Vogel des Jahres 2024: Die Grauammer
Neun von zehn Grauammern sind in den letzten 25 Jahren verschwunden. Der Agrarlandvogel steht vor dem Aussterben. Intensive Landwirtschaft, fehlende Brachen und Feldraine sowie der massive Einsatz von Pestiziden verursachen diese Negativentwicklung. Daher kürt die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich die Grauammer (Emberiza calandra) zum Vogel des Jahres 2024.
Der Brutbestand der Grauammer erlitt in den letzten 25 Jahren einen massiven Niedergang:
Von 1998 bis 2022 brach der Bestandsindex der unauffällig grau und braun gestrichelten Ammer um 95 Prozent ein (Quelle: Brutvogelmonitoring 2022, https://www.birdlife.at/page/monitoring-der-brutvogel). Das ist der stärkste Rückgang aller im Monitoring ausgewerteten Vogelarten. Der aktuelle Brutbestand dürfte sich auf weniger als 500 Reviere belaufen, weiß Michael Dvorak, wissenschaftlicher Mitarbeiter von BirdLife Österreich: „Möglicherweise liegt er sogar deutlich unter diesem Wert!“
Verbreitungsinseln innerhalb Österreichs
Als Brutvogel der pannonischen Klimaregion brütet die Grauammer in kleinen Verbreitungsinseln im östlichen Weinviertel (NÖ), im Marchfeld (NÖ), auf der Parndorfer Platte (Burgenland) und im Neusiedler See-Gebiet (Burgenland). Das österreichweit bedeutendste Brutgebiet ist der Hanság (Burgenland): 2022 wurden hier 50 Reviere kartiert. Abseits dieser Gebiete ist die Grauammer im gesamten Bundesgebiet bis auf einzelne, kleine Reliktvorkommen verschwunden.
Sind diese Brachen weg, ist auch die Grauammer weg!
Dieser massive Bestandseinbruch korreliert signifikant – sowohl in Österreich als auch in anderen Teilen Mitteleuropas – mit der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung, die in zahlreichen Studien als Hauptfaktor für die Abnahme von Agrarlandvogelarten identifiziert wurde. Die artenreichen Brachflächen nehmen hierbei über das gesamte Jahr gesehen eine positive Schlüsselposition als Nahrungsquelle und Niststandort ein.
Foto ©️ Birdlife/Michael Dvorak
„Als ehemaliger Charaktervogel der offenen, extensiven Agrarlandschaft benötigt die Grauammer einen gewissen Anteil an ungenutzten Flächen. Solche Brach- oder Ruderalflächen sollten zumindest zehn Prozent der Fläche ausmachen, damit sich eine lebensfähige Grauammer-Population halten kann. Sind diese Brachen weg, ist auch die Grauammer weg!“, stellt Dvorak klar.
Der Erhalt jener temporär aus der wirtschaftlichen Nutzung entnommen Flächen sowie der vollständig unbewirtschafteten Feldraine, Grabenränder oder Grundstücksgrenzen könnte das Aussterben des Jahresvogels 2024 noch verhindern.
Rückblick und Hoffnungsschimmer
„Es zeigt sich, dass die Grauammer in den Perioden mit höheren, bis zu zehnprozentigen EUweiten Stilllegungsquoten, wie es bis Ende der 1990er-Jahre der Fall war, sehr viel höhere Populationsdichten erreichte“, so der Ornithologe. Erfreulicherweise nehmen die Brachen
auch durch Fördermaßnahmen des neuen Österreichischen Agrarumweltprogramms wieder etwas zu.
Titelfoto und unterstes Foto ©️ Birdlife/ Anita Hombauer