Autoherstellern zwei zusätzliche Jahre für die Einhaltung der CO₂-Ziele 2025 ein. Damit untergräbt die Kommission den wichtigsten Anreiz für EU-Autohersteller, im Rennen um die Elektrifizierung aufzuholen, so die Analyse des europäischen Dachverbandes für sauberen Verkehr und Energie (T&E).

 

William Todts, T&E-Exekutivdirektor und Teilnehmer des Strategischen Dialogs, sagte: „Die schwächeren EU-Vorschriften für saubere Autos belohnen Hersteller, die die Ziele verfehlt haben. Jetzt einzuknicken sichert der europäischen Automobilindustrie kurzfristig Gewinne, lässt aber langfristig den Rückstand auf China noch größer werden. Die EU riskiert schädliche Unsicherheiten bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge in Europa. T&E erwartet einen Aktionsplan für die Automobilindustrie, der das Vertrauen wiederherstellt. Europa und unsere Industrie muss wieder auf Kurs, damit hier 2035 ausschließlich emissionsfreie Fahrzeugen neu verkauft werden.“

CO2-Flottenziele um zwei Jahre verschoben

Sie wird noch in diesem Monat zusätzliche Flexibilitätsmöglichkeiten durch eine gezielte Änderung der CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge vorlegen. Die Änderung würde es den Automobilherstellern ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen, indem sie ihre Reduktionsleistungen über einen Zeitraum von drei Jahren (2025–2027) berechnen können. So könnten sie Defizite in einem oder zwei Jahren durch Übererfüllung in den anderen Jahren ausgleichen, während das Gesamtziel für 2025 beibehalten wird.

 

Das aktuelle CO2-Ziel für 2025 ist für die europäischen Automobilhersteller erreichbar. Sie haben noch bis Ende des Jahres Zeit, es zu erfüllen. Ändert die Kommission nun das Zeitfenster, indem Hersteller das Ziel erreichen müssen, dann sinkt der Druck, erschwinglichere Modelle anzubieten und die Hersteller, die in die Erfüllung investiert haben, werden bestraft, erklärt dazu T&E Deutschland, Europas Dachverband für sauberen Verkehr und Energie. Die Maßnahme, die noch von den EU-Regierungen und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments verabschiedet werden muss, sei ein beispielloses Geschenk an die europäische Autoindustrie mitten im Jahr der Zielerfüllung.

Kurt Stukenberg sieht in seinem Spiegel-Newslettter darin einen weiteren Rückzieher der EU-Kommission und Ursula von der Leyen von ihrer Klimapolitik des Green Deal und eine Gefährdung der langfristigen Klimaziele durch die Verwässerung der Zwischenschritte.

Von der Leyen hingegen erklärte, die Änderung würde der Industrie mehr „Spielraum“ gewähren, aber die Gesamtziele würden sich nicht ändern.

„Doch das Vorgehen ist riskant. Denn die dahinterliegende Botschaft lautet: Wenn es politisch oder wirtschaftlich gerade opportun erscheint, werden sogar seit Langem feststehende Klimaziele infrage gestellt.“

Kurt Stukenberg, Spiegel

 

Es gibt Analysen und Studien darüber, dass der Verkauf von E-Autos durch die CO2-Flottenziele gestiegen ist. „Je höher das
Ambitionsniveau der Verordnung ausgestaltet ist, desto höher wird die Effektivität der Verordnungen in Bezug auf die THG-Emissionsminderung und das Innovationsniveau der europäischen Automobilindustrie eingeschätzt“ schreibt dazu das Umweltbundesamt.

Im Umkehrschluss werden nun also in den nächsten beiden Jahren mehr Verbrenner-Autos verkauft werden, was dazu fürht, dass über einen ungefähren Zeitraum von zehn Jahren die Treibhausgas-Belastung höher sein wird als vorgesehen, was zu mehr Klimaschäden und schlechterer Luftqualität führt.

 

Unternehmensflotten elektrifizieren

Die Kommission wird ein EU-Gesetz für saubere Unternehmensflotten vorschlagen, wie aus einer heute veröffentlichten Mitteilung hervorgeht. Eine solche Vorschrift würde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilhersteller stärken, denn 62 Prozent ihrer Fahrzeuge werden auf dem Unternehmensmarkt verkauft. Eine T&E-Analyse zeigt, dass Flottenelektrifizierungsziele den EU-Herstellern 2030 eine Nachfrage von mehr als 2 Millionen E-Autos garantieren könnten – die Hälfte der E-Auto-Verkäufe, die sie im Durchschnitt benötigen würden, um ihre verbindlichen CO₂-Emissionsziele für 2030 zu erreichen.

 

Batterieproduktion unterstützen

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Europa eine kostenmäßig wettbewerbsfähige EU-Batterie-Zellproduktion erreicht, die einen großen Teil der Batterieversorgung abdeckt und entlang der Lieferkette einen europäischen Mehrwert schafft. Die Kommission wird 1,8 Milliarden Euro für eine sichere und wettbewerbsfähige Lieferkette für Batterierohstoffe sowie Mittel aus dem Innovationsfonds für die Produktion bereitstellen, so die offizielle Erklärung diesbezüglich.

 

Die Kommission hat erklärt, dass sie eine Unterstützung der Batterieproduktion in der EU sowie sogenannte “local content requirements” prüft, also festgelegte Anteile an lokaler Wertschöpfung bei Materialien und Produktion. Aber das ist zu wenig und zu spät, meint T&E Deutschland. Mindestens 100 GWh an Batteriekapazität wurden im letzten Jahr gestrichen, da die europäischen Hersteller mit der globalen Konkurrenz, Subventionen in anderen Ländern und dem Fehlen gleicher Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen haben. Die EU zieht auch finanzielle Unterstützung für Batterierecycling in Erwägung. Die Branche hat enormes Potenzial, um wichtige Rohstoffe in Europa zu halten und damit Mineralienimporte zu verringern, fasst aber in Europa nur schwer Fuß.

 

„Die langfristigen Klimaziele geraten jedenfalls in Gefahr, wenn die Zwischenschritte immer wieder infrage gestellt werden.“, schlussfolgert Stukenberg und dem können wir uns nur anschließen. Und jeden Tag werden wir mit den bereits sichtbaren Folgen der Klimakrise konfrontiert.

 

Links:

EU Pressemitteilung vom 5.3.2025

Europäischer Dachverband für sauberen Verkehr und Energie