Steinmeier: Wegen des Klimawandels Lebensweise und Gewohnheiten ändern

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Sitz in Osnabrück verlieh vergangenen Sonntag in Lübeck den diesjährigen Deutschen Umweltpreis von insgesamt 500.000 Euro, eine der höchstdotierten Umweltauszeichnungen Europas. Überreicht wird der Preis von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Klimawissenschaftlerin Prof. Dr. Friederike Otto und Holzbau-Pionierin Dipl.-Ing. Dagmar Fritz-Kramer. Trotz verheerender Kriege wie in der Ukraine und Nahost „machen die beiden Preisträgerinnen Mut, nicht zu verzagen und Arten- sowie Umweltschutz anzupacken“, sagten DBU-Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Kai Niebert und DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Ein „klarer Kompass für Klimaschutz“ sei mehr denn je notwendig.

 

Die Gratulation für den „hoch angesehenen“ Preis sei zugleich „eine erneute Mahnung und Aufforderung an uns alle“, so Steinmeier in seiner Rede beim Festakt in der Musik- und Kongresshalle. „Wir müssen uns, unsere Gewohnheiten und unsere Lebensweise noch in vielem ändern, um der großen Herausforderung des Klimawandels gerecht zu werden“, sagte er.

 

Bundespräsident: Kampf gegen Klimawandel muss weiter ganz oben auf der politischen Prioritätenliste bleiben

Steinmeiers Forderung: „Der Kampf gegen den Klimawandel darf nicht von seinem Platz ganz oben auf der politischen Prioritätenliste verdrängt werden“ – auch wenn nun „neue Bedrängnisse im Osten Europas oder im Nahen Osten“ hinzugekommen seien. In den kommenden Jahren werde zwar „eine enorme Kraftanstrengung“ erforderlich sein. „Aber die gute Nachricht ist: Wir haben es selber in der Hand – wir alle, jede und jeder Einzelne in unserem Alltag“, sagte das Staatsoberhaupt.

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde sagte, man müsse den vielen Krisen der Zeit trotzen und nicht in Verzweiflung geraten.

„Denn Panik ist ein schlechter Motor für Veränderung“, so Bonde.

Wie Steinmeier rief der DBU-Generalsekretär zum Handeln auf, um zu zeigen, „dass wir diese Krisen lösen und bekämpfen können – nicht mit einem ,Weiter so‘ wie bisher, sondern für eine Kurskorrektur mit aller Kraft und Energie“. Nach den Worten des Bundespräsidenten stehen „die Länder der Welt“ auf der in Dubai bald beginnenden 28. Weltklimakonferenz „in der Pflicht, mit ambitionierten Maßnahmen alles Menschenmögliche zu unternehmen, um der menschlichen Zivilisation inklusive Flora und Fauna im besten Sinn des Wortes Luft zum Atmen zu verschaffen.“

 

https://news.pro.earth/2023/09/28/was-wird-der-klimagipfel-in-dubai-bringen/

 

Gefahr fürs Schelfeis und drohende Klima-Kipppunkte

Jüngste Studien bestätigen Nieberts und Bondes Aufruf: So kommt eine Untersuchung des Polarforschungsprogramms Großbritanniens zum Schluss, dass das Schelfeis in der westantarktischen Amundsensee komplett abschmelzen könnte – selbst bei Erreichen des sogenannten 1,5-Grad-Ziels. Zudem warnt ein Bericht der Vereinten Nationen vor irreversiblen Klima-Kipppunkten. Als Schlüsselrisiken werden – neben der Gletscherschmelze – unter anderem Artensterben, Dürren, Wassermangel und Weltraumschrott genannt.

 

Niebert: Nicht nachlassen bei Nachhaltigkeit und Transformation

Bonde verband damit seinen Appell, Klima- und Biodiversitätskrise „als gemeinsames Aufgaben-Paket zu begreifen. Beides ist untrennbar miteinander verbunden.“ Der DBU-Generalsekretär erneuerte seine Forderung vom Vortag auf einem DBU-Symposium zum Thema: „Eine naturverträgliche Ökonomie muss Standard werden.“

Bonde: „Was Wirtschaft leisten kann, stellt Baufritz-Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer Tag für Tag unter Beweis.“ DBU-Kuratoriumsvorsitzender Niebert mahnte angesichts der weltweit wütenden Kriege, „dass wir nicht in Panik und Angst verfallen. Der Weg zur Nachhaltigkeit und Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist keine Schönwetterpolitik. Wir dürfen hier nicht nachlassen und müssen auch in größten Krisen handlungsfähig bleiben.“ Ottos Arbeit sei dafür „enorm wichtig“.

 

Deutscher Umweltpreis der DBU für „zwei außergewöhnliche Frauen“

In seiner Festakt-Rede nannte Steinmeier Friederike Otto und Dagmar Fritz-Kramer „zwei außergewöhnliche Frauen“, die beide auf jeweils unverwechselbare Weise „mit Engagement und Überzeugung“ die Folgen des Klimawandels bekämpfen. Fritz-Kramer zeichne „jener gute Eigensinn“ aus, „der im besten Sinn der Wissenschaft durch Ausprobieren und Erfahrung immer noch klüger macht“. Klimawissenschaftlerin Otto wiederum wirke wie eine „Klima-Profilerin“ auf der Suche nach der Rolle des Klimawandels bei Extremwetter wie Stürme, Überflutungen, Hitze oder Dürren, sagte Steinmeier in Anspielung auf die in True-Crime-Serien nach Zusammenhängen und Tathergängen forschenden Ermittler. Wir haben die beiden Preisträgerinnen bereits näher vorgestellt.

 

https://news.pro.earth/2023/09/11/klimaforscherin-und-holzbau-pionierin-erhalten-deutschen-umweltpreis/

 

„Kreislaufwirtschaft pur“ und die Rettung von Menschenleben

Steinmeier wies auf ein akutes Dilemma des Bausektors hin: Wenn es inzwischen etwas nicht mehr gebe „wie Sand am Meer“, dann sei das ausgerechnet Sand – bedingt durch den enormen Verbrauch für Beton und andere herkömmliche Baumaterialien. Der Bundespräsident: „Wir haben unsere Behausungen und Städte auf Sand gebaut und können das nicht endlos fortsetzen.“

Fritz-Kramer habe mit ihrem Betrieb nicht nur ökologisch-nachhaltige sowie ästhetisch attraktive vorgefertigte Häuser und Bausysteme entwickelt, sondern biete auch Recycling an. Steinmeier: „Kreislaufwirtschaft pur, sozusagen.“ Holz sei ein wunderbarer Rohstoff, so Steinmeier. „Als Sohn eines Tischlers“ dürfe er das sagen.

Friederike Otto habe sich mit dem WWA-Team durch Echtzeit-Informationen über Zusammenhänge von Klimawandel und Extremwetter große Verdienste erworben. Sie helfe, „den häufig in die Welt gesetzten Fake News über aktuelle Wetterphänomene überprüfbare wissenschaftliche Fakten entgegenzusetzen“, so das Staatsoberhaupt. Und: Ottos Arbeit erlaube Voraussagen, an welchen Orten aufgrund des Klimawandels Extremwetter drohe – und ermögliche dadurch Präventions- und Vorbeugungsmaßnahmen, „die Menschenleben retten können“, sagte Steinmeier.

 

Hintergrund:

Mit dem 2023 zum 31. Mal verliehenen Deutschen Umweltpreis der DBU werden Leistungen von Menschen ausgezeichnet, die vorbildlich zum Schutz und Erhalt der Umwelt beitragen. Kandidatinnen und Kandidaten werden der DBU vorgeschlagen. Berechtigt dazu sind etwa Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt- und Naturschutzverbände, wissenschaftliche Vereinigungen und Forschungsgemeinschaften, Medien, das Handwerk und Wirtschaftsverbände. Selbstvorschläge sind nicht möglich. Eine vom DBU-Kuratorium ernannte Jury unabhängiger Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und gesellschaftlichen Gruppen empfiehlt dem DBU-Kuratorium Preisträgerinnen und Preisträger für das jeweilige Jahr. Das DBU-Kuratorium fällt die endgültige Entscheidung. Infos zum Deutschen Umweltpreis und Ausgezeichneten: https://www.dbu.de/umweltpreis sowie https://www.dbu.de/umweltpreis-blog/

 

 

Bild ©️ Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)