Tauender Permafrost ist Folge und gleichzeitig Verstärker der Erderwärmung

Permafrostboden muss mindestens zwei Jaher gefroren sein. Der massive Bergsturz letzte Woche  in Tirol ist tauendem Permafrost geschuldet. Das Eis zwischen den Gesteinsbrocken wirkt wie ein Kleber. Taut dieses auf, verliert das Gestein an Festigkeit. Daher kommt es immer öfter zu Felsstürzen im hochalpinen Bereich. Aber auch der Permafrostboden in den kalten Klimazonen wie in Sibirien, China, der Mongolei, Kanada und Alaska taut auf. Mit fatalen Folgen.

 

„Permafrost kann bis zu 1500 Meter tief sein, zum Beispiel in Sibirien“, sagt Permafrost-Experte Hugues Lantuit von der Universität Potsdam. „Er kann allerdings auch nur ein paar Meter tief sein wie im Norden Skandinaviens.“ Er ist Mitautor einer Studie, die berechnet hat, dass sich der Permafrost zwischen 2007 und 2016 um 0,29 Grad Celsius erwärmt hat. Diese wurde in dem Magazin Nature Communications veröffentlicht. Lantuit geht davon aus, dass schmelzender Permafrost weitreichende Folgen auf unser Klima haben wird.

 

Eine sich gegenseitig verstärkende Spirale

Warum? Weil in den Permafrostböden tierisches und organisches Material (zum Teil noch aus der Eiszeit) tiefgefroren wurde. Taut es auf, wird es von Mikroorganismen zersetzt und Kohlenstoffdioxid sowie Methan freigesetzt. Diese gelangen in unsere Athmosphäre und verstärken als Treibhausgase die Erderwärmung (wobei Methan 25-mal stärker wirkt als Kohlendioxid). Dadurch schmilzt wiederum weiterer Permafrost.

 

Diesen Effekt nennt man auch Permafrost-Kohlenstoff-Rückkopplung, weil sich beides gegenseitig verstärkt.

 

„Methan kommt zwar nur in geringer Konzentration vor, ist dabei aber besonders gefährlich, da sein Erwärmungspotenzial um ein Vielfaches höher ist als bei CO2.“

Nikolaus Froitzheim, Geologe, Institut für Geowissenschaften, Universität Bonn

Daher sprechen viele von einer „Methanbombe“ in tauenden Permafrostböden.

 

Eine globale Vergleichsstudie des internationalen Permafrost-Netzwerks GTN-P (Global Terrestrial Network for Permafrost), an der auch das Alfred-Wegener-Institut (AWI) maßgeblich beteiligt war, geht davon aus, dass die Treibhausgase aus auftauenden Permafrostböden die globale Temperatur bis zum Jahr 2100 um weitere 0,13 bis 0,27 Grad Celsius ansteigen lassen könnten.

 

Die Folgen der Permafrost-Schmelze

 

Gifte entweichen

Die Auswirkungen der Schmelze sind umfangreich. Neben der Erderwärmung führt sie auch dazu, dass Umweltgigte wie zum Beispiel Quecksilber gasförmig freigesetzt werden und in die Nahrungskette gelangen können. Wissenschaftler untersuchen darüber hinaus, ob Erdgas, das sich zum Beispiel unter Nordsibirien befindet, durch das Auftauen aus dem Boden entweicht.

 

Der Boden sackt ab

Eine weitere dramatische Folge ist das teilweise Absinken der tauenden Böden. „Auch die Permafrostküsten erodieren immer schneller und führen zu großen Probleme in Küstensiedlungen in der Arktis“, sagt Lantuit. Ebene Fläche sehen nun aus wie Hügellandschaften, was die gesamte bauliche Infrastruktur gefährdet. Manche betroffene Orte mussten bereits aufgegeben werden, weil sie dadurch unbewohnbar wurden.

Weltweit sind mehr als fünf Millionen Menschen in, deren Lebensraum sich auf Dauerfrostböden befindet, davon betroffen, so Mathias Ulrich, Geograf an der Universität Leipzig. „Prognosen gehen davon aus, dass in 30 Jahren 42 Prozent dieser Siedlungen permafrostfrei sind.“ Und wenn sich der Boden erwärmt, kann er wegsacken und die Bauten mitreißen.

 

Enorme Schäden und Kosten

Laut den Berechnungen einer internationalen Forschungsgruppe um Jan Hjort von der University of Oulu (Finnland) dürften bis 2050 zwischen 30 und 50 Prozent der Gebäude und Infrastruktur-Einrichtungen in den von Permafrost geprägten nördlichen Gebieten von Schäden verschiedener Schweregrade bedroht sein. Wissenschafter*innen identifizierten die gefährdeten Bereiche mithilfe von auf Geodaten basierenden statistischen Analysen. Davon betroffen sind vor allem Kanada, Alaska, Grönland, die Hochebene von Tibet und insbesondere Russland.

Zum Schutz der Gebäude werden diese zum Beispiel in Norilsk auf zehn bis dreißig Meter langen Pfählen errichtet. An vielen Orten werden die Fundamente bereits heute künstlich mittels sogenannter Thermostabilisatoren gekühlt, damit die Gebäude nicht zusammenbrechen. Innovative Lösungsansätze sind nun gefragt.

 

Wie lange bleibt der Permafrostboden noch stabil

Darauf haben die Forscher*innen des Alfred-Wegener-Institutes noch keine definitive Antwort, denn es hänge neben der Bodentemperatur noch von weiteren Faktoren ab. Und zwar von der Energiebilanz an der Oberfläche, der Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit des Bodens, der Vegetation, der Schneebedeckung sowie dem Vorkommen von Seen und Grundwasser in der Nähe von Permafrost-Böden.