Neue Forschungsergebnisse zum Insektensterben

Seit Jahren sehen Expert*innen einen Schwund an Insekten und deren problematische Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Besonders bekannt ist die  Studie von Hallmann et al., die 2017 im Fachjournal PLoS ONE veröffentlicht wurde,  in der eine Reduktion der Insektenmasse in Deutschland um 75 Prozent innerhalb von drei Jahrzehnten festgestellt wurde. Die Analyse möglicher Gründe  – etwa der Einfluss von Klimafaktoren, die landwirtschaftlichen Nutzung und bestimmte Lebensraumfaktoren – brachte jedoch keine eindeutige Erklärung. Seitdem sind Forscher*innen auf der Suche nach den Ursachen.

 

Eine neue Studie eines Teams rund um Ökologe Jörg Müller von der Universität Würzburg, die davon ausgeht, dass das Wetter einen entscheidenden Faktor bei der Anzahl der Insekten spielt, hat eine kontroversiell geführte Debatte innerhalb der Expert*innen angestoßen. „Das Ergebnis der ‚Hallmann-Studie‘ hat mich damals geschockt, als Wissenschaftler haben wir aber natürlich den Anspruch, der Sache auf den Grund zu gehen“, erzählt er im Interview mit science.ORF.at.

 

 

Daten neu analysiert

Müller fand erstaunlich viele Insekten in seinem Garten und der Umgebung und ging mit Kolleg*innen der TU Dresden, der TU München und der Universität Zürich daran, flugfähige Insekten in Bayern in sogenannten Malaise-Fallen zu fangen, zu wiegen und verglich das Gesamtgewicht mit den Daten aus der „Hallmann-Studie“.

„Wir fanden eine Biomasse, die im Mittel fast so hoch war wie die Maximalwerte aus der Hallmann-Studie“, erklärte Müller nach Angaben der Uni Würzburg. Daraufhin analysierte das Team die Daten erneut unter Berücksichtigung der Witterungseinflüsse und kam zu dem Schluss, dass die Witterung und vor allem unübliche Temperatur- und Wetterschwankungen  einen entscheidenden Einfluss auf die Anzahl der Insekten haben.

 

Schlechte Witterungseinflüsse

So herrschten für Insekten ab dem Jahr 2005 übrwiegend schlechte Witterungseinflüsse: Die Sommer waren zu nass und die Winter zu trocken und warm. Im Jahr 2022 hingegen sehr gute. Laut Müller können diese zum Teil für die besorgniserregenden Ergebnisse der „Hallmann-Studie“ verantwortlich gemacht werden. Er geht davon aus, dass trotz des kürzlich beobachteten Anstiegs der Biomasse zu erwarten ist, dass neue Kombinationen ungünstiger mehrjähriger Wetterbedingungen die Insektenpopulationen bei anhaltendem Klimawandel weiter bedrohen werden.

 

Weitere Ursachen

Müller sieht aber auch andere Ursachen für den Insektenschwund:„Die Landnutzung, also natürlich die Landwirtschaft, aber auch jeder Mensch der Flächen für Siedlungsbereiche oder Straßen versiegelt, nimmt den Insekten die Lebensräume weg und viele unserer bedrohten Arten haben deshalb nur noch kleine, fragmentierte Vorkommen.“

 

„Wir haben den Rückgang in den Biomassen, genauso haben wir aber die klare Beobachtung, dass uns sang und klanglos seltene Arten aus der Landschaft verschwinden. Bloß haben wir die beiden Dinge bisher nicht wirklich zusammenbringen können. Und ich denke, diese Interaktion aus Witterung und Klimaerwärmung auf der einen Seite und den begrenzten Lebensraumflächen auf der anderen Seite erklärt sehr schön, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.“, so Müller.

 

https://cdn.statcdn.com/Infographic/images/normal/17074.jpeg

 

Andere wichtige Faktoren fehlen

Dies hat zu vielen Reaktionen innerhalb der Forschungsgemeinschaft geführt. Die Studie habe „eine Reihe von gravierenden methodischen Schwächen“,meinte Axel Ssymank vom Bundesamt für Naturschutz der Deutschen Presse-Agentur gegenüber. Unter anderem dadurch seien „keine Aussagen zur relativen Bedeutung des Insektenrückgangs aufgrund von landwirtschaftlichen Nutzungsänderungen möglich“.

 

Johannes Steidle, Direktor des Zoologischen und Tiermedizinischen Museums der Universität Hohenheim meinte, dass es klar sei, dass Insektenpopulationen stark vom Wetter abhängig seien. Als Hauptverursacher des Insektensterbenssei die Intensivierung der Landwirtschaft zu nennen. „Daran ändert auch diese aktuelle Studie nichts.“

 

Gründe für das Insektensterben

https://cdn.statcdn.com/Infographic/images/normal/21750.jpeg

 

Der BUND Naturschutz nennt folgende Gründe für das Insektensterben:

  • Gifte und Schadstoffe, die aus Industrie, Haushalten und Landwirtschaft in die Umwelt gelangen
  • Der Einsatz von Neonicotinoiden, der zu einer Nervenschädigung bei Insekten und damit zu deren Tod führt
  • Belastung der Umwelt mit Stickstoff (zum Beispiel durch Düngung in der Landwirtschaft), was zu einer Reduktion der Pflanzenarten führt
  • Zerstörung von Lebensräumen
  • Zerschneidung von Lebensräumen – Inselbildung
  • Intensive landwirtschaftliche Nutzung
  • Klimwandelbedingte Änderungen – mildere Temperaturen, fehlender Frost, Trockenheit
  • Lichtverschmutzung

 

https://news.pro.earth/2023/04/19/lichtverschmutzung-die-helle-not-nachtaktiver-insekten/

 

Unser pro.earth.Fazit: „Im Gegensatz zu Wölfen, Eisbären und Tigern sind Insekten überall um uns herum. Was wir in unserem alltäglichen Leben tun, macht für Insekten einen riesigen Unterschied.“ Wir müssen jetzt handeln, um das große Sterben abzuwenden. Manche Insektenarten sterben heimlich still und leise aus, ohne, dass wir es überhaupt bemerken – im Gegensatz zu Wölfen, Eisbären und Tigern. Die Verwendung von Insektiziden, der Raubbau an natürlichen Lebensräumen muss weitestgehend verhindert werden, um die schwierige Situation zu entschärfen.