Frust auf dem Weg zu einem gerechteren globalen Finanzsystem

Letzte Woche fand in Paris der Gipfel für einen „Neuen Globalen Finanzpakt“ statt. Hierbei diskutierten Regierungsvertreter*innen aus rund 100 Ländern gemeinsam mit Finanzexpert*innen über die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung im Globalen Süden, das globale Finanzsystem gerechter zu gestalten und neue Möglichkeiten zu entwickeln, um ärmeren Ländern beim Klimaschutz zu helfen. Der Output dieses Treffens ist für diejenigen, die sich neue gemeinsame Verpflichtungen erhofft haben, enttäuschend.

 

Unser globales Finanzsystem ist veraltet

Die Länder des globalen Nordens sind die Hauptverursacher des weltweiten Klimawandels. Vielfach sind es die Länder des globalen Südens, die dessen Auswirkungen am stärksten zu spüren bekommen. Daher fordert die die Ökonomin und Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Esther Duflo ein gerechteres Finanzsystem: „Wenn wir also über die finanziellen Transferleistungen zwischen den Ländern des Nordens und dem Globalen Süden sprechen, dann geht es dabei aus meiner Sicht nicht mehr um Solidarität. Sondern schlicht um Gerechtigkeit.“

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, dass das derzeitige globale Finanzsystem die Ungleichheiten verschärft und den ärmsten Ländern die Kredit- und Schuldenunterstützung verweigert, die sie brauchen und verdienen.

„Fast 80 Jahre später ist die globale Finanzarchitektur veraltet, dysfunktional und ungerecht. Sie ist nicht mehr in der Lage, den Anforderungen der Welt des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden: einer multipolaren Welt, die durch stark integrierte Volkswirtschaften und Finanzmärkte, aber auch durch geopolitische Spannungen und wachsende systemische Risiken gekennzeichnet ist.“ Dem stimmte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu, als er meinte: “Das Finanzsystem muss effizienter und gerechter werden”.

 

Neues Weltsystem

Die Welt hat sich verändert. Länder, die früher dem globalen Süden angehörten, sind nun den Industrieländern zuzuordnen.

Einige Länder sind reicher geworden – zum Beispiel Indien oder China. Sie sind jetzt nicht nur in der Lage, für sich selbst zu sorgen, sondern können selbst Geld verleihen und Aktivitäten in anderen Ländern finanzieren. Dadurch gibt es eine Art Konkurrenzsituation: Die traditionelle Rolle Europas oder der USA als ‚großer Bruder‘ hat heute weniger Bedeutung.

Esther Duflo, Ökonomin

Es wurden im Vorfeld vier Hauptziele für diesen Gipfel angekündigt, die von vier Arbeitsgruppen verfolgt werden sollten:

  • Wiederherstellung des fiskalischen Spielraums für Länder mit kurzfristigen Schwierigkeiten, insbesondere für die am stärksten verschuldeten Länder
  • Förderung der Entwicklung des Privatsektors in Ländern mit niedrigem Einkommen
  • Förderung von Investitionen in „grüne“ Infrastrukturen für die Energiewende in Schwellen- und Entwicklungsländern
  • Mobilisierung innovativer Finanzierungen für Länder, die durch den Klimawandel gefährdet sind.

 

Ergebnisse der zweitägigen Verhandlungen

Vielfach konnte man lesen, wie positiv es sei, dass die seit Jahren vereinbarten 100 Milliarden US-Dollar Finanzleistungen des Nordens an den Globalen Süden über Sonderziehungsrechte für notleidende Länder erreicht wurden, soe die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Kristalina Georgieva.

 

Weiters hatte der neue Weltbankchef Ajay Banga angekündigt, eine Pause bei der Rückzahlung von Schulden zu ermöglichen, wenn ein Land von einer Klimakatastrophe betroffen ist. Er stellte sich  hinter Klima-Forderungen des globalen Südens, während sich sein Vorgänger im vergangenen Jahr noch nicht einmal festlegen wollte, dass fossile Brennstoffe den Klimawandel verursachen.

Wenn Katastrophen auftreten, machen sich Staatschefs Sorgen um ihre Bevölkerung. Sie sollen dann die Hand der Weltbank nicht hart im Gesicht spüren, sondern stützend auf dem Rücken.

Ajay Banga, Weltbank-Chef

 

Am Gipfel wurde auch über eine CO2-Steuer auf die internationale Schifffahrt diskutiert, ein Thema, das von gut zwei Dutzend Ländern unterstützt wird. Dazu meinte Macron, es gebe keinen Grund, warum die Branche nicht besteuert sei. Der französische Präsident forderte die USA, China und mehrere europäische Staaten, von denen Widerstand kam, auf, sich ebenfalls daran zu beteiligen. „Eine internationale Steuer funktioniert nur, wenn alle mitmachen“, meinte er dazu.

 

Kritik am Gipfel

„Der Gipfel geht von der irrigen Annahme aus, dass die Klima- und Verschuldungskrise gelöst werden kann, indem private Kapitalströme durch neue Finanzinstrumente umgeleitet werden. Doch diese schon bislang gescheiterte Finanzialisierung der Klima- und Umweltpolitik stärkt letztlich nur die Macht der Finanzkonzerne und Gläubiger. Sie lenkt gleichzeitig von dringend nötigen Umwelt- und Klimagesetzen ab“, kritisiert Mario Taschwer von Attac Österreich.

Ausstieg aus fossiler Energie

Greta Thunberg, die mit anderen Umweltaktivistinnen am Freitag in Paris demonstrierte, forderte den Ausstieg aus der Finanzierung von Gas und Öl. „Die reichen Staaten und ihre Banken müssen die Abkehr von fossilen Brennstoffen finanzieren anstatt die Klimakrise weiter anzuheizen“, meinte sie.

Dies sieht Attac ebenso und fordert verbindliche Regeln, die zu einem Auslaufen und Verbot der Finanzierung fossiler Projekte führen. Weiters kritisiert die Organisation, dass das völlig gescheiterte Instrument des „Carbon Offsetting“, bei dem sich Verschmutzer durch angebliche Klimaprojekte in anderen Teilen der Welt freikaufen können, ausgebaut werden soll.

Die Problematik der bestehenden Verschuldung

„Die Abhängigkeit des Globalen Südens von den Finanzinstitutionen und Regierungen des Globalen wird weiter einzementiert. Seit 1980 haben die Länder des Südens das 18-fache ihrer Schulden zurückgezahlt, ihr Schuldenstand ist nichtsdestotrotz auf das Zwölffache gestiegen. Dennoch sehen alle in Paris diskutierten Instrumente vor, dass die ärmsten Länder neue Kredite aufnehmen und ihre Verschuldung weiter erhöhen“, meinte Taschwer.

Laut Standard kritisierte auch die NGO Germanwatch, dass der deutsche Bundeskanzler Scholz sich nicht auf Themen wie Verschuldung und neue CO2-Abgaben eingelassen habe.

„Am Ende geht es darum, die Staats- und Regierungschefs zur Verantwortung zu ziehen für die Versprechen, die sie gegeben haben“, meinte David Ryfisch, der Co-Leiter für internationale Klimapolitik bei Germanwatch im Gespräch mit ZDFheute.

Und Oxfam sprach von einem „Recycling alter und bislang nicht eingehaltener Versprechen“ in Bezug auf den Pariser Gipfel.

 

Unser pro.earth.Fazit:

Gerade im Zusammenhang mit der Erderwärmung gehen Worte und Taten weit auseinander. Wie oft haben wir schon diesselben Worte gehört und gelesen, aber die Taten lassen auf sich warten. Und in der Zwischenzeit leiden immer mehr Menschen rund um den Globus an den Folgen. Die offen ausgesprochene Erkenntnis, dass unser Finanzsystem den neuen Herausforderungen nicht entspricht, lässt die Hoffnung aufkeimen, dass nun auch die entsprechenden Taten folgen werden. Und auch das Commitment des neuen Weltbank-Chefs lässt hoffen. Aber für die bereits heute an Hunger, Obdachlosigkeit und Krankheit aufgrund der Klimaerwärmung leidenden Menschen ist das nicht einmal ein schwacher Trost.