Innovative Photovoltaik-Technik im Hochgebirge liefert 40 Prozent mehr Sonnenenergie

Seit Dezember 2023 testen die Bergbahnen Sölden am Tiefenbachgletscher auf 2.850 m eine neue Lösung zum Erzeugen von Sonnenenergie. Das Besondere an dem in Tirol entwickelten System: Immer schneefrei, ein 40 % höherer Energieertrag als bei Anlagen im Tal verbunden mit weniger Aufwand beim Errichten sowie im laufenden Betrieb. Erfüllen sich die Erwartungen, plant das Ötztaler Seilbahnunternehmen das Projekt deutlich auszuweiten. Damit ließe sich rund ein Drittel des anfallenden Strombedarfs der Bergbahnen Sölden direkt vor Ort abdecken. 

 

Foto: HELIOPLANT®

 

„Was ist denn das?“ Viele Wintersportler:innen in Sölden zeigen sich aktuell verwundert, wenn ihr Blick auf die Testanlage von HELIOPLANT® fällt. „Durchaus berechtigt, wenn die Menschen zum ersten Mal unseren kleinen ‚Kraftwerkswald‘ zu Gesicht bekommen“, erklärt Projektleiter Eberhard Schultes von den Bergbahnen Sölden. Denn anders als bei bekannten Anlagen im Tal sind die Module auf dem Berg vertikal angebracht.

Das von der Natur inspirierte baumähnliche Design eröffnet einiges an Vorteilen:

  • Die Konstruktion bleibt selbst bei intensiven Niederschlägen im Hochwinter schneefrei,
  • verbraucht weniger Fläche und
  • fügt sich besser ins Landschaftsbild ein.

 

Dies überzeugte auch die Verantwortlichen der Bergbahnen Sölden für den Versuch in der laufenden Wintersaison. „Damit sammeln wir wichtige Erfahrungen und können abschätzen, ob sich dieses System auch für einen größeren Einsatz eignet. Zudem gilt es, uns in Sachen Energie weiterzuentwickeln und uns unabhängiger zu machen“, so Philipp Falkner, Prokurist der Bergbahnen Sölden, über die Beweggründe für das Testfeld. Ein möglicher Ausbau kann ohne aufwändige Maßnahmen realisiert werden, denn die notwendige Infrastruktur wie Bauwege, Stromleitungsnetz und Trafostationen zum Einspeisen der vor Ort erzeugten Energie sind am geplanten Standort bereits vorhanden.

 

Foto: HELIOPLANT®

 

Effizientes Sonnenkraftwerk im Skigebiet

„Die Idee auf Sonnenkraft zu setzen, gab es schon länger. Allerdings hatten wir Bedenken bei der Praxistauglichkeit bekannter Anlagen. Denn in der Zeit, in der wir als Skigebietsbetreiber am meisten Strom benötigen, liegt meistens viel Schnee auf den Dächern, was die Wirksamkeit der Photovoltaik sehr einschränkt“, erläutert Eberhard Schultes. Mit der Entwicklung des patentierten HELIOPLANT®-Systems tritt ein fächerübergreifendes Tiroler Experten-Team den Gegenbeweis an und ebnet den Weg für eine effiziente Energieerzeugung im Hochgebirge.

  • Die Kreuzstruktur der Module verhindert Schneeablagerungen.
  • Durch doppelseitige Photovoltaik-Elemente steigert sich der Energieertrag. Zudem lässt sich die Installation wesentlich flexibler und kostengünstiger gestalten als herkömmliche Linienanlagen.
  • Weiterer Pluspunkt: Durch die exponierte Lage auf 2.850 m Seehöhe ergibt sich ein Mehrertrag von 40 Prozent gegenüber dem Tal. Ausschlaggebende Faktoren dafür sind tiefe Temperaturen, hohe Sonneneinstrahlung, klare Luft und die Reflexionen durch eine lange währende Schneedecke.
  • Ein HELIOPLANT®-Element leistet ca. 7,2 kWp, was etwa dem Output von 12 Balkonkraftwerken à 600 Watt entspricht.

 

Foto: Bergbahnen Sölden / Christoph Nösig

Premiere in Sölden

Das Testfeld am Tiefenbachgletscher im hinteren Ötztal bedeutet auch für den Hersteller eine Premiere. Erstmals kommt die innovative Technik von HELIOPLANT® in einem Skigebiet zum Einsatz. Eine weitere Versuchsanlage existiert derzeit nur am Schweizer Simplonpass. Dass dabei nicht allein der Nachhaltigkeitsaspekt motiviert, räumt Projektleiter Eberhard Schultes ein: „Natürlich sind die hohen Strompreise auch ausschlaggebend darüber nachzudenken, wie wir Energie selbst erzeugen können. Schlussendlich ist es sinnvoll die Energie dort zu produzieren, wo sie verbraucht wird.“

 

Welche Folgen hat der Ausbau von Solarenergie in Hochgebirge?

Auch in der Schweiz wird der Ausbau von Solarkraftwerken im Hochgebirge vorangetrieben. Dies hat damit zu tun, dass das Hochgebirge gerade in den Wintermonaten mehr Sonnenstunden und somit ein höheres Produktionspotential aufweist als tiefere Lagen. Allerdings ist es sehr fraglich, inwieweit es Sinn macht, die letzten unberührten alpinen Freiräume für die Solarproduktion freizugeben, erklärte Mountain Wilderness Schweiz bereits im vergangenen September, nachdem der Schweizer Ständerat eine entsprechende Gesetzesvorlage durchgewinkt hat.

 

Für eine wildnisverträgliche Energiewende

„Aus Sicht von Mountain Wilderness Schweiz ist die Überbauung wilder und unerschlossener Gebirgsräume höchst problematisch. Es sind die letzten grossflächigen Rückzugsräume für viele Tier- und Pflanzenarten, in ihnen kann sich die Natur frei entwickeln. Diese Räume sind von unschätzbarem Wert und müssen deshalb geschützt werden. Auch für uns Menschen haben diese Landschaften eine grosse Bedeutung, die verloren geht, wenn sie als Solar- oder Wasserkraftwerke industrialisiert werden.“ schreibt Mountain Wilderness Schweiz dazu und plädiert für eine wildnisverträgliche Energiewende.

 

Hoher Aufwand

Großanlagen im Hochgebirge bedeuten auch eine entsprechende Infrastruktur mit Wegenetz, Stromleitungen und vielem mehr. So wurde beispielsweise auf der Staudammmauer am Muttsee in der Schweiz das bis dato (NZZ, Stand 3.9.2021) größte Solarprojekt im Schweizer Hochgebirge, das 740 Vierpersonenhaushalte versorgen soll, errichtet.

Dafür war eine Stahlunterkonstruktion notwendig, auf die die Paneele geschraubt wurden. Allein dafür mussten laut NZZ 170 Tonnen Stahl und 100 Tonnen Aluminium mit dem Helikopter hochgeflogen werden. Auf anderen Baustellen kommen neben Helikoptern auch Bagger und LKWs zum Einsatz. Und auch die Arbeiter müssen irgendwie zur Baustelle transportiert werden.

Es ist ein logistisch sehr hoher Aufwand mit Anlagen im Hochgebirge verbunden. Der um 50% höhere Ertrag hochalpiner Solarproduktion soll diese Nachteile ausgleichen.

 

Klimawandel-Hotspot Alpen

Die Alpen sind ein Klimawandel-Hotspot. Die Veränderungen dadurch sind massiv. Dieses sensible Ökosystem wird momentan gleich durch mehrere Aspekte stark unter Druck gesetzt. Zu diesem Thema findet man bei uns bereits einige interessante Artikel. Neben der Erderwärmung findet ein Ausbau der Tourismusinfrastruktur in immer höhere und abgelegenere Bereiche statt und zusätzlich auch die Erschließung für Energieprojekte.

Klimawandel in den Alpen