ITER – Auf der Suche nach der Energie der Zukunft

Im Süden Frankreichs wächst eines der ehrgeizigsten Energieprojekte der Menschheit: ITER, der internationale Thermonukleare Experimentalreaktor. Hier versuchen Forschende, das zu erreichen, was bislang nur der Sonne gelingt – Energie durch Kernfusion. Gelingt es, wäre das eine Revolution der Energieversorgung.

 

Ein Projekt für unendliche Energie

ITER ist mehr als ein Experiment. Es ist ein politisches Versprechen: Energie ohne Emissionen, ohne fossile Abhängigkeit und ohne gefährlichen Atommüll. Über 35 Nationen arbeiten zusammen – von der EU über die USA bis China. Gemeinsam investieren sie Milliarden, um das Sonnenfeuer auf der Erde zu zähmen.

Der Bau begann 2010, das erste Plasma war für 2025 geplant, nun gilt 2032 als realistischer Start. Die Kosten stiegen von fünf auf über zwanzig Milliarden Euro. Dennoch gilt ITER als Symbol dafür, was möglich ist, wenn Zusammenarbeit über Konkurrenz steht.

Wenn das Experiment gelingt, könnte ITER zehnmal mehr Energie erzeugen, als hineingesteckt wird. Erst dann wären kommerzielle Fusionskraftwerke denkbar – frühestens um 2050.

 

Der mögliche Wendepunkt für das Klima

Fusion allein wird die Klimakrise nicht lösen, könnte sie aber entscheidend entschärfen. Im Gegensatz zu Wind und Sonne liefert sie kontinuierlich CO₂-freien Strom. Damit ließen sich nicht nur Kohle- und Gaskraftwerke ersetzen, sondern auch Industrien wie Stahl, Wasserstoff oder Meerwasserentsalzung klimaneutral antreiben.

ITER steht für den Mut, Technologien zu entwickeln, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern Ursachen beseitigen. Fusionsenergie könnte die Lücke schließen zwischen dem, was nötig ist, und dem, was derzeit möglich scheint – eine Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft.

 

Kritik und Kontroversen

Trotz aller Hoffnung bleibt die Skepsis groß. Kritiker warnen, dass ITER zu spät kommt, um die Klimaziele rechtzeitig zu unterstützen. Selbst bei Erfolg wäre ein marktreifer Reaktor erst in der Mitte des Jahrhunderts denkbar. Andere verweisen auf die explodierenden Kosten und die Unsicherheit, ob sich die Technologie je wirtschaftlich lohnt.

Auch technisch ist vieles ungelöst: Materialien müssen Temperaturen und Neutronenbelastungen standhalten, Tritium bleibt ein Sicherheitsrisiko. Zudem steht ITER für ein zentrales Großprojekt – im Gegensatz zur dezentralen Energiewende, die viele Klimapolitiker bevorzugen.

Schließlich ist ITER auch ein geopolitisches Experiment. Es beruht auf Vertrauen zwischen Partnern wie der EU, den USA, Russland und China – ein Vertrauen, das in Zeiten globaler Spannungen fragiler wirkt denn je.

 

Ein Symbol der Zusammenarbeit

Trotz aller Zweifel bleibt ITER ein Zeichen dafür, dass Wissenschaft und Kooperation die größten Herausforderungen überwinden können. Selbst wenn der Reaktor nie Strom liefert, wäre sein größter Erfolg vielleicht die Erkenntnis, dass globale Lösungen nur gemeinsam entstehen.

Vielleicht wird hier in der Provence nicht nur ein Reaktor gebaut, sondern ein Versprechen eingelöst: dass Energie eines Tages keine Krise mehr ist, sondern ein Gemeingut – geboren aus Licht.

Weitere Informationen: https://www.iter.org