Update zu EU-Lieferkettengesetz: Votum vertagt

Um das EU-Lieferkettengesetz, dessen Annahme eigentlich nur mehr ein Formalakt sein sollte, hat sich ein Krimi entwickelt. Die gestrige Abstimmung wurde durch die angekündigte Enthaltung der deutschen Kleinstpartei FDP zugunsten der Profite einiger großer Konzerne und weniger rückwärtsgewandter Wirtschaftsverbände sabotiert. Auch der österreichische Wirtschaftsminister Kocher wollte sich bei der Abstimmung enthalten, was einer Blockade gleichkäme. Im letzten Moment hat der belgische Ratsvorsitz die Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz im Ausschuss der Ständigen Vertreter gestern auf den 14. Februar vertagt. 

 

Das EU-Lieferkettengesetz (eigentlich Sorgfaltspflicht-Richtlinie „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD) ) soll dafür sorgen, dass Firmen die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnerunternehmen in der Wertschöpfungskette überwachen. Dazu zählen etwa Lieferanten, Vertriebspartner, Transportunternehmen, Lagerdienstleister, aber auch die Abfallwirtschaft. Die Regelung soll für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten. Firmen aus Nicht-EU-Ländern werden in die Verantwortung genommen, wenn sie einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro in der EU erzielen.  In der Textilbranche, Agrarwirtschaft und Lebensmittelindustrie – sie werden als Risikosektoren zusammengefasst –  sollen auch Betriebe ab 250 Beschäftigten einbezogen werden.

Ausgenommen sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und auch für den Finanzsektor gibt es weitreichende Ausnahmen – er soll zunächst von dem Lieferkettengesetz ausgeschlossen sein, hier soll aber noch nachjustiert werden können.

 

Es braucht eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedsstaaten bzw. 15 von 27 oder Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung abbilden) im Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten, um den Textentwurf, der viele Monate diskutiert und modifiziert wurde, anzunehmen.

„Wie es nun weitergeht und was sich bis zum nächsten Termin am 14. Februar tun könnte, damit Staaten wie Österreich doch noch zustimmen, war zunächst nicht klar“, schreibt ORF dazu.

 

Laut WIFO-Experten Klaus Friesenbichler sei die größte Schwachstelle des Textes, dass die einzelnen Lieferbeziehungen – seiner Schätzung nach insgesamt 900 Millionen bei rund 30 Millionen Unternehmen – überprüft werden müssten. Das sei für die Firmen mit einem zu großen Haftungsrisiko verbunden und für die EU selbst sei die Kontrolle nur schwer administrierbar. Es müsse also ein durchführbares Zertifizierungs- und Versicherungssystem am besten auf Länderbasis inkludiert werden, so der Experte, der dies als möglichen Komprommiss zwischen den wirtschaftlichen Interessen einerseits und den Menschen- und Umweltrechten andererseits sieht.

 

Das neue EU-Lieferkettengesetz mit seinen Stärken und Schwächen

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen empört

Die oftmals als Kritik angebrachte Behauptung, dass das Lieferkettengesetz kleinen Unternehmen schaden würde, hält GLOBAL 2000 für vollkommen haltlos: “Wenn die Großen endlich nachziehen müssen und ihre Wertschöpfungsketten aufräumen, dann wird es umso leichter für alle anderen. Kleine Unternehmen, die bereits heute nachhaltig wirtschaften wollen, stehen oft vor riesigen Hürden. Sie kämpfen damit, nachhaltige Zulieferer zu finden, es mangelt an Transparenz und oft fehlt es an Alternativen, die umwelt- und menschenrechtliche Standards erfüllen. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz würde hier einen Flickenteppich aus den Bemühungen Einzelner zu einem einheitlichen, gemeinsamen Vorstoß in Richtung einer gerechteren Zukunft machen.

 

„Die Enthaltung von Wirtschaftsminister Kocher basiert auf Scheinargumenten und ist eine inakzeptable eine demokratiepolitische Farce, die die Gesetzgebungsprozesse der EU in Frage stellt. Hier wird Industrie-Lobbying vor die Interessen der Bevölkerung und jener Unternehmen gestellt, die bereits nachhaltig produzieren und gleiche Spielregeln für alle fordern“, sagt Konrad Rehling, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Südwind.

 

“Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, wie wichtig eine starke Zivilgesellschaft ist, die für Menschenrechte und Umweltschutz einsteht. Aufgrund einer auf Fehlinformationen basierenden Schmierkampagne von Wirtschaftsverbänden und Großkonzernen steht ein Gesetz, das endlich für mehr globale Gerechtigkeit sorgen könnte, erneut auf der Kippe”, so Leitner. “Minister Kocher und seine Kolleg:innen im Rat müssen jetzt auf die Bevölkerung und fortschrittliche Unternehmen hören und sich für ein starkes Lieferkettengesetz aussprechen.so GLOBAL 2000 weiter.