Die Nudisten unter den Weinen

Sie sind roh, unverblümt, eigensinnig und haben keinerlei Anspruch, dem Mainstream-Schönheitsideal zu entsprechen. Sie werden geliebt oder gehasst – kalt lassen sie niemanden.

Schon einmal von Nude oder Natur-Weinen gehört?

 

Heute möchte ich euch einladen, eure gewohnten Geschmackswelten zu überflügeln, eure Komfortzone zu verlassen und einzutauchen in eine Welt des puren Weins – ungeschönt ohne Weichzeichner. Wein wie er ist.

 

Was ist Natur Wein?

Viele Menschen gehen davon aus, dass Wein per se ein Naturprodukt ist – er wird ja aus Trauben gemacht… das ist nicht falsch, aber eine sehr romantische Sicht der Dinge.

Klassische Weinproduktion bedient sich Enzymen, fügt Tannin zu oder entzieht es, setzt Säure, Zucker, Nährstoffe zu, sterilisiert, filtert, klärt, zeichnet weich – so viele Schönheitseingriffe. Würde man nach einer Botox-Behandlung auch noch von einer Naturschönheit sprechen?

Über 50 Stoffe dürfen zugesetzt werden, ohne am Etikett zu erscheinen, da Wein im EU-Recht als Genussmittel, nicht als Lebensmittel definiert ist. Das befreit ihn von der Pflicht, alle Zusatzstoffe auf dem Etikett anzuführen.

Schwefel ist die Ausnahme, denn er kann Allergien auslösen.

Der Begriff Naturwein, natural, raw oder naked wine, vino nudo, vin artisanal oder vin naturel unterliegt eigentlich keinem gesetzlichen Reglement.

Langläufig gehen wir aber von biologischer oder sogar biodynamischer Landwirtschaft, keiner Verwendung von Zusatzstoffen (außer Schwefel) und wenig Eingriff im Weinkeller aus. Tatsächlich ist das aber nur beim Winzer oder Weinhändler unseres Vertrauens festzustellen.

 

 

Ist Orange automatisch ein Naturwein?

Nein. Heißt aber nicht, dass er keiner sein kann.

Orange bezeichnet allein ein Verfahren, bei dem weiße Trauben so verarbeitet werden wie traditionellerweise Rotwein. Die Farbe, die sich daraus ergibt ist spektakulär und kann von Gold bis Purpur reichen.

Orangen finden sich darin übrigens keine.

 

Und Pet Nat?

Pétillant Naturel klingt schon himmlisch – die Bedeutung steht dem Wohlklang um nichts nach: Natürlich sprudelnd.

Es dreht sich also hier um naturbelassen schäumenden Wein. Das bedeutet, dass der gärende Traubensaft in der verschlossenen Flasche so lange vor sich hin gärt bis die Hefekulturen allen Zucker aufgegessen haben. Fertig!

Der Unterschied zu traditionellen Schaumweinen besteht darin, dass diese ein zweites Mal durch Zusatz von Hefe fermentiert werden.

 

Ich rate euch, den Sprung über den Schatten des Gewohnten zu wagen, denn er lohnt sich – auch wenn gewöhnungsbedürftig, so ist der geschmackliche, visuelle und olfaktorische Genuss, der übrigens oft nichts mit dem Eindruck, der sich am Gaumen bietet, zu tun hat, spektakulär und einzigartig.

Hab ich’s schon gesagt? Ich liebe das Pure – da ist der Wein nicht ausgeschlossen.💚