Die Verschiebung der Erdachse ist menschgemacht
Seit den 1990er Jahren wurde von Forscher*innen eine Verschiebung der Erdrotationsachse um rund 80 Zentimeter festgestellt. Die Frage war, warum. Der Hauptgrund ist der Klimawandel – das Abschmelzen des polaren Eisschildes und der Gebirgsgletscher und der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels. Dies allein erklärte es aber noch nicht zur Gänze. Ein Wissenschaftsteam rund um den südkoreanischen Geophysiker Ki-Weon Seo von der Seoul National University hat nun in einer Studie errechnet, dass die menschliche Grundwasserentnahme zur Bewässerung ebenfalls dazu beigetragen hat. Dies berichtete er in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“. Das entnommene Grundwasser fließt ebenfalls in die Weltmeere und führt additiv zu einer Meeresspiegelerhöhung und damit ebenfalls zur Verschiebung der Erdachse .
Laut dieser Studie ist ein wichtiger anthropogener Beitrag der Anstieg des Meeresspiegels, der auf die Erschöpfung des Grundwassers infolge der Bewässerung zurückzuführen ist. Eine Klimamodellschätzung für den Zeitraum 1993-2010 ergibt, so Ki-Weon Seo, eine Grundwasserentnahme von insgesamt 2.150 GTon, was einem globalen Meeresspiegelanstieg von 6,24 Millimeter entspricht. Direkte Beobachtungen, die diese Schätzung untermauern, fehlten jedoch bisher. In dieser Studie zeigen die Forscher*innen, dass die Modellschätzung der Wasserumverteilung von den Grundwasserleitern zu den Ozeanen zu einer Verschiebung des Rotationspols der Erde um 78,48 Zentimeter in Richtung 64,16°E führen würde.
„Ich bin sehr froh, die ungeklärte Ursache für die Rotationspoldrift gefunden zu haben. Andererseits bin ich als Bewohner der Erde und Vater besorgt und überrascht, dass das Pumpen von Grundwasser eine weitere Ursache für den Anstieg des Meeresspiegels ist.“
Ki-Weon Seo
Dazu von ntv befragt, sagte Harald Schuh vom Deutschen Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam, dass die neue Berechnung der Polverschiebung „absolut plausibel und korrekt“ sei . „Heutzutage kann man die aktuelle Lage des Pols auf unter einen Zentimeter genau messen und damit auch langfristige Polbewegungen erkennen, wie in der genannten Studie“, meint er weiter.
Grundwasserentnahme in den mittleren Breiten hat großen Einfluss
Die Umverteilung des Grundwassers aus den mittleren Breiten hat nach Angaben der Studienautoren einen besonders großen Einfluss auf den Nordpol. Während des Studienzeitraums gab es den größten Grundwasserverlust in großen Bereichen im Westen Nordamerikas und im Nordwesten Indiens, die beide in mittleren Breiten liegen.
Bereits im Jahr 2021 hat ein chinesisches Forscherteam um Shanshan Deng von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking herausgefunden, dass die Gletscherschmelze zu einer veränderten Erdachse führte, genauer: Sie kippte in eine andere Richtung. Ihre Ergebnisse präsentierten sie im März 2021 in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“.
Die echte Polwanderung
Die Erdachse wandert im Lauf eines Jahres hin und her – ungefähr zehn Zentimeter. Diese Schwankungen nennt man die echte Polwanderung und sind normal. Seit den 1990er Jahren beobachteten Wissenschafter*innen, dass sich die Driftbewegung in die andere Richtung – um etwa zehn Grad nach Osten. „Das schnellere Schmelzen der Eismassen infolge der globalen Erwärmung war die wahrscheinlichste Ursache für die Veränderung der Polardrift in den 1990er-Jahren“, so Deng.