„Die erste Generation, die einen nachhaltigen Planeten schaffen kann“

So lautet der Untertitel eines neuen Buchs von Klimaexpertin und Statistikerin in Oxford, Hanna Ritchie. Der Titel lautet „Not the End of the World“ , will den Blick auf die guten Aspekte in der Klimakrise lenken und diese mit Daten untermauern. „Durch die Kombination von wissenschaftlichem Fachwissen und überzeugenden Statistiken bietet die Forscherin aus Oxford ein Gegenmittel gegen Schwarzmaler, die nichts tun“, fasst Kirkus Reviews die Grundaussage des Buches zusammen. Im Deutschen wird das Buch diesen März erscheinen.

 

„Als ich noch ein Teenager war, dachte ich, dass die meisten von uns an den Folgen des Klimawandels sterben würden.“

Hannah Ritchie

 

 

Die Arbeit mit Daten und Fakten hat die Autorin allerdings gelehrt, dass es mehr Gründe zur Hoffnung als zur Verzweiflung über den Klimawandel gibt – und warum eine wirklich nachhaltige Welt bereits recht nahe ist. Ritchie ist leitende Forscherin bei der bahnbrechenden Website Our World in Data, die von der Universität Oxford betrieben wird.

 

Ritchie war mit ihrer anfänglichen Unwissenheit nicht allein. In der Gapminder Misconception Study 2017 wurden der Öffentlichkeit in 14 Ländern 12 Schlüsselfragen gestellt, eine davon war:

Wie hat sich die Zahl der jährlichen Todesfälle durch Naturkatastrophen in den letzten 100 Jahren verändert?

a) Mehr als verdoppelt
b) ist mehr oder weniger gleich geblieben
c) Auf weniger als die Hälfte gesunken

Nur 10 % gaben die richtige Antwort: c). Die beliebteste Antwort, 48 % der Stimmen, war a).

 

Wir kommen dem richtigen Pfad immer näher und näher

Im Interview mit TheGuardian sagt die Datenexpertin: „Mein Blickwinkel änderte sich schnell, nachdem ich die Daten und nicht die Schlagzeilen studiert hatte. Ich konzentrierte mich nicht darauf, wo wir heute stehen, sondern auf das Tempo, mit dem sich die Dinge in den letzten Jahren entwickelt haben, und was das für die Zukunft bedeutet. Eine Organisation – der Climate Action Tracker – verfolgt die Klimapolitik eines jeden Landes sowie dessen Zusagen und Ziele. Sie kombiniert sie alle, um zu zeigen, was mit dem globalen Klima passieren wird. Bei Our World in Data skizziere ich diese zukünftigen Klimapfade und aktualisiere sie jedes Jahr. Jedes Mal kommen sie den Pfaden, die wir einschlagen müssten, um unter 2°C zu bleiben, näher und näher.“

 

Blick auf die Welt durch Hans Rosling verändert

Besonders ihre Auseinandersetzung mit dem schwedischen Gesundheitsexperten Hans Rosling hat ihren Blick auf die Welt nachhaltig verändert. Der 2017 verstorbene Rosling gehörte neben dem Kognitionspsychologen Steven Pinker zu den so genannten „großen Optimisten“. Wie Pinker versuchte er, einen Kontrapunkt zu dem schleichenden Gefühl der globalen Untergangsstimmung zu setzen – was er als „überdramatische Weltsicht“ bezeichnete -, das viele von uns in den letzten Jahrzehnten überkommen hat. Er argumentierte mit vielen guten Beweisen, dass die Armut zurückgeht, dass sich die globale Gesundheit verbessert und dass viele der Dinge, von denen wir dachten, dass sie mit dem Planeten nicht in Ordnung sind, tatsächlich in Ordnung sind. Rosling war bis zu seinem Tod der wohl bekannteste Wissenschafter Schwedens.

„Wir haben ein verzerrtes Bild der Welt. Wenn wir etwas nicht wissen, tippen wir auf die schlechteste Möglichkeit“

 Hans Rosling

Das posthum erschienene Buch „Factfulness“, das sein Sohn und dessen Ehefrau zu Ende führten, ist ein Plädoyer für den Fortschritt und für die heilende Wirkung fundierter Fakten.

 

Die Energiewende passiert vielfach hinter den Kulissen

„Die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen solche Katastrophen. Aber was häufig übersehen wird, ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge jetzt schon verändern. Vieles findet quasi hinter den Kulissen statt, denn ein großer Teil der Menschen kennt die Daten nicht, die zeigen, wie schnell die Energiewende voranschreitet. China ist ein gutes Beispiel. Das Land wird allein in diesem Jahr so viele Sonnen- und Windenergiesysteme installieren, dass sich damit das gesamte Stromnetz Großbritanniens betreiben ließe. In einem einzigen Jahr! Das Tempo des Wandels hat erheblich zugenommen.“ meint Ritchie in ihrer Erklärunng, warum sie mittlerweile optimistisch gestimmt ist, was unsere Zukunft betrifft.

 

„Wenn wir einige Schritte zurückgehen, können wir etwas wirklich Radikales, Spielveränderndes und Lebensspendendes erkennen: Die Menschheit ist in einer wirklich einzigartigen Position, um eine nachhaltige Welt aufzubauen.“

schreibt sie in ihrem Buch

 

Zum Ausbau von erneuerbaren Energien versus fossilen Kraftwerken erklärt Ritchie im Interview mit DerStandard: „Der Bau von Solar- und Windkraftanlagen schreitet aber viel schneller voran. Sie sind pro Energieeinheit zwar günstiger als fossile Kraftwerke, aber die Vorlaufkosten sind bei erneuerbaren Energien höher. Wenn Sie eine Wind- oder Solaranlage bauen, fallen fast alle Kosten im Voraus an, dafür läuft das Ding fast kostenlos, wenn es erst einmal installiert ist. Das ist ein Problem für einkommensschwache Staaten.“

 

Buchkritiker nicht überzeugt von soviel Optimismus

In seiner Buchrezension sieht der TheGuardian-Kolumnist John Crace auch Schwachpunkte des Buches, indem er schreibt: „Sie geht nicht auf die Dinge ein, die mich nachts wirklich wach halten: die innenpolitischen und geopolitischen Hindernisse sowie die angeborenen Voreingenommenheiten und Eigenheiten unseres Gehirns, die zusammengenommen dazu führen, dass Umweltfragen so schwer zu lösen sind. Wir wissen heute, dass der Mensch nicht gerne etwas aufgibt; wir haben Angst, das zu verlieren, was wir bereits haben, und wir haben Angst vor Veränderungen. Wir sind brillant darin, Dinge zu erfinden und große Sprünge in der Vorstellungskraft zu machen, aber wir sind schrecklich darin, in die Zukunft zu schauen und die mit diesen Erfindungen verbundenen Risiken zu verstehen.“

 

Am Ende seiner Kolumne schreibt er meiner Ansicht nach sehr weise Worte, indem er meint, dass wir beides benötigen: Optimisten wie Ritchie, die sich sicher sind, dass wir das Blatt wenden und eine enkeltaugliche Welt schaffen können. Andererseits auch Pessimisten wie Klimaexpert:innen, Journalist:innen und Aktivist:innen mit ihren eindringlichen Warnungen und roten Fahnen, diejenigen, die laut Rosling eine „überdramatische Weltsicht“ haben.

 

Ritchie hält nichts von reißerischen Berichten und Schwarzmalerei

Die Buchautorin und Forscherin hat scharfe Worte für Journalisten, die auf der Suche nach einer reißerischen Schlagzeile ein paar Zeilen aus einem detaillierten wissenschaftlichen Bericht aus dem Zusammenhang reißen, und für jene Menschen, die scheinbar entschlossen sind, das Schlimmste zu glauben. „Schwarzmaler sind nicht an Lösungen interessiert“, sagt sie. „Sie haben bereits aufgegeben. Sie versuchen oft, sich ihnen in den Weg zu stellen“. Ignorieren Sie sie, empfiehlt Ritchie, und machen Sie sich stattdessen an die Arbeit. Ein Aufruf an uns alle und besonders an Medien, Fakten und Daten sprechen zu lassen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Bücher:

Hans Rosling/ Anna Rosling Rönnl/ Ola Rosling: „Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“
Übersetzt von Hans Freundl, Hans-Peter Remmler und Albrecht Schreiber
Ullstein, Berlin 2018
Hannah Ritchie: „Not the end of the world: How we can be the first generation to biuld a sustaiable planet“
Herausgeber: Little, Brown Spark (Im Deutschen erhältlich ab März 2024)