Aktualisierte Rote Liste: Mehr als ein Viertel aller Arten bedroht

Es gibt schlechte Nachrichten für Umwelt- und Klimaschutz: Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat die Rote Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten aktualisiert und kommt zum Schluss, dass mehr Arten bedroht sind, als bisher gedacht, insgesamt sogar 25 Prozent. Davon sind Amphibien und Süßwasserfische besonders bedroht. WWF fordert ambitionierteren Natur- und Klimaschutz.

 

Die Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) schlägt angesichts der heute bei der Klimakonferenz COP28 in Dubai veröffentlichten Aktualisierung der internationalen Roten Liste bedrohter Tier- und Pflanzenarten Alarm. Die Weltnaturschutzunion stuft darin 44.016 von 157.190 erfassten Arten in unterschiedlichen Kategorien als bedroht ein.

 

“Dass mehr als ein Viertel der weltweiten Arten bedroht sind, ist ein Zeugnis für den dramatischen Zustand unseres Planeten. Wir müssen unsere letzten verbleibenden Naturräume dringend besser schützen und endlich wirksame Maßnahmen gegen die Klimakrise beschließen”, fordert Georg Scattolin, Leiter des internationalen Programms beim WWF Österreich.

 

Das Update der Roten Liste zeigt dieses Jahr ein besorgniserregendes Ausmaß von gefährdeten Amphibien und Süßwasserfischen: 25 Prozent aller Arten von Süßwasserfischen weltweit sind demnach bedroht.

 

“Der Rückgang dieser Arten ist eine deutliche Folge der massiven Zerstörung ihrer Lebensräume – insbesondere Flüsse und Feuchtgebiete sind durch Verbauung stark gefährdet”, erklärt Scattolin und verweist darauf, dass weltweit nur mehr ein Drittel der großen Flüsse frei fließen kann – der Großteil ist durch Dämme unterbrochen.

 

Zusammenhang zwischen Klimakrise und Artensterben

Außerdem zeigt sich der Zusammenhang zwischen Klimakrise und Artensterben immer deutlicher:

  • Für 39 Prozent aller Amphibienarten ist die Klimakrise mittlerweile die größte Bedrohung.
  • 17 Prozent der Süßwasserfische leiden bereits unter der Erderhitzung.

 

„Der Klimawandel bedroht die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten und untergräbt die Fähigkeit der Natur, die menschlichen Grundbedürfnisse zu erfüllen“, sagte Dr. Grethel Aguilar, Generaldirektorin der IUCN. „Diese Aktualisierung der Roten Liste der IUCN verdeutlicht die enge Verbindung zwischen der Klima- und der Biodiversitätskrise, die gemeinsam angegangen werden müssen. Das Artensterben ist ein Beispiel für die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels, die wir mit dringenden, ehrgeizigen Maßnahmen aufhalten können, um die Erwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.“

 

Süßwasserökosysteme unter Druck

Mindestens 17 % der bedrohten Süßwasserfischarten sind vom Klimawandel betroffen, u. a. durch sinkende Wasserstände, den Anstieg des Meeresspiegels, der das Meerwasser in die Flüsse treibt, und die Verschiebung der Jahreszeiten. Hinzu kommen die Bedrohungen durch Verschmutzung, von der 57 % der vom Aussterben bedrohten Süßwasserfischarten betroffen sind, Dämme und Wasserentnahme, von denen 45 % betroffen sind, Überfischung, die 25 % bedroht, sowie invasive Arten und Krankheiten, die 33 % schädigen.

 

„Süßwasserfische machen mehr als die Hälfte der weltweit bekannten Fischarten aus – eine unbegreifliche Vielfalt, wenn man bedenkt, dass Süßwasserökosysteme nur 1 % des aquatischen Lebensraums ausmachen. Diese vielfältigen Arten sind ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems und entscheidend für dessen Widerstandsfähigkeit. Dies ist für die Milliarden von Menschen, die auf Süßwasserökosysteme angewiesen sind, und die Millionen von Menschen, die von deren Fischerei abhängen, von entscheidender Bedeutung. Die Sicherstellung, dass Süßwasserökosysteme gut bewirtschaftet werden, frei fließend bleiben und über ausreichend Wasser und eine gute Wasserqualität verfügen, ist von entscheidender Bedeutung, um den Rückgang der Arten zu stoppen und die Ernährungssicherheit, den Lebensunterhalt und die Wirtschaft in einer klimaresistenten Welt aufrechtzuerhalten“, sagte Kathy Hughes, Ko-Vorsitzende der IUCN SSC-Fachgruppe Süßwasserfische.

 

Der WWF Österreich fordert angesichts der Ergebnisse einen ambitionierteren Natur- und Klimaschutz: “Wir müssen unsere letzten verbleibenden Naturjuwele dringend erhalten – und insbesondere den massiven Flächenfraß stoppen. Denn eine intakte und vielfältige Natur ist unsere beste Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise und das weltweite Artensterben”, sagt Scattolin. Wo möglich, müssen daher bereits zerstörte Naturräume dringend wiederhergestellt werden.

 

Rückgang seltener Holzarten

Eine deutliche Zunahme verzeichnet auch die Liste an selten gewordenen Baumarten – vor allem begehrte Holzlieferanten, wie die amerikanische Mahagoni, sind bedroht. Ihr Bestand ist in den letzten 180 Jahren um 60 Prozent zurückgegangen.

„Bei der diesjährigen Aktualisierung der IUCN wurden Tausende von Bäumen in die Rote Liste der IUCN aufgenommen, darunter viele Holzarten. Diese Bäume sind oft Schlüsselarten in Wäldern und wichtig für die nationale und lokale Wirtschaft. Oft sind sie jedoch durch nicht nachhaltige Abholzung vom Aussterben bedroht.“, sagte Megan Barstow, Naturschutzbeauftragte bei Botanic Gardens Conservation International.

“Regenwälder sind wahre Schatzkammern der Artenvielfalt und zudem wichtige Kohlenstoffspeicher. Wir müssen sie besonders vor der Ausbeutung und Zerstörung bewahren – etwa durch ein starkes EU-Waldschutzgesetz“, sagt Georg Scattolin vom WWF Österreich.

 

Hintergrund


Die Rote Liste ist ein Indikator für den Zustand der Biodiversität. Herausgegeben wird die Rote Liste in regelmäßigen Abständen von der Weltnaturschutzunion IUCN. Für die Erstellung Roter Listen werten Experten auf wissenschaftlichen Grundlagen alle relevanten und zugänglichen Daten aus. Die internationale Rote Liste gefährdeter Arten gibt es seit 1963, seitdem wird sie ständig aktualisiert. Herausgeberin ist die Weltnaturschutzunion IUCN. Das ist das größte und älteste Netzwerk für weltweiten Naturschutz. Als Dachverband bringt die IUCN Ministerien und Behörden, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler aus mehr als 160 Staaten zusammen.

 

Aktuelle Pressemitteilung IUCN