Sind Europas Klimaziele durch Abänderung des Lieferkettengesetzes bedroht?

Das vielfach umstrittene, von Umwelt- und Menschrechtsorganisationen positiv bewertete EU-Lieferkettengesetz wurde gestern, 3.4.2025, in seiner erst im Februar abgeänderten Form vom EU-Parlament angenommen. Damit beugte sich das EU dem großen Druck aus Wirtschaftskreisen. Die Abänderung beinhaltet die Verschiebung des Gesetzes auf das Jahr 2028 und die Ausnahme von 80 Prozent aller Unternehmen aus der Nachhaltigkeitsberichtspflicht. Dies ist nach der Verschiebung der CO2-Flottenziele in der Automobilindustrie ein weiterer Schritt zur Aufweichung der europäischen Klimaziele – und weitere sind angekündigt.
Ziel des Gesetzes war es ursprünglich, Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und mehr als 450 Millionen Euro Jahresumsatz bezüglich negativer Auswirkungen auf Mensch und Natur ihrer Produktion in die Pflicht zu nehmen. Und zwar entlang ihrer gesamten Lieferkette. So sollten im ersten Schritt große Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Mrd Euro weltweitem Jahresumsatz bis Juli 2027 das Gesetz umsetzen.
Nun hat die EU in einem „Dringlichkeitsverfahren“ dies zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Reduktion der Bürokratie – so die Erklärung der Aufweichung – um ein Jahr auf Mitte 2028 verschoben. Desweiteren sind nur mehr die direkten Zulieferer involviert und nicht die ganze Lieferkette. Desweiteren soll es einfachere Anforderungen bei der Nachhaltigkeit geben.
Darüber hinaus werden 80 Prozent aller Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD) ausgenommen und die Berichterstattung nach CSRD nur mehr auf diejenigen zu konzentrieren, bei denen die größten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt vorkommen könnten. Auch der Zeitpunkt der Einführung wurde um zwei Jahre nach hinten verschoben.
Auch die zivilrechtlichen Haftungsbedingungen der EU, die im ursprünglichen Lieferkettengesetz vorgesehen hatten, dass Opfer von UNternhemen diese klagen können und entschädigt werden müssen, soll bei gleichzeitiger Wahrung der Rechte der Opfer abgeschafft werden.
KMUs haben Vorteile durch Lieferkettengesetz
Die Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze”, ein Zusammenschluss aus Arbeitnehmer:innenvertretungen und NGOs, hat am Tag vor der Entscheidung des EU-Parlaments einen kompakten Faktencheck zum Lieferkettengesetz veröffentlicht.
Durch den Faktencheck wird laut Südwind unter anderem deutlich, dass das EU-Lieferkettengesetz Vorteile für kleine und mittlere Unternehmen bringt, weil es gleiche Regeln für alle schafft. Unternehmen (meist KMU), die bereits jetzt nachhaltig handeln und auf faire Produktionsbedingungen achten, haben derzeit einen wirtschaftlichen Nachteil. Durch das Lieferkettengesetz müssen künftig auch große Konzerne nachziehen. KMU selbst sind nur indirekt vom EU-Lieferkettengesetz betroffen. Für jene, die selbst als Produzenten in der Lieferkette großer Unternehmen tätig sind, sind Unterstützungen vorgesehen.
Kehrtwende führt bei vielen Firmen zu Problemen
Während die einen die Abänderungen als Abbau von Bürokratie und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen loben, bezeichnen andere dies als Rückschritt bei den Klimazielen. Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren auf den Weg zur Klimaneutralität gemacht. Investitionen getätigt. Ihr Geschäftsmodell in diese enkeltaugliche Richtung gelenkt. Es entstanden neue Branchenzweige, neue Geschäftsmodelle, neue Betriebe und Unternehmen. Diejenigen sind nun die Leidtragenden der europäischen Kehrtwende, nennen wir sie einmal so. Statt einen Wettbewerbsvorteil dadurch zu generieren, verlieren diese nun Kunden, Investitionen und Umsätze. Währenddessen profitieren die Unternehmen, die bis dato auf der Bremse standen, von der jetzigen Situation.
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