Genetische Nähe: Was das entschlüsselte Erbgut der Menschenaffen über uns verrät

In einer wegweisenden Studie, veröffentlicht im renommierten Fachjournal Nature, haben internationale Forscherinnen und Forscher – unter aktiver Beteiligung der Universität Hamburg – erstmals das vollständige Erbgut von sechs Menschenaffenarten lückenlos entschlüsselt. Dazu gehören Schimpansen, Bonobos, Gorillas, Borneo- und Sumatra-Orang-Utans sowie der weniger bekannte Siamang.
Diese bislang präziseste genetische Kartierung erlaubt es, unsere nächsten evolutionären Verwandten auf einer bisher unerreichten Ebene zu verstehen.
Die Ergebnisse zeigen: Mit teils über 98 % genetischer Übereinstimmung sind Menschenaffen nicht nur biologisch eng mit uns verwandt – sie sind auch der Schlüssel zur Erforschung dessen, was den Menschen einzigartig macht.
Was ist neu?
• Die Forscher konnten dank modernster Sequenzierungstechnologien alle Chromosomen vollständig und fehlerarm entschlüsseln – ein Meilenstein, der zuvor nicht erreicht wurde.
• Besonders im Fokus standen dabei die X- und Y-Chromosomen, deren vollständige Analyse neue Perspektiven auf geschlechtsspezifische Entwicklungen und Erkrankungen bietet.
• Die Studien geben auch Hinweise darauf, wie kleine Unterschiede in regulatorischen DNA-Abschnitten (etwa den sogenannten HARs – Human Accelerated Regions) große Auswirkungen auf kognitive Fähigkeiten und soziale Strukturen haben können.
Warum ist das wichtig für uns?
Diese Forschung betrifft nicht nur die Evolutionsbiologie – sie hat direkte Relevanz für unsere Gegenwart und Zukunft:
• Sie hilft zu verstehen, welche genetischen Merkmale Krankheiten wie Alzheimer oder Autismus beeinflussen – und eröffnet neue therapeutische Ansätze.
• Sie zeigt, wie eng wir mit Arten verbunden sind, die heute vom Aussterben bedroht sind – und mahnt damit zu einer klaren ethischen Verantwortung für ihren Schutz.
• Sie leistet einen Beitrag zur Dekolonialisierung der Wissenschaft, indem sie Biodiversität in einem globalen Kontext neu bewertet und Menschenaffen nicht länger nur als Forschungsobjekte betrachtet.
Was bedeutet das für uns?
Für uns ist diese Erkenntnis mehr als ein wissenschaftliches Highlight. Sie ist ein Appell. Der genetische Blick auf unsere nächsten Verwandten führt uns zurück zu einer zentralen Wahrheit: Wir sind nicht getrennt von der Natur – wir sind Teil von ihr.
Die Erkenntnisse aus dem Genom der Menschenaffen zeigen, wie sehr unsere Zukunft mit ihrer verknüpft ist. Ihr Schutz ist nicht bloß Naturschutz – er ist Selbstschutz. Und er beginnt mit Wissen, Respekt und mutigen Entscheidungen.