EU-Parlament stimmt für bäuerliches Recht auf Saatgut – verabsäumt aber, die Erhaltung lokaler und traditioneller Sorten zu stärken

Der Beschluss des EU-Parlaments sichert die uralte Tradition und das Recht von Bäuer:innen ab, ihr eigenes Vermehrungsmaterial in kleinen Mengen untereinander entgeltlich und unentgeltlich tauschen zu können – eine Praxis, die seit Generationen praktiziert wird und die die Resilienz und Unabhängigkeit in der Landwirtschaft stärkt.

Zudem gewährt der Beschluss Bäuer:innen weiterhin den Zugang zu traditionellen Sorten wie beispielsweise der alten Paradeiser-Sorte „Rotes Herz“, zur Steinfelder Tellerlinse, zur Laaer Zwiebel oder zum Laufener Landweizen.

Der Beschluss befreit die Landwirt:innen genauso wie die Erhaltungsinitiativen von neuen bürokratischen Vorschriften. Alle diese Punkte im Bericht von Herbert Dorfmann, dem Berichterstatter im zuständigen EU-Landwirtschaftsausschuss, hat die Saatgut-Industrie massiv bekämpft. Trotzdem fanden sie letztendlich Unterstützung der Sozialdemokraten, der Grünen und Linken sowie von Teilen der Europäischen Volkspartei und der liberalen Fraktion Renew.

In einem für die Rettung traditioneller und lokaler Sorten wesentlichen Punkt hat sich jedoch die Industrie-Lobby durchgesetzt. Die Weitergabe gefährdeter Sorten zum Zweck ihrer Erhaltung hätte vom Geltungsbereich des Saatgutrechts ausgenommen werden sollen. Diese Möglichkeit wurde stark eingeschränkt.

Nur etablierte Erhaltungsorganisationen dürfen zukünftig von dieser Ausnahme Gebrauch machen.

Die Industrie hat behauptet, dass diese Ausnahme zu „unkontrollierten Parallelmärkten“ führen würde. In der Realität ging es um die Weitergabe von Kleinstmengen, zum Beispiel 500 Gram Gemüse-Saatgut pro Jahr.

Greenpeace: EU-Saatgutreform zwingt kleine Saatgutproduzenten in die Knie – eine Gefährdung für die Sortenvielfalt

ARCHE NOAH und andere Saatgut-Initiativen aus ganz Europa haben in den letzten Tagen EU-Abgeordnete kontaktiert, um über die Bedrohung für die Vielfalt zu informieren und das bäuerliche Recht auf Saatgut einzufordern.

„Wir bedanken uns bei unseren Unterstützer:innen, die diesen Einsatz möglich gemacht haben und bei all jenen, die in den letzten Tagen und Wochen Saatgut-Päckchen ans EU-Parlament geschickt haben oder selbst EU-Abgeordnete angerufen haben“, sagt Prieler.

Diese Arbeit geht nach der heutigen Abstimmung weiter: Der Beschluss bildet nun die Grundlage für die Verhandlungen des EU-Parlaments im Trilog mit der EU-Kommission und dem Rat der Landwirtschafts-Minister:innen über den endgültigen Gesetzestext.

Die Verhandlungen werden voraussichtlich erst Ende 2024 beginnen. Ein Fortschrittsbericht der belgischen Ratspräsidentschaft und eine Diskussion der EU-Landwirtschafts-Minister:innen ist für das letzte Ratstreffen vor der Sommerpause, am 24. und 25. Juni 2024, geplant.