Ein Sommer wie früher – wie die Erinnerung uns täuschen kann

„In meiner Kindheit war es im Sommer immer heiß“, so erklingt es auf vielen Stammtischen, bei Kaffeejausen oder bei harmlosen Einkaufsplaudereien.

„Auch früher hatten wir schon hitzefrei.“

Heute aber, so die Klage, sind wir einfach zu wehleidig und machen ein unnötig großes Bohei um die hohen Temperaturen. Nichts als Panikmache!

Willkommen im Sommer 2023! So schnell wird der gängigste aller Small-Talk-Themen, der übers Wetter, zum Politikum.

Wie steht es aber nun um die Erinnerung an die Sommer unserer Kindheit? Sind sie wirklich mit den aktuellen zu vergleichen oder spielt uns unsere Erinnerung einen Streich?

 

Wie erinnern wir uns?

Die Kommunikationspsychologin Anita Habel stellte im Gespräch mit der Presseabteilung von Psychologists for Future folgendes fest:

„Temperaturentwicklungen sind für unser Gehirn nicht wichtig genug, wir können uns schwer an Details erinnern, die für uns keine wichtige Rolle gespielt haben.“

Auch die Erinnerung an die Dauer von Hitzeperioden unterliegt einem Filter, dem nicht so richtig zu vertrauen ist.

„Dauern und Häufigkeiten können wir schwer einschätzen, vor allem wenn es sich um alltägliche Dinge wie das Wetter handelt“, so die Psychologin.

Anders ist das, wenn die Erinnerung mit einem Gefühl verknüpft ist.

„Wenn Details Kontraste zum Alltag darstellen, merken wir sie uns.“

Wenn zum Beispiel eine Hochzeit an einem besonders heißen Tag stattgefunden hat, werden wir uns daran ewig erinnern, wahrscheinlich aber nicht daran, wie das Wetter vier Tage später war.

 

Wetter ist nicht gleich Klima

Die Tatsache, dass der Sommer im Jahr 1975 (übrigens das Jahr nachdem Rudi Carell seinen sehnsuchtsvollen Hit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ herausbrachte) eine Hitzewelle mit Spitzen über 35 Grad Celsius wütete, sagt nicht, früher war es genauso heiß wie heute.

Auch widerlegen jahrzehntealte Zeitungstitel und Artikel mit der Meldung von Rekordtemperaturen, die in sozialen Medien rauf und runter gepostet werden, den Klimawandel nicht.

„Ein einzelnes Extremereignis ist erstmal immer nur eine Manifestation von Wetter“, sagt Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig dem Science Media Center (SMC). „Was sich ändert, ist die Häufigkeit bestimmter Wetterlagen, wie Hitze- und Niederschlagsextreme.“

 

Ab wann spricht man von Klimaveränderung?

Um seriös eine tatsächliche Tendenz auszumachen, sind Aufzeichnungen über einen längeren Zeitraum, etwa 30 Jahre, notwendig.

1991 bis 2020 war es zum Beispiel im Juni DWD-Daten zufolge durchschnittlich um ein Grad wärmer als 1961 bis 1990.

„Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer“, sagt Friederike Otto vom Environmental Change Institute an der Universität in Oxford dem SMC. „Das, was ohne Klimawandel unmöglich gewesen wäre, sind jetzt die neuen Extremereignisse.“

 

pro.earth-Fazit

Was im Fall der klimabedingten Wetterentwicklung einfach nicht zählt, ist das Gefühl, denn die wissenschaftlich belegbaren Fakten sprechen für sich. 💚