Klage gegen die immense Bodenversiegelung

Das Thema, das wir bereits Ende März vorgestellt haben, ist heiß. Die österreichische NGO Allrise, die auf Klimaklagen spezialisiert ist (zB gegen den brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro), hat gestern beim Verfassungsgerichtshof eine Staatshaftungsklage gegen die Republik Österreich sowie die Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich wegen unzureichenden Bodenschutzes eingereicht. Unterstützt von Klimaforscherin Prof. Helga Kromp-Kolb begründet Allrise diese mit dem individuellen Schaden, der den Klägern entsteht – finanziell, aber auch gesundheitlich.

 

Johannes Wesemann, Initiator und Gründer von AllRise: „Seit Jahrzehnten verabsäumt es die österreichische Politik, heimische Böden zu schützen und damit das Klima, die heimische Lebensmittelproduktion sowie die Biodiversität. Mehrmals wurde die Republik bereits von der Europäischen Kommission auf fehlende Maßnahmen hingewiesen – bisher ohne Erfolg. Daher beschreiten wir nun den Rechtsweg und klagen.“  Die NGO verfolgt mit ihrer Klage das Ziel, die Politik zu einer aktiven Eindämmung des Bodenverbrauchs zu zwingen. Wird der  Staatshaftungsklage stattgegeben, muss die Regierung die Rechtslage entsprechend anpassen, um sich nicht weiteren Haftungen auszusetzen, schreibt Allrise.

 

https://news.pro.earth/2023/04/28/bodenversiegelung-eines-der-ganz-grossen-umweltprobleme/

 

„Ein Fünftel unserer Fläche ist schon verbaut. Das ist die doppelte Größe Vorarlbergs. Und jedes Jahr kommt Eisenstadt dazu.“

Johann Wesemann

 

Das kommt uns teuer zu stehen

Allrise geht davon aus, dass Österreich bis zum Jahr 2030 wegen des Zukaufs von Emissionszertifikaten Zahlungen in Höhe von ungefähr vier bis neun Milliarden Euro leisten muss, weil zu wenig für den Bodenschutz unternommen wird. Schlußendlich tragen alle Steuerzahler*innen diese Kosten. „Jeder von uns hat ca. einen Tausender im Mittel pro Jahr schon dazu beizutragen, dass wir keine hinreichenden Klimawandelbekämpfungsmaßnahmen gesetzt haben.“, so Anwalt Wolfram Proksch. Diese Maßnahmen sowie eine umfassende Bodenschutzstrategie, könnten die Ausgaben wesentlich reduzieren. 

 

 

Fehlende Umsetzung von EU-Richtlinien

Die Klage stützt sich insbesondere auf die fehlende Umsetzung diverser EU-Richtlinien, so etwa die Wasserrahmenrichtlinie, die Nitratrichtlinie, die UVP-Richtlinie oder die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH. Auch die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und damit einhergehend eine fehlende nationale Bodenschutzstrategie werden kritisiert:

„Die Nicht-Umsetzung der genannten Richtlinien sowie die fehlende Abstimmung auf Bundesebene führte und führt zu immer neuen Genehmigungen von Bauvorhaben und überbordendem Bodenverbrauch“, erklärt Proksch, der die Klage gemeinsam mit seiner Kollegin Theresa Stachowitz formuliert hat. „Es gibt eine Reihe an aktuellen Beispielen, die schlicht nicht genehmigungsfähig wären, würden sich Bund und Länder an EU-Vorgaben halten. Auch aus der Kombination einer unübersichtlichen Rechtsgrundlage in Zusammenhang mit dem fehlenden Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen ist bereits ein Schaden für den/die Einzelne:n begründet.“ 

Bild ©️Allrise 2023

 

Es gibt genügend Lösungsvorschläge

Auf der Website www.bodenverbrauch.org  zeigt die österreichische NGO Lösungen auf und erklärt, dass es am politischen Willen mangle, diese umzusetzen.

  • Setzung von Siedlungsgrenzen in der Regionalplanung
  • Netto-Null-Flächeninanspruchnahme: Jede Neuwidmung muss mit einer Rückwidmung in Grünland einhergehen
  • Verbindliche Bodenschutzstrategie
  • Anpassung der Raumordnung

 

Der WWF, der sich ebenfalls mit dem Thema intensiv beschäftigt, hat folgende 12 Maßnahmen für den Bodenschutz definiert:

  1. Verbindliche Obergrenze bei Bodenverbrauch
  2. Verpflichtung zu Monitoring auf Gemeindeebene
  3. Bodenversiegelung als Tatbestand bei Umweltverträglichkeitsprüfungen
  4. Für Gemeinden eine verpflichtende Strategie zum Bodenverbrauch
  5. Verpflichtung der Landesregierungen, in der überörtlichen Raumordnung Vorgaben an die Gemeinden aufzustellen
  6. Umwidmung von Bauland beschränken
  7. Baulandmobilisierung durch befristete Widmungen von bestehendem Bauland und Rückwidmung in Grünland nach Ablauf einer Frist
  8. Nutzung von Leerstand ankurbeln
  9. Bauordnungen entsprechend anpassen, wie eine Reduktion von Stellplätzen
  10. Nachhaltige Wohnbauförderung wie Anreize für flächensparende Bebauung
  11. Anpassung des Finanzausgleichs, sodass sparsame Bodennutzung belohnt wird
  12. Versiegelungsabgabe für neu versiegelte Böden

 

Unser pro.earth.Fazit: Wir hoffen sehr, dass dieses Umweltproblem nun durch den Druck der Klage ernsthaft angegangen wird. Denn ein gesunder Boden ist eine der allerwichtigsten Voraussetzung für unser aller Überleben. Und um mit Prof. Helga Kromp-Kolb zu schließen:

„Erde ist nicht ein Haufen Dreck, sondern ein Ökosystem voller Leben. Die reichhaltige Biodiversität des Bodens ist für uns überlebenswichtig – als Grundlage, auf der unsere Nahrung wächst, als Speicher von Wasser und Kohlenstoff, als kühlender Faktor im Klimawandel, usw. Boden erfüllt so viele Funktionen, dass seine übermäßige Vernichtung die Daseinsvorsorge in Frage stellt.“ 

 

Weiterführende Links:

Maßnahmenkatalog WWF

Bodenverbrauch.org

https://news.pro.earth/2023/04/28/bodenversiegelung-eines-der-ganz-grossen-umweltprobleme/