Myzel – das geheime Wood Wide Web

Bäume und Pilze kommunizieren untereinander und kooperieren miteinander über das für das menschliche Auge unsichtbare Pilzgeflecht, das den gesamten Waldboden durchzieht – das Myzel oder Myzelium. Über dieses „Wood Wide Web“ tauschen die Bäume Informationen aus, warnen sich gegenseitig vor Gefahren und helfen einander mit Nährstoffen und Wasser.

 

Der Begriff Wood Wide Web erschien erstmals  in einer Studie von dem Biologen Thorunn Helgason aus dem Jahr 1998 in der Fachzeitschrift Nature, wo er beschreibt, wie die Mykorrhizapilze die Pflanzen zu einem funktionalen „waldweiten Netz“ verbinden können.

Wusstest du, dass der größte Organismus der Welt ein Pilzgeflecht ist? Und zwar das eines Hallimash-Pilzes in Oregon, USA. Es erstreckt sich über eine Fläche von neun Quadratkilometern, ist 400 Tonnen schwer und 8500 Jahre alt.

 

Was kann das Wood Wide Web?

Als erste Forscherin wies die kanadische Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard von der Universität British Columbia diese Tatsache mit radioaktivem Kohlenstoff nach. Sie konnte sichtbar machen, dass Bäume durch die Wurzeln und die Fäden der Mykorrhiza-Pilze Nährstoffe und Informationen quer durch den Wald austauschen. Simard erkannte, dass sogar Bäume unterschiedlicher Art miteinander kommunizieren und auch Nährstoffe teilen, unabhängig von ihrer Art. Beispielsweise versorgt ein Ahorn eine Tanne.

„Durch das Wood-Wide Web ernährt ein großer Baum beispielsweise den Keimling, der in seinem Schatten wächst, und eine leistungsstarke Pflanzenart unterstützt eine leistungsschwache andere Art in ihrer Nähe“, sagt François Buscot, Leiter des Departments Bodenökologie am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, der seit Jahren Forschung mit Pilzen und der Mykorrhiza betreibt.

Auch Simard konnte in verschiedenen Versuchen beobachten, dass sich zwischen Mutterbäumen und ihren Abkömmlingen besonders viele Pilzverfelchtungen bilden. Allerdings fehlen Hinweise für eine bewusste „Versorgung“ durch den Mutterbaum. Die jungen Bäume docken an das unterirdische Netzwerk an, und genetisch Verwandte Jungbäume sind bei der Verknüpfung mit dem Altbaum besonders erfolgreich.

„Bei den untersuchten, von Pilzhyphen umgebenen Wurzelspitzen war nicht eindeutig unterscheidbar, ob der Kohlenstoff noch Teil des Pilzes oder bereits Teil der Wurzel war“, resümiert Christina Kaiser, die auch vor einer Vermenschlichung der Bäume warnt. „Dass der Kohlenstoff theoretisch in fremde Wurzeln gelangen konnte, löste aber die Debatte aus, ob Keimlinge auf diesem Weg versorgt werden.“ Dies sei noch nicht klar wissenschaftlich belegt, meint Christina Kaiser kritisch, die am Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien an ebenjenen Mykorrhizapilzen forscht.

 

Wie funktioniert es genau?

„Diese Gehirn-artige Kommandozentrale der Wurzelspitzen ist gegenüber Umwelteinflüssen sehr empfindlich – und kann Reize durch neuronale Moleküle und Rezeptoren sowie durch Synapsen erkennen”, so Zellbiologe Frantisek Baluska von der Universität Bonn, der schon lange an Wurzeln von Bäumen und Pflanzen forscht.

„Die riesigen Netze, in die die Wurzelsysteme der Bäume durch die Pilze eingebunden sind, ermöglichen also nicht nur den Austausch von Wasser und Mineralstoffen, sondern auch die Übertragung solcher chemischer und elektrischer Signale. Wir wissen noch nicht genau, wie dieser Vorgang möglich ist, aber wir wissen, dass die Wurzeln dazu in der Lage sind, sich selbst und andere zu erkennen und voneinander zu unterscheiden.“

 

In naturnahen Wäldern

Die Licht- und Wasserversorgung innerhalb eines Waldgebietes ist für die einzelnen Bäume sehr unterschiedlich und so helfen sie sich gegenseitig und können dadurch Defizite gut ausgleichen. Dies funktioniert besonders gut in einem artenreichen Wald mit einer differenzierten Altersstruktur. Dort steht die Kooperation im Vordergrund. In naturnahen Wäldern tragen die Myzelien nicht nur zum Aufbau und Erhalt einer gesunden Humusschicht bei, sondern sind auch eine bedeutende Kohlenstoffsenke und für den Klimaschutz wichtig.

In sogenannten Baumplantagen, oder Monokulturen, stehen die Bäume in viel stärkerer Konkurrenz zu einander, der Boden und das Pilzgeflecht sind durch Kahlschläge und andere menschliche Eingriffe stark in Mitleidenschaft gezogen. Dies verringert die Überlebensfähigkeit der Bäume als System, besonders in Zeiten von Borkenkäferplagen oder großer Dürre, verringert darüber hinaus die Wasserspeicherkapazität des Bodens sowie die Fähigkeit Humus aufzubauen stark.

 

 

Können Bäume denken und fühlen?

„Bei Analogien zwischen der Empfindlichkeit eines Menschen und der anderer Organismen muss man aufpassen“, sagt Buscot. „Auch wenn der Mensch dazu fähig ist, Wäldern und Bäumen gegenüber Gefühle zu entwickeln, die man sogar messen kann, heißt es lange nicht, dass das Bäume das ebenso können.“ Und es gilt auch zwischen populärwissenschaftlichen Zuschreibungen und wissenschaftlich nachgewiesenen Fakten zu unterscheiden.

„Im noch relativ jungen Forschungsfeld der Pflanzen-Neurobiologie beschäftigen sich Wissenschaftler:innen tatsächlich mit pflanzlichen Synapsen und pflanzlicher Intelligenz. Die Schlussfolgerungen daraus sind aber in der Wissenschaft zum Teil sehr umstritten. Selbst einige Pflanzenforschende sprechen von einer Art Pflanzenbewusstsein.“ schreibt dazu das Magazin Quarks.

Der populäre Förster und Autor Peter Wohlleben beschreibt in seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“, dass Bäume sehr wohl über Gefühle und auch ein Gedächtnis verfügen und sich gegenseitig um einander kümmern.

„Die enorme Komplexität der Waldökosysteme macht es sehr schwierig, eindeutige Erkenntnisse zu gewinnen. Es wird noch lange Zeit dauern, bis wir den Wald wirklich in allen Facetten verstehen“, resümiert die Forscherin Christina Kaiser.

 

Unser pro.earth.Fazit: Bei der Recherche zu unserem Artikel fiel uns auf, dass es sehr unterschiedliche Erkenntnisse der einzelnen Forscher*innen gibt. So sucht Christina Kaiser noch nach stichfesten Beweisen, während andere Forscher sich bereits sicher sind, wobei die Vorgänge des World Wide Wood noch nicht bis ins Detail von uns Menschen verstanden werden.

Aus unserer Sicht ist jedoch allein die Tatsache, dass Bäume, dass Pflanzen miteinander kommunzieren und in regem Austausch miteinander stehen, sehr faszinierend. Der positive Einfluß des Waldes auf uns Menschen ist erwiesen und es gehört zu einer der wichtigsten Aufgaben, diese Ökosysteme zu schützen. Gerade in Mitteleuropa (aber nicht nur) sind diese allerdings stark unter Druck geraten und wir sind mitten im Prozess eines Umbaus unserer Wälder.

 

https://news.pro.earth/2023/03/03/das-il-legale-geschaeft-mit-holz-boomt/