Laut Studie könnte der Golfstrom noch in diesem Jahrhundert zusammenbrechen

Die Zirkulation des Atlantik stehe aufgrund der globalen Erwärmung vor einem „verheerenden Kipppunkt“, so die neuesten Studienergebnisse niederländischer Forscher der Universität Utrecht. Dies werde zu einem Erliegen des Golfstroms und dadurch zu drastischer Abkühlung in Europa und einem deutlichen Anstieg des Meeresspiegels in einem Tempo führen, das eine Anpassung an die gravierenden Veränderungen wohl unmöglich macht. So die Warnung der Wissenschaftler.

 

Seit Jahrzehnten warnen Forscher:innen vor den negativen Auswirkungen der Erderwärmung auf Meereströmungen, insbesonders vor einem möglichen Zusammenbruch der sogenannten atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC). Neu an der niederländischen Studie von René M. van Westen, Michael Kliphuis und Henk A. Dijkstra vom Institut für Meeres- und Atmosphärenforschung in Utrecht ist die Entwicklung eines Frühwarnsignals, um einen möglichen Zusammenbruch dieses Systems zu erkennen.

 

Worum geht es in der Studie genau?

Konkret geht es in der niederländischen Studie von René M. van Westen, Michael Kliphuis und Henk A. Dijkstra vom Institut für Meeres- und Atmosphärenforschung in Utrecht um die Folgen des Klimawandels für AMOC, wie der Sender CNN  und der »Guardian«  unter Berufung auf die Zeitschrift »Science Advances« berichten.

 

„Eines der bekanntesten Kippelemente des Klimas ist die AMOC, die durch den Eintrag von Süßwasser in den Nordatlantik zusammenbrechen kann. Obwohl AMOC-Zusammenbrüche in komplexen globalen Klimamodellen durch starken Süßwasserantrieb ausgelöst wurden, sind die Prozesse eines AMOC-Kippereignisses bisher nicht untersucht worden.“, so die Studienautor:innen in ihrem Artikel.

 

Die Studienergebnisse lieferten laut den Autoren eine „klare Antwort“ auf die Frage, ob eine solche abrupte Verschiebung der AMOC möglich sei. „Das ist eine schlechte Nachricht für das Klimasystem und die Menschheit, denn bisher konnte man denken, dass das AMO -Kippen nur ein theoretisches Konzept ist und das Kippen verschwinden würde, sobald das gesamte Klimasystem mit all seinen zusätzlichen Rückkopplungen berücksichtigt wird.“ Die niederländischen Forscher zeigten sich schockiert über  die prognostizierte Geschwindigkeit des Zusammenbruchs, sobald der Punkt erreicht ist, obwohl sie sagten, es sei noch nicht möglich, vorherzusagen, wie schnell das geschehen wird.

Die Studie können Sie hier im Original nachlesen: Physics-based early warning signal shows that AMOC is on tipping course.

 

Was ist AMOC?

Mit AMOC wird ein komplexes System von Strömungen im Atlantischen Ozean beschrieben, dessen Teil auch der Golfstrom ist. Es gilt als Schlüsselkomponente, um die klimatischen Verhältnisse auf dem Planeten zu regulieren. Es transportiert Wärme, Kohlenstoff und Nährstoffe aus den Tropen in Richtung Polarkreis. Dort kühlt die Strömung ab und sinkt in die Tiefsee. Dort fließt es wieder Richtung Süden ab. Diese Zirkulation hilft dabei, die Energie auf der Erde zu verteilen und die Auswirkungen der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung zu dämpfen.

Seit den 50-er Jahren hat die Zirkulation um 15% abgenommen. Durch das Abschmelzen der grönländischen Gletscher und der arktischen Eisschilde fließt mehr Süßwasser ins Meer und behindert das Absinken des salzigeren, wärmeren Wassers aus dem Süden.

 

Komplexe teure Computermodelle

Anhand von Computermodellen und Daten aus der Vergangenheit entwickelten die Forscher einen Frühwarnindikator für den Zusammenbruch des AMOC. Dafür benötigten sie sechs Monate Rechenzeit auf dem niederländischen nationalen Supercomputer Snellius.  Neben Faktoren wie Niederschlag und Verdunstung wurde in den Berechnungen auch eine verstärkte Zufuhr von Süßwasser im Nordatlantik inkludiert, durch die in der Simulation die Zirkulation allmählich abnahm.

 

Am Weg zum Kipppunkt

Die Utrechter Forscher fanden heraus, dass sich die AMOC-Zirkulation bereits auf dem Weg zu einer abrupten Verschiebung befindet, die seit mehr als 10 000 Jahren nicht mehr stattgefunden hat und katastrophale Folgen für weite Teile der Welt haben würde. Der Zeitpunkt ist noch unklar, aber mit einer  statistischen Sicherheit von 95 % wird diese Verschiebung noch dieses Jahrhundert eintreten.

 

„Aber wir können zumindest sagen, dass wir uns auf den Kipppunkt des Klimawandels zubewegen«, wird Hauptautor René van Westen, Meeresforscher an der Universität Utrecht, zitiert. „Was uns überrascht hat, war die Geschwindigkeit, mit der der Umschwung eintritt“, sagt er und ergänzte: „Es wird verheerend sein. Sobald die Zirkulation im Atlantischen Ozean zusammenbricht, sind die daraus resultierenden Klimaauswirkungen im Rahmen menschlicher Zeitskalen fast irreversibel.“ Der Wendepunkt müsse vermieden werden, um verheerende Folgen für das Klima, die Gesellschaft und die Umwelt zu vermeiden.

 

Der Ozeanograf Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung lobte im Deutschlandfunk die Arbeit seiner niederländischen Kollegen. Sie hätten eine „geradezu epische Modellsimulation“ auf tausend Rechnerknoten gemacht. Zum ersten Mal sei dies mit einem „richtig guten Klimamodell“ gemacht worden.

„Das Risiko eines Kollaps muss um jeden Preis verhindert werden“, sagt Rahmstorf. „Wenn wir ein definitives Warnsignal haben, wird es zu spät sein, etwas dagegen zu tun.“

 

Laut Guardian gibt es unter Forscher:innen noch keinen Konsens darüber, wie schnell wir auf diesen Kipppunkt zusteuern: Während eine Studieaus 2023, die sich auf Veränderungen der Meeresoberflächentemperaturen stützte, den Kipppunkt zwischen 2025 und 2095 einordnete, ordnet das britische Met Office große, schnelle Veränderungen bei AMOC im 21. Jahrhundert als „sehr unwahrscheinlich“ ein.

 

Die Folgen wären dramatisch

Die Folgen wären dramatisch und verheerend. So würden in Europa innerhalb eines Jahrzehnts laut der Studie die Temperaturen um bis zu 30 Grad fallen, mit erheblichen Temperaturunterschieden zwischen Winter und Sommer. „Es gibt keine realistischen Anpassungsmaßnahmen, die mit solch schnellen Temperaturveränderungen umgehen können“, schreiben die Studienautoren laut „Guardian“ und CNN.

In der südlichen Hemisphäre könnte es zu einer weiteren Erwärmung sowie zu einer Umkehrung von Regen- und Trockenzeiten im Amazonas führen, was den Regenwald massiv bedrohen würde.

Desweiteren würde es zu einer Verschiebungen bei den tropischen Niederschlägen, was zu Dürren und Überschwemmungen in verschiedenen Regionen kommen. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Nahrungsproduktion, da die Anbauflächen für Weizen und Mais stark reduziert würden, was die Ernährungssicherheit gefährdete.

Darüber hinaus werde der Zusammenbruch des AMOC zu einem Anstieg des Meeresspigel um einen Meter und der damit verbundenen Überschwemmung vieler Küstenstädte führen.

 

Maßnahmen dringend auf den Weg bringen

Experten betonen die Dringlichkeit, Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen, um diese potenzielle Katastrophe zu verhindern. Dies erfordert die Senkung von Emissionen und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. Letztendlich geht es darum, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Dies unterstreicht auch Studienleiter van Westen: „Wir müssen den Klimawandel ernster nehmen. Wir, als globale Gesellschaft, müssen die Emissionen stoppen.“

 

Alle größeren Medien berichteten darüber. Wird das Wissen über diesen drohenden Kipppunkt etwas an unserem Verhalten ändern?

 

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