Zuleitung von Donau-Wasser im Neusiedler See würde zu irreparablen Schäden führen

Der größte See Österreichs kommt nicht aus den Schlagzeilen. Zuerst hieß es,  dass er austrocknen wird. Dies soll mittels künstlicher Wasserzuleitung verhindert werden, was zur nächsten Schlagzeile führte. Diese Woche befanden sich das Welterbe-Sekretariat der UNESCO und das Ramsar-Sekretariat auf einer gemeinsamen “Advisory Mission“ am Neusiedler See. Ihr Ziel: sich vor Ort ein Bild von den umstrittenen Wasserzuleitungs-Plänen zu machen.

 

Zum aktuellen Wasserstand des Sees

Die Monate Mai und Juni brachten genügend Regen, im Gegensatz zu den Monaten Juli und August, in denen der See wieder an Höhe verlor. Der Wasserpegel am 1. September lag  bei 115,08 Metern über Adria und damit um 15 Zentimeter höher als letztes Jahr um diesselbe Zeit (Quelle: Hydrographischer Dienst Burgenland). Die „Task Force Neusiedler See“ unter der Leitung von Christian Seiler, beschäftigt sich mit einer möglichen Wasserzufuhr aus der Donau. Dies sehen Umweltschutzorganisationen wie der WWF sehr kritisch.

 

UNESCO und WWF auf Mission im See

Von 2. bis 5. Oktober 2023 befanden sich das Welterbe-Sekretariat der UNESCO und das Ramsar-Sekretariat auf einer gemeinsamen “Advisory Mission“ am Neusiedler See. Ihr Ziel: sich vor Ort ein Bild von den umstrittenen Wasserzuleitungs-Plänen zu machen.

Zu diesem Anlass warnt die Naturschutzorganisation WWF Österreich eindringlich vor den irreparablen Schäden einer künstlichen Zufuhr von Donauwasser in den Neusiedler See:

 

Eine Zuleitung von Fremdwasser würde den salzhaltigen See zusehends aussüßen und letztlich zum völligen Verlust des Salzes führen”,

 

warnt WWF-Naturschutzexperte Bernhard Kohler. “Die Aussüßung hat mit dem Bau des Einserkanals vor 100 Jahren begonnen und ist bereits gefährlich weit fortgeschritten. Mit jeder Ableitung über den Kanal hat der See große Mengen an Salz verloren. Eine Zuleitung von kalkhaltigem Donauwasser würde die Ausschwemmung beschleunigen und dem See den Rest geben.”

 

Salzgehalt des Sees verringert sich

Der Salzgehalt des Sees liegt heutzutage bei nur mehr 1-2 Gramm pro Liter. Vor dem Bau des Einserkanals wurden bis zu 16 Gramm gemessen – das entspricht etwa der halben Salzkonzentration des Atlantiks. “Fast alle Tier- und Pflanzenarten, die den Neusiedler See zu einem europaweit einmaligen Gewässer machen, benötigen einen gewissen Salzgehalt“, erklärt Kohler. “Außerdem wird der Neusiedler See mit der Zuleitung an Selbstreinigungskraft verlieren und es wird zu massiven Algen-Vermehrungen und zu einer beschleunigten Verschlammung und Verlandung des Sees kommen.

 

Umgang mit Wasser neu denken

Anstatt Donauwasser in den See zu leiten, bräuchte es laut WWF ein anderes Wassermanagement in der Region:

 

Hochwasser speichern statt ableiten

Hochwässer dürften nicht mehr im bisherigen Umfang abgeleitet werden. Dafür müssten die in der Vergangenheit abgetrennten, großen Überschwemmungsräume wieder an den See angebunden werden, da sie bei Hochwasser Reserven für Trockenzeiten speichern können. “Das ist besonders angesichts der Klimakrise notwendig. Sie führt nicht nur zu länger dauernden Dürreperioden, sondern auch zu stärkeren Hochwasserereignissen”, erklärt WWF-Experte Bernhard Kohler.

Das Wassermanagement müsse sich auf diese Entwicklung einstellen und in regenreichen Zeiten Vorräte bilden, um für regenarme Perioden gerüstet zu sein. Um mehr Wasser im See halten zu können, müssen aber auch die Seebäder hochwassersicher gemacht werden.

“Durch den Einserkanal sind dem See die Hochwässer und das Salz genommen worden. Es wird Zeit, ihm die natürlichen Hochwässer zurückzugeben und den Salzverlust zu stoppen, indem man auf Ableitungen weitgehend verzichtet”, sagt Kohler. “Die Lösung für die Wasserproblematik liegt in mehr Naturnähe, nicht in mehr Künstlichkeit.

 

Fehler der letzten 50 bis 60 Jahre machen sich nun bemerkbar

Neben dem Klimawandel mit Extremwetterereignissen wie Hagel, Starkregen und Trockenperioden machen sich laut dem Winzer Josef Umathum aus Frauenkirchen im Seewinkel nun auch die Fehler der letzten Jahrzehnte bemerkbar. „Da hat man jedes Eck irgendwie urbar gemacht, also die Sümpfe trockengelegt.“ Auf Flächen, wo sich früher Sümpfe befanden, stehen nun Häuser. Viele Bäume, Sträucher und ganzze Windschutzgütel mussten der Urbarmachung durch Menschen weichen. Dadurch verstärkte sich der Wind, der ungebremst über die Landschaft fegen kann und zum einen den Boden austrocknet und andererseits fruchtbare erde davontrage, was zu Bodenerosion führe. Daher plädiert Umathum für eine Aufforstung.

„Der Boden ist das Wichtigste. Das ist unser größtes Kapital“, erklärte der Winzer im APA-Interview. Wird der Boden zu oft bearbeitet, kann er „das Wasser nicht mehr aufnehmen und keine Energie speichern, die so wichtig wäre für die nächste Hitze- und Trockenperiode“, so Umathum weiter. Der Aufbau eines gesunden, CO₂- und wasserspeichernden Boden ist essentielle Aufgabe der Landwirte.

Der Winzer kann einer künstlichen Zuleitung von Wasser zum Neusiedlersee ebenfalls kaum etwas abgewinnen.

 

Hintergrund zur Ramsar-Konvention zum Schutz der Feuchtgebiete

Die Ramsar-Konvention ist ein internationales Abkommen zum Schutz der Feuchtgebiete, dem Österreich vor genau 40 Jahren beigetreten ist. Der Neusiedler See war das erste Feuchtgebiet, das Österreich im Zuge seines Beitritts nominiert hat und zu dessen Erhaltung und wohl ausgewogenen Nutzung sich die Republik und das Land Burgenland damals verpflichtet haben. Unter “wohl ausgewogener Nutzung” (“wise use”)  versteht die Ramsar-Konvention eine schonende Nutzung von Feuchtgebieten, die auf die ökologische Unversehrtheit der Gebiete achtet.

Erscheint die ökologische Integrität eines nominierten Feuchtgebiets gefährdet, so kann eine internationale Advisory Mission der Ramsar-Expert:innen veranlasst werden, die Empfehlungen für den verbesserten Schutz erteilt, oder sogar zum Verzicht auf Projekte rät, die das Gebiet in Gefahr bringen. Am Neusiedler See fand diese Woche von 2. bis 5. Oktober 2023 eine gemeinsame Mission des Ramsar- und des UNESCO-Welterbe-Sekretariats statt, weil beide Prädikate durch laufende und geplante Entwicklungen gefährdet sind.