Ziel einer unabhängigen europäischen Batterieproduktion rückt weiter in Ferne

Über 90 Prozent aller Batterien für Elektroautos und -speicher in der EU werden derzeit von asiatischen Herstellern produziert und 40 Prozent der angekündigten Gigafabriken von chinesischen oder südkoreanischen Herstellern gebaut. Vor diesem Hintergrund hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis 2030 90 Prozent ihres Batteriebedarfs aus heimischer Produktion zu decken – angesichts des rasanten Marktwachstums und der stark steigenden Nachfrage ist dieses Ziel jedoch in Gefahr. Die Insolvenz des schwedischen Akkuherstellers Northvolt diesen März trägt ebenfalls dazu bei, dass es in weitere Ferne rückt.

 

Perspektiven der europäischen Batterieindustrie bis 2030

Der wachsende Anteil batteriebetriebener Elektrofahrzeuge sowie die Dekarbonisierung des Energiesektors erfordern auch eine steigende Anzahl von Batterien. Diese Batterien werden bisher überwiegend in Asien produziert. Vor diesem Hintergrund hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis 2030 90 Prozent ihres Batteriebedarfs aus heimischer Produktion zu decken, was aufgrund vieler Probleme jedoch in immer weitere Ferne rückt.

 

Nachfrage nach Batteriezellen wird bis 2030 stark ansteigen

Die Ergebnisse einer neuen Studie des Fraunhofer ISI, die in Nature Energy veröffentlicht wurde, zeigen, dass die Nachfrage nach Batteriezellen in Europa bis 2030 wahrscheinlich 1 TWh pro Jahr übersteigen wird. Gleichzeitig werden die heimischen Produktionskapazitäten voraussichtlich nicht ausreichen, so dass die Gefahr von Versorgungsengpässen besteht.

Obwohl davon auszugehen ist, dass Europa bis 2030 mindestens 50 bis 60 Prozent seines Bedarfs durch die heimische Produktion decken kann, ist das Erreichen des EU-Ziels einer 90-prozentigen Selbstversorgung zwar noch möglich, aber ungewiss.

 

Gelingt es Europa nicht, die eigene Batterieproduktion zu beschleunigen, könnte es in Zukunft noch abhängiger von externen Zulieferern werden, seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit einbüßen und sich die Dekarbonisierung in vielen Sektoren verzögern – schwerwiegende wirtschaftliche und geopolitische Konsequenzen könnten folgen.

 

Bis dato operieren vielfach chinesische Hersteller wie CATL in Europa. Dieses Unternehmen will seine Produktion im 2023 eröffneten Werk nahe der deutschen Stadt Erfurt weiter ausbauen.

Neben CATL sind es vor allem die drei südkoreanischen Unternehmen LG Energy Solution, Samsung SDI und SK Innovation. Europa setzte daher große Hoffnungen auf das schwedische Unternehmen Northvolt.

„Northvolt war der erste europäische Player, der versucht hat, Batteriezellen im großen Maßstab zu fertigen“, so Steffen Link, Wissenschaftler am Fraunhofer ISI und Hauptautor der Studie. Die schwedische Insolvenz betrifft zurzeit nicht das deutsche sowie nordamerikanische Tochterunternehmen. So soll die Errichtung des Batteriewerks Northvolt Drei nahe der deutschen Stadt Heide in Schleswig-Holstein weiter voranschreiten.

 

Probleme bei Batterieherstellung made in Europe

Neben der Insolvenz von Northvolt gibt es weitere Probleme bei der europäischen Batterieherstellung. Eine neue Studie im Auftrag von T&E kommt zu dem Ergebnis, dass die Europäische Kommission den Technologietransfer von China einfordern und bei Umweltstandards nachbessern muss.

So hat die EU beispielsweise keine ökologischen oder sozialen Bedingungen an die Batteriefabrik von CATL in Ungarn und LG Energy Solution in Polen geknüpft hat – trotz staatlicher Beihilfen der ungarischen und polnischen Regierung in Höhe von 900 Millionen Euro.

 

Sie zeigt zudem, dass es bei zwei EU-chinesischen Partnerschaften keinen langfristigen Kompetenztransfer gibt. Hierzu zählen VW-Gotion in Deutschland und CATL-Stellantis in Spanien. Die Zusammenarbeit in diesen Werken ist ausschließlich auf die kurzfristige Sicherung der Batterienachfrage ausgerichtet.

 

Beide analysierten Projekte verstoßen jedoch in puncto Luftverschmutzung gegen die EU-Richtlinie über Industrieemissionen, da sie die Grenzwerte für NMP überschreiten. NMP ist ein Giftstoff, der bei der Kathodenherstellung zum Einsatz kommt. Bei der ungarischen Anlage gibt es zudem Bedenken wegen unzureichender Wasseraufbereitung und Energieversorgung. Über schlechte Arbeitsbedingungen wird aus beiden Werken berichtet.

 

Bei den Werken in Deutschland und Spanien wurde insbesondere der Technologietransfer untersucht. Im Fall von der Firma Gotion, an der Volkswagen mit 1,1 Milliarden beteiligt ist und 26,47 Prozent der Anteile hält, wurde festgestellt, dass VW wenig Einfluss auf die Technologie hat. Die Partnerschaft mit Gotion wird hauptsächlich als Mittel zur Sicherung der Versorgung mit Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) beschrieben. Auch in Spanien ist kein langfristiger Technologietransfer festzustellen. Hier hat das Joint Venture zwischen Stellantis und dem Batterieriesen CATL knapp 300 Millionen Euro staatliche Beihilfen zur Herstellung von LFP-Batterien erhalten. Grund für das Problem sind fehlende Vorschriften für einen Technologietransfer auf EU oder nationaler Ebene und fehlende Lokalisierungsanforderungen (local content requirements), die beispielsweise in China und den USA meist Voraussetzung für den Markteintritt ausländischer Investoren sind.

 

Notwendige Maßnahmen zur Erreichung der Ziele

Will Europa bei Batteriezellenimporten unabhängiger werden, so zeigen die Fraunhofer IS Studien-Ergebnisse, dass

  • der Ausbau der Produktionskapazitäten beschleunigt,
  • Batterie-Lieferketten aufgebaut und
  • eine starke industriepolitische Strategie umgesetzt werden müssen,

um die Wettbewerbsfähigkeit und sichere Versorgung mit Batterien zu gewährleisten. Dazu gehört auch eine Verlässlichkeit mit Blick auf die künftige Marktnachfrage nach batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen durch die Beibehaltung der derzeitig gültigen CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Lkw. Mit dem kürzlichen beschlossenen »Industrial Action Plan for the European Automotive Sector« hat die EU nun wichtige Schritte zur Stärkung der Europäischen Batterieproduktion eingeleitet.

Europas Dachverband für sauberen Verkehr und Energie (T&E) sieht darüber hinaus als wichtige Maßnahmen, dass die

  • EU und Bundesregierung unmissverständlich klarstellen müssen, dass sie von ihrem Ziel ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zuzulassen, nicht abrücken
  • EU den Verkauf von Batterien beschränken müssen, die mit fossiler Energie hergestellt werden. Batterien, die mit sauberem EU-Strom hergestellt werden, sind mindestens 37 Prozent sauberer als in China hergestellte Batterien.
  • EU eine unbürokratische Förderung braucht, um nationalem Subventionswettlauf Vorschub zu leisten

 

Links

Fraunhofer ISI Studie“Feasibility of meeting future battery demand via domestic cell production in Europe“