Erste Klage gegen „Big Oil“ wegen Täuschung

Der US- Bundesstaat Kalifornien verklagt fünf Ölkonzerne, die jahrzehntelang die Auswirkungen fossiler Energieverwendung verharmlost und auch vertuscht hätten und will die Unternehmen an den Klimakosten beteiligen. Der Bundesstaat könnte Recht bekommen, wie ein Präzendenzfall zeigt und könnte damit Rechtsgeschichte schreiben.

 

Der Vorwurf der kalifornischen Regierung ist gravierend: Die fünf großen Ölkonzerne BP, Exxon, Shell, Chevron und Conoco Phillips sollen die Risiken fossiler Brennstoffe über Jahrzehnte gekannt und bewusst heruntergespielt haben. Dadurch seien milliardenhohe Schäden entstanden und die Öffentlichkeit getäuscht worden, heißt es in der Klage, die Kalifornien bei einem Gericht in San Francisco eingereicht hat. Die fünf Konzerne zählen laut Statista allesamt zu den 20 größten CO2-emittierenden Unternehmen weltweit.

 

Klimawandel-Hotspot

Kalifornien ist stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und litt in den letzten drei Jahren unter einer extremen Trockenheit. Diese führte zu einem starken Abfall der Grundwasserspiegel und andererseits auch zu Waldbränden. Darauf folgten dieses Jahr Monate mit Überschwemmungen, und der Tropensturm  „Hilary“ brachte Rekordregenfälle.

 

„Mehr als 50 Jahre lang haben uns die Öl-Giganten belogen und die Tatsache verschleiert, dass sie schon seit langem wissen, wie gefährlich die von ihnen produzierten fossilen Energieträger für unseren Planeten sind“, meinte Kaliforniens Gouverneur, der Demokrat Gavin Newsom. Sein Bundesstaat möchte „die großen Umweltverschmutzer nun zur Verantwortung ziehen“.

 

Aktive Falschinformation

Die Manager der Öl- und Gasunternehmen hätten „seit Jahrzehnten gewusst, dass eine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu diesen katastrophalen Ergebnissen führen würde“, heißt es in der bei Gericht in San Francisco eingereichten Klage. Dennoch hätten sie diese Informationen der Allgemeinheit und Politikern vorenthalten und jahrzehntelang „aktiv Falschinformationen zu dem Thema“ verbreitet.

 

Durch diese „Täuschung“ habe die Gesellschaft erst mit Verspätung auf die Erderwärmung reagiert, heißt es in der 135-seitigen Klageschrift weiter. Damit habe das „Fehlverhalten“ der Öl-Manager zu „enormen Kosten für die Menschen, Eigentum und natürliche Ressourcen“ geführt. „Die Lügen und Vertuschungen von Big Oil haben zu anhaltenden Klimakatastrophen geführt, die den Kaliforniern Kosten in Milliardenhöhe auferlegt haben“, so die Begründung, die der Gouverneur des Bundesstaates und der Generalstaatsanwalt Rob Bonta dazu abgaben.

„Wir sollten die Rechnung nicht allein bezahlen müssen, während die Ölgesellschaften profitieren.“

 

Das ist eine Riesensache

Dazu meinte Richard Wiles, Präsident des Center for Climate Integrity in Washington, dem Radio Netzwerk NPR gegenüber, dass Kalifornien eine Vorreiterrolle einnehme und auch großen Einfluss auf andere Bundesstaaten habe: „Das ist eine Riesensache. Kalifornien ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und sie sind ein wichtiger Ölförderstaat. Sie sind der erste Öl produzierende Staat, der Klage gegen die Unternehmen einreicht. Viele Bundesstaaten orientieren sich bei den Luftreinhaltevorschriften an Kalifornien. Der Fall Kaliforniens könnte tatsächlich dazu führen, dass mehr Generalstaatsanwälte Klage erheben.“

Die Klage sei „die bedeutendste, entschiedenste und wirkungsvollste Maßnahme gegen die Öl- und Gasindustrie in der Geschichte der USA“, sagte er der New York Times.

Die Ölkonzerne weisen diese Vorwürfe zurück. Der Industrieverband American Petroleum Institute schrieb: „Diese koordinierte Kampagne für politisch motivierte Klagen gegen eine amerikanische Industrie und ihre Arbeiter ist nichts weiter als eine Ablenkung von wichtigen Gesprächen auf nationaler Ebene. Und eine enorme Verschwendung kalifornischer Steuergelder. Über die Klimapolitik muss der Kongress debattieren und entscheiden, nicht das Gerichtssystem.“

 

Immer mehr Klimaklagen weltweit

In den vergangenen Jahren häufen sich die juristischen Verfahren wegen mangelnder Klimaschutzmaßnahmen. Die meisten fanden und finden in den USA statt, etliche aber auch in Deutschland, wie eine Untersuchung des UN-Umweltprogramms Unep im Juli zeigte. Demnach wurden 2022 fast 2.200 Klimaklagen verhandelt, 2017 waren es erst rund 900. Viele richten sich gegen die Öl- und Gasindustrie. Aktuell klagen einige Inselstaaten vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg, damit die Industrieländer die Klimamaßnahmen schneller umsetzen.

Während viele Klagen bisher von den Gerichten entweder nicht angenommen oder zurückgewiesen wurden, gab es jedoch auch einzelne spektakuläre Urteile, etwa in Deutschland und den Niederlanden, wie 2021 die Verpflichtung der Regierung unter Angela Merkel, ihr Klimaschutzgesetz zu verschärfen oder das niederländische Urteil, das den Shell-Konzern dazu verpflichtete, seinen CO2-Ausstoß bis 2030 schneller als geplant zu senken.

Spannend auch die aktuelle Klage eines peruanischen Bergbauern gegen den Energiekonzern RWE, die momentan am Oberlandesgerichtshof Lamm verhandelt wird. Der Vorwurf des Bauern an den Konzern lautet: RWE sei wegen seiner enormen CO2-Emissionen mitschuldig an der Gletscherschmelze in den Anden, die seinen Wohnort bedrohe. Wie sie wohl ausgehen wird?