Forstwirtschaft und Holzindustrie müssen umdenken

Wir befinden uns mitten in einer Umgestaltung unserer Waldökosysteme. Die vielfach zu monotonen Wirtschaftswälder sterben, durch den Klimawandel befeuert und einem massiven Befall mit Schädlingen ausgesetzt, ab. Dazu kommen immer neue Krankheiten und auch Stürme, die den Bäumen stark zusetzen. Das seit einigen Jahren anhaltende Baumsterben ist europaweit die größte Welle seit 170 Jahren. In Deutschland gingen in den Dürrejahren 2018 bis 2020 270.000 Hektar Wald verloren. Viele Waldbesitzer:innen beginnen nun mit Wiederaufforstungen dieser Flächen und müssen sich die Frage stellen, welche Baumarten für ihren Standort heute und zukünftig geeignet sind. Laut einer neuen Studie ist die Schnittmenge passender Arten wesentlich kleiner geworden und könnnte zu Engpässen führen. Forstwirtschaft und Holzindustrie müssen umdenken, weil der Ertragsbaum Fichte vielfach wegfällt.

 

Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Wien haben eine neue Studie zu dem Thema im Fachjournal „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht. Sie beschäftigt sich mit der Frage, welche heute gesetzten Baumarten geeignet sind, um eine robuste nächste Baumgeneration zu etblieren, die während des gesamten einundzwanzigsten Jahrhunderts klimatisch geeignet ist.

 

Das Forscher:innenteam hat deshalb 69 Baumarten untersucht und geprüft, welche der Arten sich für den Wald der Zukunft eignen könnten. Ihr Fazit: „Es gibt keine Blankoantwort, keine Baumart, die für alle Standorte funktionieren würde, aber wir haben durchaus heimische Baumarten, die auch unter zukünftigen Bedingungen noch in der Lage sind, sich gut zu entwickeln“, sagt Studienautor Rupert Seidl vom Department für Life Science Systems an der TUM.

 

Heutige Bedingungen sind aufgrund der Klimakrise anders als in ein paar Jahrzehnten

„Bäume, die heute gepflanzt werden, müssen sowohl unter den aktuellen Bedingungen, als auch unter zukünftig deutlich wärmeren Bedingungen zurecht kommen“, so Johannes Wessely vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien in einer Aussendung.

 

„Das ist deshalb schwierig, weil sie sowohl Kälte und Frost der nächsten Jahre wie auch einem deutlich wärmeren Klima Ende des 21. Jahrhunderts standhalten müssen. Da bleibt nur eine sehr kleine Schnittmenge.“  So auch das Ergebnis der Studie: Die Anzahl der für einen klimaresistenten Wald geeigneten Baumarten wird immer kleiner. Während bisher noch durchschnittlich 18 Baumarten pro Standort in die engere Auswahl für einen gesunden Wald gekommen wären, sind es heute – wegen des schnellen Klimawandels – nur noch zehn Baumarten in Deutschland.

„In Österreich sind laut der Studie im Durchschnitt zwölf Baumarten je Quadratkilometer klimatisch fit für das 21. Jahrhundert, während es unter stabilen Klimabedingungen noch achtzehn Arten gewesen wären“, schreibt das Forschungsteam.

 

„Unsere Arbeit zeigt deutlich, wie stark die Vitalität von Wäldern durch den Klimawandel beeinträchtigt wird. Wir können uns nicht nur auf einen neuen Mix aus Baumarten verlassen, rasche Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels sind essenziell für eine nachhaltige Sicherung unserer Wälder“, sagt Wessely.

 

Mischwälder sind wichtig

Stieleichen sind gut für mittlere Lagen geeignet

 

„Gemischte Wälder aus vielen Baumarten sind eine wichtige Maßnahme, um Wälder robuster gegen Störungen wie Borkenkäfer zu machen. Mancherorts könnten uns in Europa jedoch die Baumarten ausgehen, um solche bunten Mischwälder zu begründen“, erklärt Seidl. „Drei Baumarten auf einer Fläche bringen bereits viel und machen den Wald deutlich besser und stabiler als bei einer Baumart“, so der Studienautor gegenüber der APA: „Fünf Baumarten wären noch besser.“

 

Rotbuche

Besonders auf der Iberischen Halbinsel und Teilen Frankreich blieben nur zwei bis vier Baumarten in der Ergebnisschnittmenge übrig. „Aber auch in den Zentralalpen haben wir eine unterdurchschnittliche Zahl von Baumarten, die zur Aufforstung geeignet sind. Die Bergregionen weisen heute noch zum Teil sehr harsche Bedingungen auf, die sich rasant verändern“, so Seidl. Auf Österreich gemünzt wären das für Gebirsgregionen die Weißtanne, Rotbuche und der Bergahorn. Für tiefe und mittlere Lagen sind das Winterlinde, Hainbuche und Stieleiche.

 

Zitterpappel

Antonin Kusbach von der Faculty of Forestry and Wood Technology an der Mendel Universität in Brünn, Tschechien, führt noch eine weitere Baumart ins Feld. Die Zitterpappel, auch Espe genannt, könnte laut ihm „ein guter Kandidat sein, um in einer unsicheren Zukunft einen neuen, vielfältigeren Wald aufzubauen“, sagt er im BR-Interview. Sie ist widerstandsfähig, anspruchslos und liefere einen guten Boden für den zukünftigen Wald.

 

 

Für Holzwirtschaft ein großes Problem

Laut einem Bericht der International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) könnte die für Fichtenwald geeignete Waldfläche um bis zu 50 Prozent schrumpfen. „À la longue wird die Fichte als dominierende Weichholzbaumart nicht mehr verfügbar sein. Auf kurze Sicht fällt gleichzeitig viel verwertbares Holz an, etwa durch Käferbefall, Windwurf oder Waldbrände“, erklärte dazu Studienmitautor Florian Kraxner vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA).

 

Dass die Fichte in unseren Breitengraden keine Zukunft haben wird, war aus Studien bereits bekannt. „Neu an dieser Arbeit ist, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, sagt Arthur Gessler von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz. „Deswegen bietet die Studie wichtige Informationen, welches Artenportfolio für heutige waldbauliche Maßnahmen zur Verfügung steht und welches auch noch zum Ende des Jahrhunderts für einen gegebenen Standort geeignet ist.“

 

Wir brauchen ein Umdenken in der Holzindustrie

Neben forstwirtschaftlich nutzbaren Arten müssen zukünftig auch Arten gesetzt werden, die keinen direkten Ertrag bringen, sondern zum Aufbau einens klimafitten und gesunden Mischwaldes beitragen. Dass jede heimische Art ökologisch wertvoll und für viele Tieren nutzbar ist, steht außer Zweifel.

Winterlinde

„Das muss dann auch heute wirtschaftlich wenig attraktive Baumarten wie Spitzahorn, Hainbuche, Winterlinde und Elsbeere einschließen, die deutlich trockenstresstoleranter als die Hauptbaumarten sind“, zitiert derStandard Christoph Leuschner von der deutschen Georg-August-Universität in Göttingen. Diese rund fünf bis zehn stresstoleranten heimischen Laubbaumarten fehlten in der heutigen Waldbauplanung weitestgehend, weil die Holzindustrie komplett auf Nadelholz eingestellt sei. „Hier müsste eine wahre Waldwende ansetzten und die stoffliche Holznutzung auf Laubholz umstellen“, sagt Leuschner.

 

Dem stimmt auch Gessler zu: „Der Bottleneck-Effekt ist für die Forstpraxis von sehr großer Bedeutung, da Transformationen der Baumartenzusammensetzung ja sehr langfristig geplant werden müssen. Durch die eiszeitliche Historie – zusammen mit der Ost-West-Ausrichtung der Gebirgszüge – ist das aktuelle Baumartenspektrum in Europa klein, und auch durch neue Krankheiten – zum Beispiel die Eschenwelke – gibt es weitere Einschränkungen.“

 

Ein gesunder Mischwald bestehend aus vielen verschiedenen Baumarten, von denen es mehr gibt, als man so denken mag, ist der beste Waldschutz in Zeiten der Klimakrise. Das aktuelle Baumsterben bietet neben all seiner Dramatik und auch negativen wirtschaftlichen Folgen die Chance unsere Wälder wieder vielseitig und naturnäher zu bepflanzen. Dies muss sowohl die Forstwirtschaft als auch die Holzindustrie verstehen, umdenken und sich darauf einstellen.