Wege in die grüne Stahlerzeugung: Teil 2

 

Rund ein Drittel der industriellen CO₂ -Emissionen weltweit stammen aus der Metallproduktion. Wie lassen sich die CO₂-Emissionen bei der Produktion von Rohstahl möglichst effizient reduzieren? Es sind bereits Technologien vorhanden, die den CO₂-Ausstoß der Stahlproduktion durch den Einsatz von erneuerbaren Energien, insbesondere von grünem Wasserstoff, signifikant verringern könnten. Aber es gibt noch einige Hürden am Weg zu grünem Stahl.

 

Zwei Arten der Stahlherstellung

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten Stahl herzustellen.

  • Einerseits mittels eines Hochofens basierend auf Koks – oder in Zukunft auch Wasserstoff – als Reduktionsmittel,
  • andererseits mittels eines Lichtbogenofens (EAF – Electric Arc Furnace), welcher das Erz über die Wärmestrahlung von elektrischen Lichtbögen zum Schmelzen bringt.

 

In Europa haben EAFs aktuell einen Anteil von 42% an der Rohstahlproduktion. Die CO₂-Bilanz von EAFs ist mit 0,7 Tonnen pro Tonne Stahl wesentlich besser als die von klassischen Hochöfen, welche bei 2,3 Tonnen pro Tonne Stahl liegt. Außerdem bieten Lichtbogenöfen die Möglichkeit, zukünftig ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu nutzen.

 

„Wegen der unsicheren Preisentwicklung von grünem Wasserstoff und den steigenden, aber in ihrer Höhe nicht genau prognostizierbaren CO₂-Emissionspreisen sollten sich die Stahlhersteller für brennstoffflexible Direktreduktions-Technologien entscheiden. Der Mix aus Erdgas und grünem Wasserstoff als Reduktionsmittel eröffnet ihnen einen größeren Handlungsspielraum“, sagt Ito.

 

Wachsende Anzahl an Forschungen zum Thema

Eine wachsende Anzahl an Forscher:innen sucht momentan nach Wegen, die Metallindustrie nachhaltiger zu gestalten.

Dierk Raabe und Martin Palm, zwei Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf arbeiten daran, Stahl  nachhaltiger herzustellen und zu verarbeiten. Eine potentielle Möglichkeit besteht darin, einen Teil der Kohle durch Biogas, Methan und vor allem Wasserstoff zu ersetzen. „Aus Sicht des Klimaschutzes am günstigsten wäre Wasserstoff, wenn er denn mit regenerativ erzeugtem Strom hergestellt wird“, so das Max-Planck-Forschung.

 

Umstellung auf Wasserstoff

Die  nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung  beinhaltet als zentrales Element die Transformation der Stahlindustrie. Es gibt bereits erste Versuche von großen Herstellern wie ThyssenKrupp oder Salzgitter, beim Stahlkochen die Kohle durch Wasserstoff zu ersetzen, allerdings wird die Umstellung nicht einfach, sagen Experten.

„Die Dekarbonisierung mithilfe von Wasserstoff ist eine riesige Herausforderung, da die Produktionstechnik komplett umgestellt und eine Infrastruktur aufgebaut werden muss“, sagt Hubertus Bardt, Geschäftsführer und Leiter der Wissenschaft am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, im Gespräch mit tagesschau.de.

 

„Um Stahl im industriellen Maßstab mit Wasserstoff erzeugen zu können, versuchen Max-Planck-Forschende, die chemische Reaktion zu beschleunigen. Sie untersuchen auch die Möglichkeit, Stahl in einem völlig neuen Prozess mit Wasserstoffplasma zu produzieren.

Ein verbesserter Korrosionsschutz und eine höhere Recyclingquote könnten den CO₂ – und Energie-Fußabdruck von Metallprodukten ebenfalls
verkleinern. Da Eisenaluminide korrosionsbeständig, leicht und gut recycelbar sind, stellen sie eine nachhaltige Alternative zu Stählen dar. Max-Planck-Forscher haben es durch Zusatz von Bor geschafft, die Legierung auch für den Einsatz bei hohen Temperaturen, beispielsweise in
Turbinen, zu optimieren.“ schreibt dazu das Max-Planck-Institut.

 

Problematik bei der Elektrifizierung

„Die Elektrifizierung ist sicher der Hauptfaktor, der zur Dekarbonisierung der Industrie beitragen wird“, sagt Gerwin Drexler-Schmid, Experte für eine Dekarbonisierung der Industrie beim Austrian Institute of Technology. Dadurch wird der Strombedarf in den kommenden Jahren stark steigen. „Die Verfügbarkeit und der Transport von Strom sind sicher der Knackpunkt.“

Besonders bei energieintensiven Industrien wie der Stahl- oder der Chemieindustrie sei eine Elektrifizierung jedoch nach wie vor mit großen Herausforderungen verbunden. „Im Vergleich zu einer Umstellung von Gas auf Wasserstoff ist bei einer Umstellung von Gas auf Strom der Umbaubedarf enorm“, sagt Tobias Fleiter, Geschäftsfeldleiter im Bereich Energietechnologien am deutschen Fraunhofer-Institut.

 

Es  werden laut Fleiter

  • neue Anschlüsse an das Stromnetz mit Hochspannungsleitungen benötigt,
  • um die hohen Strommengen und das hohe Spannungsniveau zu bewältigen.
  • Die hohen Strompreise machen eine vollständige Umstellung auf Strom kaum wirtschaftlich.
  • Die Energieeffizienz einer Elektrifizierung sei heute oftmals nicht so viel besser im Vergleich zu Gas, weil die Stahlindustrie so hohe Temperaturen benötigt.
  • Erst, wenn der Strom rein aus erneuerbaren Quellen stammt, wird sich die CO₂-Bilanz von Strom verbessern.

 

Enorme Mengen an erneuerbaren Energien notwendig

Eine Crux an der Umstellung auf erneuerbare Energien ist die Tatsache, dass diese und auch entsprechende Transport- und Speicherkapazitäten in ausreichendem Maß vorhanden sein müssen.

Hier ein Beispiel:  Techniker errechneten, dass wir 12 Terawattstunden Energie bräuchten, wären alle österreichweit zugelassenen Autos elektrisch. Im Vergleich dazu benötigen die beiden voestalpine AG Stahlwerke in Leoben und Linz 33 Terawattstunden.

Für die nachhaltige Stahlproduktion wird grüner Wasserstoff in der Größenordnung des halben österreichischen Gesamtstrombedarfs benötigt. Es ist bis dato noch nicht geklärt, wie diese Menge bereitgestellt werden kann, so die NZZ. „Europa wird Wasserstoff aber kaum je gänzlich selbst herstellen können“, sagt Franz Kainersdorfer, Chef der Metal-Engineering-Division von Voestalpine gegenüber NZZ.

 

Problematik Schrotteinsatz

Der hohe Schrotteinsatz, der für eine klimaneutrale Stahlproduktion enorm wichtig ist, könnte allerdings selbst zu einem Problem werden. Wird Stahl hauptsächlich in EAFs produziert, weil die Hochofenroute aufgrund hoher Emissionen stillgelegt wird, soll vorwiegend Schrott als Rohstoff verwendet werden. Dafür müsste sich der Schrottanteil in Österreich den nächsten fünf bis sieben Jahren auf zwei Millionen Tonnen verdoppeln.

 

Voestalpine Green-Steeltec Elektro-Hochöfen

13 Millionen Tonnen CO₂ entstehen jedes Jahr in Österreich, um acht Millionen Tonnen Stahl zu erzeugen – das entspricht rund 15 Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes des Landes. Damit ist der größte heimische Stahlproduzent, die voestalpine AG, der Industriebetrieb mit dem höchsten Treibhausgasausstoß in Österreich.

Diese hat bereits ein Pilotprojekt zur Produktion von grünem Stahl gestartet. Bis 2027 sollen zwei neue EAFs in Betrieb gehen. Das Ziel ist, über die sukzessive Modernisierung (vor allem durch den Einsatz von grünem Wasserstoff), die Stahlproduktion ab 2050 CO₂-neutral zu gestalten.

In einem ersten Schritt ihres Stufenplans ist die Errichtung von zwei EAFs in Linz und Donawitz geplant. Die Integration der beiden grünstrombetriebenen EAFs in die Stahlproduktion ermöglicht es dem Unternehmen, energieintensive Prozesse zu elektrifizieren und so ab 2027 rund 30 % an CO2-Emissionen einzusparen und zugleich Österreichs zurechenbare Emissionen um 5% verringern.