EU-Renaturierungsgesetz knapp aber doch beschlossen!

Nach einem heftigen politischen Schlagabtausch hat das EU-Parlament gestern seine Position zu dem weitreichenden Umweltgesetz zur Wiederherstellung der Natur, das „Nature Restoration Law“ (kurz: NRL, auch EU-Renaturierungsgesetz genannt) beschlossen. Für das sogenannte Renaturierungsgesetz stimmten 336 EU-Abgeordnete, dagegen waren 300 und 13 EU-Mandatare enthielten sich. Das Gesetz ist ein zentraler Teil des umfassenden Klimaschutzpakets „Green Deal“, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll.

 

Der Green Deal und das Renaturierungsgesetz

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP) hat zu Beginn ihrer Amtszeit 2019 den europäischen „Green Deal“ verkündet. Bis 2050 soll Europa damit der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden.Hand in Hand mit Klimaschutz geht immer auch die Rettung der Natur. Kreislaufwirtschaft, weniger Pestizide und saubere Energie spielen deshalb im Green Deal ebenso eine Rolle, wie der Erhalt und die Wiederherstellung von Ökosystemen. Einige Ziele des Green Deals wurden nun mit der Abstimmung im EU-Parlament für das Renaturierungsgesetz beschlossen.

Das Renaturierungsgesetz wird nicht nur von Umweltorganisationen, Wissenschafter*innen und Verbraucherschützer*innen sondern auch von großen Unternehmen wie IKEA, H&M, Unilever und Nestlé unterstützt.

 

Nach Plänen der EU-Kommission soll es bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU sogenannte Wiederherstellungsmaßnahmen geben. Dies betrifft nicht nur Naturschutzgebiete sondern umfasst auch Maßnahmen in bewirtschafteten Bereichen wie Wäldern, Feldern und Städten.

Konkret geht es beispielsweise um

    • Wiederaufforstung von Wäldern,
    • die Begrünung von Städten
    • Flussläufe von menschlichen Blockaden befreien
    • Renaturierung von Mooren, die trockengelegt wurden
    • starke Reduktion sowie das völlige Verbot in „empfindlichen Gebieten“ von Pestiziden
    • Verringerung von Monokulturen
 

Degradierte Ökosysteme

Mehr als 80 Prozent der Lebensräume in der EU befinden sich in einem schlechten Zustand. Dabei ist die Renaturierung degradierter Ökosysteme unerlässlich, um Kohlenstoff zu speichern, gegenüber Extremwettern widerstandsfähig zu sein und das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten abzubremsen, so Fridays For Future Austria.

So sind auch in Österreich

    • mehr als 80 Prozent der FFH-geschützten Arten und Lebensräume in keinem günstigen Erhaltungszustand.
    • Der Flächenverbrauch liegt mit 12 Hektar pro Tag um fast das Fünffache über dem “Nachhaltigkeitsziel” von 2,5 Hektar pro Tag.
    • Nur noch 14 Prozent der heimischen Flüsse sind in einem guten ökologischen Zustand,
    • 90 Prozent der ursprünglichen Moorfläche sind bereits zerstört.

„Daher braucht es dringend europaweit akkordierte verbindliche Ziele und Maßnahmen. Insgesamt profitiert davon nicht nur die Umwelt, sondern auch die Wirtschaft, die Landwirtschaft und unsere gesamte Gesellschaft“, sagt WWF-Biodiversitätssprecher Joschka Brangs.

 

Fake News

Dennoch haben konservative EU-Abgeordnete unter Manfred Webers (CSU) EPP mit Unterstützung einiger Liberaler in den letzten Wochen und Monaten eine Desinformationskampagne gestartet, um die Verpflichtungen zur Wiederherstellung der Natur in Europa zu verzögern, zu verhindern und zu schwächen. Die Klimaaktivistinnen von Fridays For Future Austria vermuten dahinter das Kalkül, sich angesichts der anstehenden EU-Wahl 2024 als Protestpartei gegen den Green Deal zu positionieren. Mehr als 6000 Wissenschafter*innen haben die Fake News Argumente der EPP widerlegt.

 

Das ist ein bittersüßer Sieg

„Das ist ein Bittersüßer Sieg, aber es ist UNSER Bittersüßer Sieg.“, merkt Daniel Shams von Fridays For Future Austria an, der vor Ort in Straßburg war. „Der Weg zu dem abgeschwächten EU-Naturschutzgesetz war steinig und wurde mit einem politischen Diskurs auf Trump Niveau von Konservativen, Rechten und einigen Liberalen geführt.

Die Tatsache, dass das Parlament mit dem schwächsten Vorschlag von allen in den Trilog geht, sagt viel darüber aus, wie populistisch und kurzsichtig sich die Mehrheit der gewählten Vertreter*innen verhält. Diese schwache Version kann nicht das Endergebnis eines Gesetzes sein, das wortwörtlich eine Frage der Sicherheit und des Überlebens für unzählige Menschen ist. Wir werden weiterhin für ein viel stärkeres Gesetz als dieses kämpfen!” betont Shams.

 

Ein Meilenstein

“Auch wenn der Gesetzesvorschlag geschwächt wurde, ist das ein Meilenstein. Die Wiederherstellung der Natur ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Generation. Jetzt müssen sich Rat, Parlament und Kommission auf einen finalen und ambitionierten Text einigen, damit die Wiederherstellung der Natur beginnen kann”, sagt Brangs.

„Der Anschlag der Europäischen Volkspartei auf den Schutz von Umwelt und Natur ist gescheitert“, kommentierte die Umweltschutzorganisation Global 2000. „Das Europaparlament hat mit der Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz der von Falschdarstellungen und ‚Fake News‘ geprägten Desinformationskampagne der Europäischen Volkspartei eine klare Absage erteilt.“

 

Kritik seitens Landwirtschaftsminister

Österreichs Landwirtschaftsminister kritisierte das Gesetz im Ö1 Morgenjournal als „überschießend“ und „unrealistisch“. „Was ist mit den Eigentümern? Das kommt ja praktisch einer Enteignung gleich“, so Totschnig. „Wie viel Fläche dann am Ende des Tages tatsächlich relevant ist, müsste dann – wenn einmal klar ist, wie der Entwurf ausschaut – gemeinsam mit der Europäischen Kommission ja ausverhandelt werden.“ Er forderte im Interview „machbare Gesetze“.

 

Weiterreichende Maßnahmen zum Beispiel gegen Bodenversiegelung

Obwohl ein bedeutendes Gesetz auf EU-Ebene beschlossen wurde, sollten sich Bund und Länder in Österreich jedoch nicht damit zufriedengeben. „So sollten auch besonders in Österreich sinnloserweise große total versiegelte Flächen (Riesen-Parkplätze) ab sofort derart verbessert werden, dass es zumindest zwischen Beton- oder Asphalt-Flächen auch Bereiche geben muss, an denen Wasser versickern kann (Schotterflächen oder Stein-Pflasterung). Ebenso dürften in Zeiten wie diesen keine „Hitze-Flächen“ mehr zugelassen werden. Außerdem muss die Pflanzung und PFLEGE von Bäumen in ausreichender Zahl Pflicht werden,“ meint MMag. Drin. Madeleine Petrovic Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins (Tierschutz Austria).

Unser pro.earth.Fazit:

Nach diesem knappen Etappensieg für das NRL müssen nun die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten einen Maßnahmenkatalog erarbeiten und umsetzen. Es bleibt also spannend, inwieweit die Staaten in welchem Zeitraum effektive Maßnahmen setzen werden. Dies werden wir beobachten und auch darüber berichten. Wir freuen uns über das Gesetz, sehen aber auch  – wie viele Umweltorganisationen, dass die Verwässerung problematisch ist.