Konferenz über vom Aussterben bedrohte wandernde Tierarten eröffnet
Vom 12.-17. Februar 2024 findet die 14. Vertragsstaatenkonferenz der Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS COP14) in Usbekistan statt. Mit über 1500 erwarteten Teilnehmenden wird die COP14 die größte Veranstaltung ihrer Art In Samarkand sollen Fragen von entscheidender Bedeutung für die globale Biodiversitätskrise erörtert werden. Unter dem Motto „Die Natur kennt keine Grenzen“ wurde die Konferenz gestern eröffnet, was daran erinnert, dass wandernde Arten nicht an politischen Grenzen Halt machen und dass ihr Überleben von internationaler Zusammenarbeit abhängt, einschließlich grenzüberschreitender, regionaler und globaler Schutzbemühungen. Es wird erwartet, dass die intensivste Debatte über das kontroverse Thema des Tiefseebergbaus geführt wird.
Es gibt rund 10.000 wandernde Tierarten auf unserem Planete, die teilweise unglaubliche Strecken auf ihrer Wanderung zurücklegen. Viele davon sind laut UN vom Aussterben bedroht. In der „Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals“ (CMS) – auch bekannt als „Bonner Konvention“ – sind mehr als 1.000 wandernde Tierarten erfasst und sollen geschützt werden. Ein neuer UN-Bericht macht deutlich: Jede fünfte dieser Arten ist vom Aussterben bedroht.
Die 133 Mitgliedsstaaten des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten („Bonner Konvention“) besprechen seit gestern in Samarkand Themen, die für die weltweite Krise der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung sind.
Es geht um bedeutendste Tierarten
Nicht nur Lahille-Tümmler, Sandtigerhaie oder Peruanische Pelikane haben hohe Erwartungen an die hochrangige UN-Konferenz. Nein, auch „einige der bedeutendsten Tierarten auf unserem Planeten“, ordnet Amy Fraenkel, CMS Executive Secretary, ein. Viele Menschen wüssten sicherlich gar nicht, welche Tiere in der CMS gelistet sind – etwa Löwen, Gorillas, Schimpansen, alle Meeresschildkröten und viele der großen Wale und Delfine. „Wenn wir also über diese Tiere sprechen, dann sind sie unglaublich wichtig für die Welt. Die Vorstellung, dass wir diese Arten verlieren können, ist wirklich ein Weckruf.“
Der bahnbrechende CMS-Bericht „State of the World’s Migratory Species„, der am gestrigen Eröffnungstag der COP14 veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Zahl der weltweit wandernden Tierarten zurückgeht und das Risiko des weltweiten Aussterbens steigt. Mit der Analyse von über 4.000 Arten, darunter 1.189, die von den CMS-Vertragsparteien anerkannt wurden, wird deutlich, dass internationale Maßnahmen erforderlich sind. Der Bericht stellt einen klaren Weckruf dar und gibt der COP eine Reihe vorrangiger Handlungsempfehlungen.
Bedrohung durch Menschen
„Wandernde Arten sind auf eine Vielzahl von sehr spezifischen Lebensräumen angewiesen. Sie reisen regelmäßig, manchmal Tausende Kilometer, nur um diese Orte zu erreichen.“, erklärt Fraenkel. Wissenschaftlerin Kelly Malsch, Mitautorin der Studie, konnte zwei zentrale Bedrohungen für die Tiere identifizieren. „Zum einen ist das der Verlust von Lebensraum. Drei von vier der gelisteten Arten sind inzwischen davon betroffen.“
Verlust von Lebensräumen
Durch menschengemachte Hindernisse wie Hochäuser, Windräder, Staudämme, Lärm, Lichtquellen, Geisternetze, Plastikmüll und Schadstoffe sowie die Verbauung wichtiger Rastplätze und das Verschwinden ganzer Ökosysteme hat zu dem massiven Rückgang vieler wandernder Arten geführt. So ergab die Analyse des neuen CMS-Berichts, dass der Bestand bei 44 Prozent der vom CMS gelisteten wandernden Tierarten abnimmt – jede fünfte Art (22 Prozent) ist laut Bericht sogar bereits vom Aussterben bedroht.
„Straßen, Bauwerke oder der Schiffsverkehr versperren den Tieren zunehmend ihre lebensnotwendigen Wanderrouten – sie kommen also nicht mehr an ihre Fortpflanzungs- und Futterplätze. Hinzu kommen Belastungen durch die Klimakrise wie etwa Dürreperioden“, warnte auch die Meeresforscherin Simone Niedermüller in einer Aussendung des WWF Österreich.
Gezielte Jagd
Zum anderen ist die gezielte Entnahme von schützenswerten Spezies, zum Beispiel durch Fischerei und Jagd, sowie indirekt als Beifang.
Besorgniserregende Bedrohung der meisten Fischarten
Bei den gelisteten Fischarten ist der Rückgang der Populationen in den vergangenen 50 Jahren besonders besorgniserregend. Bereits 97% aller gelisteten Arten sind vom Aussterben bedroht. Dazu zählen auch mehr als die Hälfte der im Mittelmeer vorkommenden Hai- und Rochenarten. „Die Ozeane gleichen einem tödlichen Labyrinth aus Schiffen, Fangnetzen und Plastikmüll“, kritisierte auch Niedermüller in der WWF-Aussendung. Daher seien flächendeckende, über staatliche Grenzen hinausgehende Schutzmaßnahmen dringend erforderlich.
OceanCare leistet einen aktiven Beitrag zu zahlreichen Arbeitsbereichen der Konvention, darunter die Erarbeitung von Maßnahmen zur Eindämmung der Meeresverschmutzung, der Schutz von Walen und anderen Meerestieren und die Schaffung geschützter Lebensräume für insbesondere Meeressäuger.
Internationales Schutzprogramm „Central Asian Flyway“
Der NABU und BirdLife International unterstützen deshalb die Initiative Indiens zur Einrichtung eines internationalen Schutzprogramms zur zentralasiatischen Zugroute „Central Asian Flyway“, einer der bedeutendsten Zugvogelrouten der Welt.
Diese umfasst 30 Länder und wird von mehr als 600 Zugvogelarten genutzt. Indien bemüht sich um ein gemeinsames Schutzabkommen der beteiligten Länder und hat einen beispielhaften Aktionsplan vorgelegt. „Mindestens 48 dieser Arten sind weltweit bedroht, 40% sind rückläufig. Deshalb sind internationale Zusammenarbeit und grenzüberschreitende Schutzbemühungen unerlässlich“, sagt Thomas Tennhardt, NABU-Direktor Internationales. Der NABU unterstützt Indiens Engagement und ruft gleichzeitig dazu auf, Zugvögeln durch internationale Schutzabkommen weltweit, auch in Europa, sichere Rast- und Zufluchtsorte zu bieten. „Dazu gehören der Kampf gegen Lebensraumzerstörung, Wilderei und die Folgen der Klimakrise“, so Tennhardt. „Die Bundesregierung muss die Möglichkeit in Samarkand nutzen und sich hierfür einsetzen.“
Neben dem Schutz von einzelnen Vogelarten wie Steppenadler, Bartgeier und Großtrappe stehen auch Säugetiere wie die Saiga-Antilope im Fokus der Verhandlungen. Nach einem dramatischen Zusammenbruch der Population, der zu einem Beinahe-Aussterben der Art geführt hat, haben sich dank intensiver Schutzmaßnahmen ihre Bestandszahlen erholt. „Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat die Saiga-Antilope, die bislang als ‚vom Aussterben bedroht‘ galt, jetzt als ‚potenziell gefährdet‘ eingestuft – eine Erfolgsnachricht für den Artenschutz“, so Katja Kaupisch, Leiterin des Zentralasienprogramms beim NABU-Bundesverband. Der NABU engagiert sich seit vielen Jahren für den Erhalt der Saiga-Antilope und ist Mitunterzeichner der CMS-Saiga-Absichtserklärung zum Schutz der Art.
Der sprichwörtliche „Elefant im Raum“ bei der Konferenz zum Schutz wandernder Tierarten ist der weltweite Verlust der biologischen Vielfalt. Diese menschengemachte Naturkrise erfordert wie die Klimakrise internationale Zusammenarbeit und entschiedenes politisches Handeln. Dazu gehören u.a. die Einrichtung von zusätzlichen Schutzgebieten und die Wiederherstellung von beschädigten und zerstörten Lebensräumen.
Hintergrund
Die Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention zum Schutz wandernder Tierarten findet seit 1979 alle drei Jahre statt und bildet eine wichtige Grundlage für die internationale Koordination von grenzübergreifenden Schutzmaßnahmen. Da die Konvention seinerzeit in Bonn gegründet wurde und sich seitdem dort auch ihr Sekretariat befindet, ist sie auch als „Bonner Konvention“ bekannt.