Erreichung des 2,5-Hektar-Bodenverbrauchsziels erfordert auch steuerliche Anreize

„Tatsache ist: Der Boden ist das höchste Gut. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann haben wir in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr. Vielleicht haben wir dann einen wunderbaren Industriestandort, aber keinen Lebensstandort mehr. Ein Land ohne Äcker, zukunftslos, kann nicht die Zielsetzung sein. Daher muss der verbliebene Naturraum geschützt werden. Eine Vielzahl an Maßnahmen liegt mittlerweile auf dem Tisch. Die WIFO-Studie zeigt, dass steuerliche Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauchs unerlässlich sind“, so der Appell des Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Hagelversicherung, Dr. Kurt Weinberger, des WIFO-Direktors Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD und der Autorin der im Rahmen des Pressegesprächs präsentierten und im Auftrag der Österreichischen Hagelversicherung erstellten WIFO-Studie „Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich“, Dr. Margit Schratzenstaller.

 

Diese neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts zeigt auf, dass es zur Eindämmung des massiven Bodenverbrauchs in Österreich zusätzlich zu raumplanerischen Maßnahmen eine fiskalische Strukturreform mit u.a. Zweckwidmung von Steuern zur Sanierung von Altbestand und zur Mobilisierung von Leerstand braucht.

 

„Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller

Bereits in der WIFO-Studie „Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller“ von Dozent Dr. Franz Sinabell wird die Dringlichkeit der Begrenzung des Flächenverbrauchs dargestellt, um den Verlust der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln einzudämmen. Denn

  • das Ackerland hat  zwischen 1999 und 2020 um über 72.000 Hektar abgenommen.
  • Umgerechnet in Versorgungsleistung bedeutet dieser Rückgang, dass in Österreich binnen 20 Jahren etwa 480.000 Menschen pro Jahr weniger ernährt werden können.
  • Gleichzeitig gibt es leerstehende Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien laut Schätzungen des Umweltbundesamtes im Ausmaß von 40.000 Hektar.

 

Nationales Problem

Es handelt sich beim Bodenverbrauch um ein rein nationales Umweltproblem. Es bringt also nichts, die Schuld fernab der nationalen Grenzen zu suchen. Dieser Umstand muss dringend national gelöst werden, um den Naturhaushalt und die Kulturlandschaft zu schützen sowie einen leistungsfähigen Agrarsektor mit einer produzierenden Landwirtschaft zu erhalten. Nur so können Abhängigkeiten in Form von Lebensmittelimporten verhindert werden.

 

Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich

In der neuen WIFO-Studie „Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich“,  werden folgende Maßnahmen für die Reduktion des Bodenverbrauchs von momentan 11,5 ha auf 2,5 ha pro Tag vorgeschlagen:

  • Maßnahmenmix

nach den Prinzipien Vermeiden (Eindämmung der Umwidmungen), Wiederverwerten (Nutzung leerstehender Gebäude) und Intensivieren (Verdichtung und Nutzung von als Bauland gewidmeten Flächen)

 

  • Bundesweite Leerstandsabgabe

Ein Beispiel für eine konkrete Maßnahme ist die Einführung einer bundesweiten Leerstandsabgabe. Das würde dem Staat Mehreinnahmen einbringen, mit denen man die Grunderwerbsteuer senken kann, die die effiziente Verwendung von Grund und Gebäuden behindert.

 

  • Kommunalsteuer

Die verpflichtende interkommunale Teilung des Kommunalsteueraufkommens hilft, Anreize für Umwidmungen zu verringern und Zersiedelung einzudämmen.

Die Problemstellung: „Jeder Bürgermeister hat ein Anreizsystem, Genehmigungen für Gewerbezentren zu erteilen, weil er daraus Einnahmen lukriert. Wir haben aber in Österreich ohnedies bereits die höchste Anzahl an Supermärkten pro 100.000 Einwohner in Europa, nämlich 60. In Deutschland mit einer geordneteren Raumordnung sind es 40.

Die Konsequenz: Bei uns sind die Lebensmittelpreise um 15 Prozent höher!

Die Lösung: Die Kommunalsteuer muss als Bundessteuer eingehoben und im Zuge des Finanzausgleichs an (ökologische) Kriterien gekoppelt verteilt werden.“ erläutert Weinberger.

 

  • Flächenwidmung

Weiters muss das jetzige zahnlose System der Flächenwidmungsabänderung auf Landesebene durch einen weisungsfreien Raumordnungsbeirat, der für die Gemeinden die Umwidmungen genehmigt, effizienter und unabhängiger geregelt werden.

 

  • Zweckwidmung Wohnbauförderung

Die Wiedereinführung der Zweckwidmung des Wohnbauförderungsbeitrages und die Verwendung eines Teils der Mittel für Altbausanierung können helfen, den Leerstand einzudämmen

 

  • Leerstandsdatenbank

Eine verpflichtende Leerstandsdatenbank sowie die gesetzliche Ausweisung von besonders wertvollen Agrarflächen wie in der Schweiz sind ebenso konkrete Vorschläge

 

  • Einführung von Zertifikaten

Neue Instrumente im Zusammenhang mit handelbaren Flächenzertifikaten oder CO2-Emissionszertifikaten

 

  • Einkommensteuergesetz

Die Änderung von § 6 Einkommensteuergesetz ist schon umgesetzt: Wird nun ein leerstehendes Betriebsgebäude eines Gewerbe- oder Landwirtschaftsbetriebes wegen Betriebsaufgabe vermietet, erfolgt die Überführung dieses Gebäudes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen – wie auch bei Grund und Boden – zum Buchwert statt wie bisher zum Teilwert.

 

  • Finanzausgleich

Dieser kann dem Bodenverbrauch entgegenwirken. Das ist eine große Chance, Dinge zum Besseren zu wenden, den Bodenverbrauch endlich gesetzlich zu limitieren und einen sorgsamen Umgang mit den Äckern und Wiesen in den Finanzausgleichsverhandlungen entsprechend zu berücksichtigen.

 

 

„Österreich ist beim Bodenverbrauch weiter Europameister im negativen Sinn. Dabei hat der heurige Sommer erneut vor Augen geführt, wie schnell sich Betonflächen in Hitzeinseln verwandeln und welche Kraft das Wasser im Fall von Starkniederschlägen und fehlender Versickerungsmöglichkeit hat. Daher besteht unverzüglicher Handlungsbedarf.“, so Felbermayr, Weinberger und Schratzenstaller.

 

Dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen.