Algen sind in unseren Breitengraden eine unterschätzte Spezies. Wohingegen sie in Küstengegenden Europas und in Asien schon lange elementarer Bestandteil der Ernährung und ein anerkanntes Superfood sind. Aber Algen als Klimaretter? Forscher:innen weltweit haben sich in den vergangenen Jahren mit diesem Thema intensiver auseinandergesetzt. Algen reinigen ihre Umgebung und verstoffwechseln neben Treibhausgasen wie CO2 auch Schwermetalle, die in ihrer Biomasse eingeschlossen werden und zum Meeresboden sinken.

 

Eins ist klar: wir müssen auf jeden Fall unsere Treibhausgasemissionen auf null senken. Dies allein wird allerdings laut vieler Expert:innen nicht ausreichen. Weitere Maßnahmen zur drastischen CO2-Konzenntration in der Atmosphäre sind notwendig.

 

 

Die entscheidende Rolle der Algen

Prof. Dr. Thomas Friedl (50), Leiter der Abteilung Experimentelle Phykologie und  Sammlung von Algenkulturen der Universität Göttingen, erklärt die Rolle der Algen so: „Fast unbemerkt spielen Algen jedoch eine entscheidende Rolle im Kohlendioxid (CO2)-Kreislauf der Erde. Denn indem sie CO2 in Sauerstoff verwandeln, bilden Algen neben dem tropischen Regenwald die zweite „grüne Lunge“ unseres Planeten. Im Vergleich zu den Urwaldriesen zeichnen sich die grünen Wassserbewohner dabei durch einen entscheidenden Vorteil aus: Sie wachsen viel schneller. Die Hoffnungen, die manche Wissenschaftler an Algen knüpfen, sind deshalb immens – und reichen vom gezielten Beeinflussen des Klimas und Ersetzen fossiler Brennstoffe bis zum Reinigen der Abgase von Kraftwerken.“

 

Klimaeffekt von Algen

Wie groß der Klimaeffekt von Algen tatsächlich ist, wurde in über 2.000 Studien bereits versucht zu erfassen. Wissenschaftler vom Institut für Meereskunde in Barcelona (CSIC) haben ein riesiges Datenarchiv mit  50.000 Messungen aus aller Welt ausgewertet und kamen zu dem Schluss, dass Algen tatsächlich das Klima kühlen, vor allem über den Ozeanen der Südhalbkugel.

Laut National Geographic sind Braunalgen und Blasentang sehr produktive Kohlenstoffspeicher und können der Atmosphäre pro Jahr schätzungsweise rund eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff entziehen.

 

 

 

Riesige Algenfarmen für CO2-Senken

Auch Meeresforscher Victor Smetacek ist von der Klimawirkung der Algen überzeugt. Einerseits ließe sich seiner Meinung nach aus Algen ein biologischer Plastikersatz herstellen, andererseits können sie gezielt in Algenfarmen gezüchtet, große Mengen CO2 aus der Atmosphäre filtern und für lange Zeit am Meeresboden speichern. Dafür würde es sehr viel Platz benötigen, den es in dieser Menge nur in den weiten sogenannten Wüstengebiete der Ozeane gibt, wo kaum Leben stattfindet. Seiner Idee nach müsste man 300 bis 500 Meter lange Rohre vertikal im Meer aufstellen. Durch diese würde dann nährstoffreiches Wasser aufgrund des Dichteunterschieds fließen, das den Algen als Nahrungsquelle dient. Die Firma Seafields hat diese Idee in einem Pilotprojekt mit Sargassum-Algen bereits durchgeführt und plant in einer nächsten Phase die sogenannten Catch and Grow-Farmen zu großen Sargassum-Feldern im offenen Meer auszubauen.

 

Algen als Verpackungsmaterial

„Je mehr Algen es gibt, desto mehr CO2 könnten wir aus der Luft filtern”, sagt dazu Laurie Hofmann vom Alfred-Wegener-Institut, die gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Dr. Ramona Bosse, Universität Bremerhaven an Lebensmittelverpackungen aus Algen forscht. Die widerstandsfähige, feste und zugleich biegsame Struktur der Algen mache sie zum perfekten Material für eine Verpackung, so Bosse. In ein paar Jahren sollen Lebensmittelverpackungen aus Algenarten auf den Markt kommen. Daher ermittelten die beiden, welche Algenarten aus heimischen Gewässern mit kurzen Transportwegen für diese Aufgabe gut geeignet wären.

Dag Kleveland, ein norwegischer Unternehmer, stellt bereits Algenverpackungen her und sieht ihre Vorteile vorallem in der Verwertbarkeit der gesamten Pflanze ohne Abfall zu produzieren und ihrem schnellen Wachstum. Weiters benötigen Algen weder Dünger noch Bewässerung und konkurrieren auch nicht mit anderen Produkten um Ressourcen.

 

Grüne Energiequelle

In Form von Biogas, Biodiesel, Biowasserstoff oder -ethanol könnten Algen verwendet werden. Prof. Rüdiger Schulz forscht seit Jahren an einem Verfahren, die Energie der Mikroalgen zu nutzen. „Der nötige Wasserstoff kommt aus den Algen und wird in einer Brennstoffzelle zu elektrischem Strom umgewandelt, der in Zukunft Elektromotoren antreiben könnte. Als Abfallprodukt entsteht nur Wasser, kein Kohlendioxid”, erklärt der Forscher.

„Eines Tages könnten wir in einem Flugzeug über einen Ozean fliegen, das mit aus Meeresalgen gewonnenem Düsentreibstoff angetrieben wird“, sagt der an der University of Queensland (Australien) und am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätige Studienleiter Scott Spillias im Gespräch mit der APA: „Es gibt eine Menge Forschung, die sich sehr genau damit beschäftigt. Das hat riesiges Potenzial.“ Weiters erklärte er:

„Algen haben ein großes kommerzielles und ökologisches Potenzial als nahrhaftes Lebensmittel und als Baustein für kommerzielle Produkte wie Tierfutter, Kunststoffe, Fasern, Diesel und Ethanol. Unsere Studie ergab, dass die Ausweitung der Algenzucht dazu beitragen könnte, die Nachfrage nach Feldfrüchten zu verringern und die globalen landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen um bis zu 2,6 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr zu reduzieren.“

 

Reduktion der Methanausstoßes bei Kühen

Durch die Beigabe von Rotalgen zu Kuhfutter kann der Methanausstoß durchs Pupsen und Rülpsen der Kühe um 95% verringert werden, schreibt zdf heute.

 

Pestizidfreier Dünger

Algen können in der Landwirtschaft als pestizidfreier Dünger verwendet werden.

 

Noch zu überwindende Schwierigkeiten

„Es besteht zum Beispiel große Unsicherheit darüber, was die tatsächlichen Auswirkungen auf den Ozean sein würden. Und niemand hat bisher wirklich herausgefunden, wie man Algen in größerem Maßstab bewirtschaftet. Es hat Riesenpotenzial, aber meine Hoffnung ist, dass wir diese Industrie zumindest im Westen, wo sie ziemlich neu ist, in einer Weise entwickeln werden, die nachhaltig und wirklich positiv ist, nicht nur für die Menschen, sondern auch für den Planeten.“, erklärt Spillias.

Alle Ansätze sind noch zu ineffizient und zum Teil auch zu teuer. Es fehlen auch noch Anbauflächen für die unterschiedlichen Algenarten. Wir können nur hoffen, dass mehr in die Erforschung und die Verbreiterung dieser vielen Verfahren investiert wird, damit sie ihre positiven Effekte auf das Klima zeigen können.