Wichtiger Schritt zur EU-Pestizidreduktion

Diese Woche dienstags hat der Ausschuss für Umweltfragen und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des Europäischen Parlaments hat FÜR die Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR – Sustainable Use Regulation) gestimmt. Damit stellte der Ausschuss die entscheidenden Weichen für die folgende Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments und den darauffolgenden Trilog aller EU Gremien. Diese Abstimmung ist von entscheidender Bedeutung, denn sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Der von EVP-Abgeordneten eingebrachte Antrag auf Zurückweisung des Gesetzesvorschlags fand klar keine Mehrheit.

 

Mehr als 1 Million Menschen haben mit der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ eine 80-prozentige Pestizidreduktion bis 2030 und einen kompletten Ausstieg aus chemisch-synthetischen Pestiziden bis 2035 gefordert. Als Antwort hat die EU-Kommission die verbindliche Halbierung des Pestizideinsatzes vorgeschlagen. Dieses Gesetz ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung Umweltschutz, Schutz der Gesundheit von Bürger*innen und Bäuer*innen sowie Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit unserer Landwirtschaft.

 

SUR schafft die Voraussetzung die Nahrungsmittelproduktion zu sichern und gleichzeitig die Biodiversität, Boden und Wasser zu schützen. „Das heutige Votum enthält auch Anträge für eine EU-weite Definition des biologischen Pflanzenschutzes, dessen Einsatz in sensiblen Gebieten, und die Beschleunigung der Zulassungsverfahren für die biologische Bekämpfungsmaßnahmen“ freute sich Jennifer Lewis, Geschäftsführerin des IBMA Global (Internationaler Verband der Hersteller Biologischer Pflanzenschutzmittel) am 24. Oktober, dem Tag der Abstimmung. Der Entwurf ermöglicht das Potenzial von Alternativen wie der biologischen Schädlingsbekämpfung besser zu nutzen. Mit biologischen Pflanzenschutzmitteln lassen sich Schädlinge und Krankheiten wirksam und umweltfreundlich bekämpfen.

 

Inhalt des SUR

Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für eine neue Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln angenommen, der EU-weite Zielvorgaben für die Verringerung des Einsatzes und der Risiken chemischer Pestizide um 50 % bis zum Jahr 2030 enthält und mit den EU-Strategien „vom Erzeuger zum Verbraucher“ (Farm-to-Fork) und „biologische Vielfalt“ (Biodiversity) im Einklang steht.

 

Der am 22. Juni 2022 angenommene Vorschlag ist Teil eines Maßnahmenpakets, mit dem der ökologische Fußabdruck des Lebensmittelsystems der EU verringert und die wirtschaftlichen Verluste, die wir bereits aufgrund des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt erleiden, gemildert werden sollen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

 

  • Rechtsverbindliche Ziele auf EU-Ebene, um den Einsatz und das Risiko chemischer Pestizide sowie den Einsatz der gefährlichsten Pestizide bis 2030 um 50 % zu reduzieren. Die Mitgliedstaaten werden ihre eigenen nationalen Reduktionsziele innerhalb bestimmter Parameter festlegen, um sicherzustellen, dass die EU-weiten Ziele erreicht werden.

 

  • Umweltverträgliche Schädlingsbekämpfung: Neue Maßnahmen werden dafür sorgen, dass alle Landwirte und andere professionelle Anwender von Pestiziden den integrierten Pflanzenschutz praktizieren (IPM). Dabei handelt es sich um ein umweltfreundliches System der Schädlingsbekämpfung, das sich auf die Vorbeugung von Schädlingen und dieVorrang für alternative Schädlingsbekämpfungsmethoden, wobei chemische Pestizide nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen.

 

  • Ein Verbot aller Pestizide in sensiblen Gebieten: Der Einsatz jeglicher Pestizide ist in städtischen Grünanlagen, einschließlich öffentlicher Parks oder Gärten, Spielplätzen, Erholungs- oder Sportplätzen, öffentlichen Wegen sowie in Schutzgebieten gemäß Natura 2000
    und allen ökologisch sensiblen Gebieten, die für bedrohte Bestäuber erhalten werden sollen.

 

Irreführender Indikator gefährdet Biolandwirtschaft

Der von der EU-Kommission zur Messung des Fortschritts bei der Pestizidreduktion vorgeschlagene Indikator ist grob fehlerhaft und irreführend, kritisieren GLOBAL 2000 und andere Umweltorganisationen.

„Der Mogel-Indikator der EU-Kommission schafft die Illusion einer Pestizidreduktion auf dem Papier, während Einsatz und Risiko von Pestiziden auf dem Feld sogar zunehmen können“, sagt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei GLOBAL 2000 und Sprecher von “Bienen und Bauern retten”.

 

Zwei konzeptionelle Fehler

Die irreführende Natur des Indikators ergibt sich aus zwei konzeptionellen Fehlern, die in einem diese Woche veröffentlichten 5-minütigen Video erläutert werden. Unter Verwendung von Verkaufszahlen aus den Niederlanden zeigt das Video, wie ein kürzliches EU-weites Verbot des bisher meistverkauften Pestizids zu einer illusorischen Pestizidreduktion von rund 60 % in nur einem Jahr führte – eine Reduktion, die nur auf dem Papier existiert, da der verbotene Wirkstoff umgehend durch Vergleichbare ersetzt wurde. Das Video zeigt auch, wie das fehlerhafte Messinstrument ein 8-fach höheres Risiko für ein bio-konformes „Niedrig-Risiko-Pestizid” (Backpulver) im Vergleich zu einem nachweislich gefährlichen Pestizid (Difenoconazol), das als Substitutionskandidat eingestuft ist, errechnet.

 

Korrektur dringend notwendig

Die Korrektur der konzeptionellen Fehler ist dringend notwendig, da der vorgeschlagene Indikator Anreize schafft, die den beiden Hauptzielen der Farm to Fork-Strategie zuwiderlaufen: der Reduktion von Pestiziden und der Ausweitung der Biolandwirtschaft.

 

„Bienen und Bauern retten“ und die europäische Bio-Bewegung appellieren an alle Entscheidungsträger:innen im Parlament und im Rat, kein Messinstrument zu verabschieden, das die Pestizidreduktionspläne der EU ad absurdum führen würde:

„Die Farm to Fork-Strategie und die Menschen in Europa verdienen einen transparenten und vernünftigen Indikator, der zuverlässige Informationen liefert.“

 

„Die Biolandwirtschaft hat großes Potenzial, den dringend notwendigen Übergang zu einer biodiversitäts- und klimafreundlichen Landwirtschaft zu unterstützen. Der derzeit vorgeschlagene Indikator zur Messung der Pestizidreduktion erweckt jedoch fälschlicherweise den Eindruck, dass die Biolandwirtschaft das Problem sei und nicht die giftigen synthetischen Pestizide. Dieser Indikator wird keine Anreize für eine Ausweitung der Biolandwirtschaft schaffen“, sagt Eric Gall, stellvertretender Direktor von IFOAM Organics Europe. „Als Dachverband für die europäischen Biolandwirschaft haben wir alle Mitgliedstaaten über dieses Problem informiert und eine Lösung vorgeschlagen. Nun liegt es an den Agrarminister*innen im Rat, die Mängel des Indikators entsprechend zu korrigieren.“