Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und dem aktuellen Hochwasser

Tagelanger Regen hat zu den starken Überschwemmungen in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs geführt. Ganze Landstriche stehen unter Wasser, Dämme sind gebrochen, Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Auch die Pegelstände der Donau  und des Inns in Österreich sind bedrohlich gestiegen. Dafür verantwortlich ist die Großwetterlage, auch V-b-Wetterlage: Ein Tief zieht von Norditalien langsam über die Ostalpen bis nach Polen. Was hat das mit der Klimakrise zu tun? Durch die Erderwärmung um bereits fast 1,5 Grad Celsius nehmen Extremwetterlagen zu. Das hat zum einen damit zu tun, dass pro Grad Celsius rund sieben Prozent mehr Wasserdampf in der Luft enthalten sind und andererseits der verlangsamte Jetstream zu länger anhaltenden Wetterlagen – sei es Hitze oder Regen – führt. 

 

Die Kombination aus einem überdurchschnittlich verregneten Mai und dem Tiefdruckgebiet mit reichlich Wasserdampf vom Mittelmeer führte zu der angespannten Situation mit Hochwasserständen in Bayern und Baden-Württemberg. Die Böden sind bereits mit Regen gesättigt, viele Flüsse kaum mehr aufnahmefährig, hat es doch diesen Mai rund 30 Prozent mehr Regen als normal gegeben und in manchen Orten – wie Sigmarszell am Bodenssee mit 160 Litern pro Quadratmeter in 48 Stunden –  soviel Niederschlag wie alle 50 bis 100 Jahre einmal. Das führte zu Pegelständen, wie sie statistisch gesehen nur einmal in hundert Jahren erreicht werden. Doch dies könnte die neue Normalität sein.

Bereits seit Jahren warnen Klimaexperten anhand von Klimamodellen davor, dass Extremwetterereignisse aufgrund der Klimakrise zunehmen. Auch in Bayern und Österreich. „Wir wissen auch, dass diese V-b-Wetterlage in den letzten Dekaden sehr viel häufiger geworden ist. Insofern sind wir also gut beraten, uns in Bayern auf diese Art Extremereignis noch besser einzustellen“ so Klimaforscher Harald Kunstmann vom Campus Alpin des Karlsruher Instituts für Technologie.

 

Wärme führt zu mehr Wasserdampf in Atmosphäre

2023 war das wärmste jemals gemessene Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Je wärmer die Luft über der Erdoberfläche, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Erwärmt sich die Atmosphäre um ein Grad, speichert sie rund sieben Prozent mehr Wasserdampf, schätzen Experten. Dieser Anstieg führt zu höheren Niederschlägen. Wärmer bedeutet also zugleich auch feuchter, sagt Stefan Rösner, der beim Deutschen Wetterdienst für die Klimaüberwachung in Europa zuständig ist: „Das bedeutet, dass die Luft damit auch sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen kann und entsprechend höher können Niederschläge ausfallen.“ Dadurch werden extreme Starkregenfälle, wie sie in den vergangenen Tagen zu beobachten waren, immer wahrscheinlicher.

 

Der Einfluss des Jetstreams

Jetstream

Während sich früher Hoch- und Tiefdruckgebiete recht schnell abwechselten, können wir seit einiger Zeit beobachten, dass Wetterlagen länger anhalten. Diesen Mai zum Beispiel gab es eine langanhaltende Regenphase in Bayern und auch Österreich. Letzten Sommer hatten wir eine mehrwöchige sehr trockene Hitzephase. Der sogenannte Jetstream ist der Antrieb hinter vorbeiziehenden Tief- und Hochdruckgebieten in unseren Breitengraden.

In 9.000 bis 14.000 Metern Höhe zieht sich ein Windband mit Windgeschwindigkeiten bis zu 400 Kilometern pro Stunde von West nach Ost um den gesamten Globus. Dieser Jetstream durch die großen Temperaturunterschiede zwischen Nordpol und Äquator. Treffen die kalten Luftmassen des Nordens auf die warmen des Südens, nehmen sie Fahrt auf – die Erdrotation gibt die West-Ost-Richtung des Starkwindbands vor.

Durch die massive Erwärmung an den Polkappen und das abschmelzende Poleis, kommt es zu einer  Vielzahl von kleinteiligen Auswirkungen auf Klima- und Wetterlagen weltweit, so auch auf den Jetstream in unseren Breiten – er wird schwächer und schlägt auch stärker nach Norden und Süden aus.

Durch die Verlangsamung des Jetstreams halten sich Wetterlagen bei uns länger. Das Wetter verharrt quasi auf der Stelle, mit örtlich gravierenden Folgen, wie lang anhaltende  Hitze- und Dürreperioden oder auch langanhaltender sturzflutartiger Starkregen.

 

Rückkoppelungsmechanismen

„Und wenn man das weiter denkt, wenn Regen und auch Hitzeereignisse länger über einer Region verharren, dann wird auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese Ereignisse immer extremer werden – durch Rückkopplungsmechanismen.“ Das sagt Kai Kornhuber, der an der Columbia Climate School in New York und am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IISA) in Laxenburg bei Wien an Wetterextremen und Klimafolgen forscht. Rückkopplung bedeutet am Beispiel Hitze, dass die Bodentrockenheit die Wärme noch verstärkt. „Das liegt daran, dass die Verdunstung von Feuchtigkeit im Boden zu einer Abkühlung führt. Und wenn dieser Mechanismus nicht mehr gewährleistet ist, dann führt es dazu, dass heiße Gebiete noch heißer werden.“ Ähnliches gilt bei Nässe: Irgendwann sind die Böden eben voll, wenn man es so nennen mag, und können keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen – und der Pegel steigt.

„Das ist erstmal kein gutes Zeichen, weil es auch darauf hinweist, dass wir uns immer mehr in Regionen bewegen, die wir schwerer abschätzen können.“ so Kornhuber.

Augebiet

 

Weitere Ursachen für Hochwasser

Neben diesen Faktoren, spiele verschiedene andere Faktoren mit hinein, ob es zu einer schwerwiegenden Hochwasserlage kommt, wie zum Beispiel auch der Hochwasserschutz. Bevor wir Menschen einschritten, gab es bei uns breite Auenlandschaften entlang der Flüsse, auf denen sich das Wasser ausbreiten und versickern konnte. Dich sich natürlich schlängelnden Flüsse verlangsamten die Wassermassen auch. Moore und Wälder sogen wie Schwämme den Niederschlag auf.
Wir Menschen legten die meisten Moore trocken, entwässerten Augebiete, versiegelten Flächen, begradigten Flussläufe, verbauten Überschwemmungszonen, verdichteten Böden, zerstörten Wälder. Dadurch hat das Wasser heute bei starken Niederschlägen viel weniger Möglichkeiten, sich auszubreiten und im Boden zu versickern. Es läuft nun schneller in die Flüsse, tritt über die Ufer und sorgt dadurch viel früher für starke Überschwemmungen. Weil weniger Wasser im Boden gehalten wird, verschärfen sich darüber hinaus auch Dürren.
Gerade aus diesem Blickwinkel heraus ist das EU-Renaturierungsgesetz, das zerstörte Ökosysteme wie Wälder, Moore und Aulandschaften wiederherstellen will, auch ein Gesetz, dass uns Menschen und unsere Lebensgrundlage schützt.

Wird diese Entwicklung anhalten?

„Im Zuge des Klimawandels, wo sich die Hochwasser-Prozesse ändern werden, werden wir sicher andere Arten von Hochwässern in Zukunft sehen“, sagte Ralf Merz, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale), im Deutschlandfunk. „Solche langen Hochwasser-Ereignisse wird es auch in Zukunft sicher öfter geben.“
Das Umweltbundesamt warnt ebenfalls in seiner Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland: „Durch den Klimawandel ist zu erwarten, dass höhere Spitzenabflüsse auftreten und sich das Wiederkehrintervall des derzeitigen Bemessungshochwassers verkürzt.“ Das bedeutet, dass es laut Umweltbundesamt häufigeres und höher ansteigendes Hochwasser, vor allem in den Mittelgebirgen sowie in Ostdeutschland, geben wird. Besondere Gefahr besteht logischerweise für Siedlungen, die in einem Tal oder in der Nähe eines Bachs oder Flusses liegen.

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