Lithiumabbau in Portugal: Die Schattenseite der Energiewende

In einer abgelegenen Region Portugals steht ein Konflikt zwischen Rohstoffhunger und kultureller Identität symbolisch für die Problematik der Energiewende. Wie kann diese gelingen, ohne dabei großen Schaden an der Natur und den Menschen vor Ort zu nehmen?
In Covas do Barroso, einer abgelegenen Region im Norden Portugals, stehen vier geplante Lithium-Tagebaue im Zentrum eines wachsenden Konflikts. Hier trifft Europas strategisches Interesse an Batterierohstoffen auf eine jahrhundertealte Kulturlandschaft, die von nachhaltiger Landwirtschaft, Gemeinderecht und traditioneller Wasserbewirtschaftung geprägt ist. Die Region gilt als UNESCO-ähnlich schützenswertes Agrarerbe.
Warum Lithium – und warum hier?
Portugal verfügt über die größten bekannten Lithiumvorkommen der EU. Um den europäischen Green Deal voranzutreiben, plant die EU, mindestens zehn Prozent des künftigen Lithiumbedarfs aus eigenen Quellen zu decken. Der Rohstoff ist zentral für Elektrofahrzeuge, Energiespeicher und somit für die Klimastrategie Europas. In Covas do Barroso will das britische Unternehmen Savannah Resources jährlich genug Lithium fördern, um bis zu 500.000 Batterien zu beliefern.
Protest aus der Region
Doch der Widerstand vor Ort wächst. Die Bewohner sehen sich mit dem Verlust von Lebensraum, traditioneller Landwirtschaft und intakter Natur konfrontiert. Kritisiert werden unter anderem:
- massive Bodenversiegelung und Staubbelastung durch Schwerverkehr,
- Wasserverbrauch in einer niederschlagsarmen Region,
- Risiken für das regionale Flusssystem, etwa bei Starkregen,
- mangelnde Einbindung der lokalen Bevölkerung in Genehmigungsverfahren.
Bürgerinitiativen sprechen von einer „grünen Kolonialisierung“ – die Energiewende werde auf Kosten ländlicher Räume durchgesetzt, ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit.
Ein Demokratiedefizit?
Viele werfen den Behörden vor, das Projekt durch den „Critical Raw Materials Act“ als strategisch einzustufen, um Umweltverträglichkeitsprüfungen zu verkürzen. Dabei könnten genau diese Prüfungen entscheidend sein, um Umweltrisiken frühzeitig zu erkennen. Auch das traditionelle Gemeinderecht, das eine Mitbestimmung über sogenannte „baldios“ – gemeinschaftlich genutzte Flächen – vorsieht, scheint ignoriert worden zu sein.
Was wäre die Alternative?
Kritiker fordern eine grundlegende Strategieänderung:
- deutlich mehr Investitionen in Batterie-Recycling und Sekundärrohstoffe,
- Reduktion des Ressourcenverbrauchs durch kleinere Fahrzeuge und öffentliche Mobilität,
- transparente Verfahren mit echter Bürgerbeteiligung vor Ort,
- verbindliche ökologische Standards auch für strategisch eingestufte Rohstoffe.
Wie sollte man vorgehen
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Echte Bürgerbeteiligung
Transparente Information und frühe Einbeziehung sichern Vertrauen und reduzieren Konflikte. -
Umweltverträglichkeit priorisieren
Insbesondere Staub-, Geräusch- und Erdbebenrisiken sind wissenschaftlich fundiert nachzuweisen und zu minimieren. -
Innovationsförderung & Recycling stärken
Fördermittel gezielt in „grünes Lithium“ und Kreislaufwirtschaft investieren, statt allein auf Primärabbau zu setzen . -
Regionale Konflikte ernst nehmen
Spezifische regionale Bedenken wie Bodenrechte oder Wasserverbrauch müssen individuell adressiert werden.
Ein Symbolfall für Europa
Der Konflikt in Covas do Barroso ist kein Einzelfall, sondern beispielhaft für eine zentrale Frage der Energiewende: Wie können wir saubere Technologien fördern, ohne neue Ungerechtigkeiten zu schaffen? Eine echte grüne Transformation kann nur gelingen, wenn sie sozial gerecht, ökologisch ausgewogen und demokratisch legitimiert ist.
In Österreich und Deutschland stehen Lithiumprojekte vor ähnlichen Herausforderungen: Akzeptanz in der Bevölkerung hängt entscheidend von Transparenz, Beteiligung und verlässlichen Umweltlösungen ab. Projekte mit „grünem Anspruch“ – wie geothermale Lithiumgewinnung – bieten Chancen, müssen sich jedoch technologisch und kommunal beweisen. Nur so lässt sich Lithium nachhaltig und gesellschaftlich unterstützt gewinnen – im Einklang mit Umwelt- und Klimazielen.