Unmut nach Entschärfung des EU-Lieferkettengesetzes

Das umstrittene Lieferkettengesetz (CSDDD) wurde am Montag vom Ausschuss des EU-Parlaments abgeschwächt. Dieses soll sicherstellen, dass Menschenrechte, Arbeits- und Umweltstandards von großen Unternehmen eingehalten werden. Mit den Änderungen sind nun wesentlich weniger Unternehmen davon betroffen. Desweiteren betrifft es nur mehr direkte Zulieferer und erfasst dadurch viele Verstöße gegen Menschrechte und Umweltstandards erst gar nicht, wie NGOs kritisieren.

 

Die 2024 in Kraft getretenen EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) verpflichtet Unternehmen zu Überprüfung der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang ihrer gesamten Lieferketten. Das Gesetz wurde aufgrund der schwierigen Umsetzung und damit verbundener Kosten wiederholt kritisiert. Der Ausschuss des EU-Parlaments stimmte am 13. Oktober 2025 für die Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes durch das im April 2025 von der EU-Kommission vorgeschlagene Omnibus-Paket.

Das Gesetz hätte in seiner ursprünlgichen Form außerdem vorgesehen, dass Betroffene von schädlichen Unternehmenspraktiken nach EU-weit einheitlichen Regeln Entschädigung einklagen können. Doch auch diese Regelung soll nun fallen. Das bedeutet, dass es keine klaren europäischen Haftungsmechanismen für Verstöße gegen Arbeitnehmer:innenrechte in der Wertschöpfungskette der Bekleidungsindustrie gibt, so Südwind in einer Aussendung.

Auch der Klimaschutz würde mit den Änderungen verwässert werden. Große Unternehmen sollen einen Klimaübergangsplan entwickeln, die Verpflichtung zur Umsetzung soll jedoch gestrichen werden.

Bevor die Änderungen des Lieferkettengesetzes verbindlich werden, müssen die EU-Staaten diesen zustimmen.

Sind Europas Klimaziele durch Abänderung des Lieferkettengesetzes bedroht?

Nur mehr für Großunternehmen gültig

Demnach würden die Regeln nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Mrd. Euro gelten. Ursprünlgich sollten UNternehmen ab 1.000 Mitarbeitern und einem Jahresumasatz von 450 Millionen Euro unter die CSDDD fallen. Unternehmen sind künftig dazu verpflichtet, vorrangig nur noch ihre direkten Zulieferer zu kontrollieren – nur bei begründetem Verdacht müssen auch tiefer liegende Stufen der Lieferkette überprüft werden.

Zudem entfällt die Pflicht, Geschäftsbeziehungen mit nicht-konformen Partnern zu beenden, während Unternehmen gleichzeitig weniger Informationen von ihren Zulieferern über deren Geschäftspraktiken einfordern dürfen. Die volle Umsetzung der EU-Richtlinie wurde bis 2028 verschoben.

„In Deutschland würden nach der Position des Rechtsausschusses nur noch etwa 120 statt bisher 2.700 Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und die Umwelt überhaupt zu achten“, teilte die NGO Misereor mit. Auch andere Organisationen wie Global2000, Südwind und Jugend Eine Welt kritisierten die Änderungen.

 

Direkte Zulieferer betroffen

Statt, wie ursprünglich geplant, entlang der gesamten Lieferkette zu greifen, beschränkt das Omnibus-Paket die Verantwortung von Unternehmen künftig weitgehend auf direkte Zulieferer. Dadurch würden die meisten Verstöße und Risiken unberührt bleiben. Denn die aktuelle Netzwerkanalyse  des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zeigt, dass die größten Menschenrechts- und Umweltverstöße vorrangig in der zweiten Ebene der Lieferkette und darüber hinaus auftreten – wo die Intransparenz am größten ist.

 

Kein Schutz gegen Kinderarbeit

Besonders deutlich zeige sich das Problem am Beispiel Kobalt – einem zentralen Rohstoff für Batterien in Smartphones und Elektroautos. Ein Großteil des weltweit geförderten Kobalts stammt aus der Demokratischen Republik Kongo – oft unter Einsatz von Kinderarbeit und unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen. Diese Lieferstufe liegt jedoch meist mehrere Ebenen von europäischen Endabnehmern entfernt – und fällt durch das Omnibus-Paket somit aus dem Prüfungsraster.

„Die schwersten Verstöße ereignen sich überwiegend tief in der Lieferkette – bei Zulieferern, die oft niemand sieht. Wenn vorrangig die erste Lieferstufe reguliert wird, bleiben Missstände oft nicht erkannt. Das Omnibus-Paket erfüllt die Anforderung von einfacher Umsetzbarkeit und Wirksamkeit nicht und verfehlt somit seinen eigentlichen Zweck“

Klaus Friesenbichler, stellvertretender Direktor des ASCII und Senior Economist am WIFO

 

138 Millionen Mädchen und Buben im Alter zwischen 5 und 17 Jahren sind laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO von Kinderarbeit betroffen. Das entspricht der Gesamtbevölkerung von Österreich, Frankreich und Italien. Mit einem starken Lieferkettengesetz, das Unternehmen in ihrer Produktionskette auf die Finger schaut, hätten Millionen Kinder die Chance bekommen, statt schuften zu müssen in die Schule gehen zu können. Diese Chance wird ihnen nun wohl geraubt, ärgert sich Reinhard Heiserer, Geschäftsführer der österreichischen Entwicklungsorganisation Jugend Eine Welt.

 

Auch Südwind und die Clean Clothes Kampagne (CCC) hatte sich bereits gegen den sogenannten „Omnibus“-Vorschlag der Kommission ausgesprochen. „Die Abgeordneten des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments haben heute die Textilarbeiter:innen und alle Arbeitnehmer:innen weltweit verraten”, sagte Giuseppe Cioffo, Lobby- und Advocacy-Koordinator im internationalen Büro der CCC. „Was für Arbeitnehmer:innen, denen ihre grundlegenden Arbeitsrechte verweigert werden, eine Wende hätte bedeuten können, wird nun zu einem leeren Instrument für Unternehmen, um ihre Praktiken zu beschönigen”, fügte er hinzu.