Wie nachhaltiger Tourismus die Alpenregion rettet

Viele alpine Bergregionen stehen vor einer drängenden Herausforderung – dem Klimawandel. Mancherorts versucht man mit der massiven Erschließung immer höher gelegener Bergregionen und dem Ausbau von Beschneiungsanlagen kurzfristig den Auswirkungen entgegenzuwirken, zu Lasten der Umwelt und der nachfolgenden Generationen. Aber es gibt auch andere Wege.

 

Die Klimasituation im Alpenraum

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Klima im gesamten Alpenraum spürbar verändert. Zum einen stiegen die Durchschnittstemperaturen, zum anderen wurden die Winter kürzer. Die Schneegrenze verschob sich nach oben und schneesichere Perioden wurden knapper. Dies alles hat massive Auswirkungen auf den Wintertourismus, eine der Haupteinnahmequellen der Region.

Laut dem Österreichischen Klimabüro ist die durchschnittliche Temperatur in Tirol seit 1980 um etwa 1,3 Grad Celsius gestiegen. Die Winter sind etwa 17 Tage kürzer geworden, und der Schnee schmilzt im Frühjahr durchschnittlich 20 Tage früher als noch in den 1970er Jahren.

 

Die Auswirkungen auf den Tourismus

 

100 Millionen Urlauber

Sowohl im Winter als auch im Sommers ist Tirol ein beliebtes Touristenziel. Zwischen dem Jahr 2000 und 2019 hat sich die Anzahl der Touristen in den Alpen um 40% erhöht, die Anzahl der Nächtigungen pro Person allerdings halbiert. Insgesamt zählt der gesamte Alpenraum die unglaubliche Anzahl von rund 100 Millionen Touristen pro Jahr. Und die meisten Urlauber und Tagesausflügler reisen mit dem eigenen Auto an. Dazu braucht es genügend Parkplätze. Der Verkehr ist in vielen alpinen Gemeinden zu einem großen Problem geworden.

 

https://news.pro.earth/2023/07/26/klimawandel-in-den-alpen/

 

Der Klimawandel bedroht jedoch die Tourismusmaschine und die Einkommen der Menschen, die davon abhängig sind. Schneemangel im Winter und Hitzewellen im Sommer beeinträchtigen die touristische Infrastruktur und die örtliche Wirtschaft.

Laut einer Studie der Universität Innsbruck aus dem Jahr 2021 hat der Klimawandel das Potenzial, die Wintersportsaison in Tirol bis 2050 um mehr als einen Monat zu verkürzen. Dies könnte zu einem erheblichen wirtschaftlichen Verlust für die Region führen.

 

Immer bombastischer

Momentan versuchen viele Touristiker, die kürzer werdende Saison durch immer höher gelegene Schiliftanlagen, noch mehr Schneekanonen und andere technologische Errungenschaften auszuweiten, die allerdings alle negative Auswirkungen auf das fragile alpine Ökosystem haben. Auch die Sommersaison wird mit immer mehr Attraktionen wie Funparks,  Aussichtsplattformen, Hängebrücken, Seilrutschen, Sommerrodelbahnen, Mountainbike-Strecken, Paragliding, Rafting und vielem mehr angefüllt. Die Alpen als ein großer Vergnügungspark. Doch wo soll das enden?

 

Der Weg zum nachhaltigen Tourismus

Es gibt jedoch Hoffnung in Form von nachhaltigem Tourismus, auch bekannt als Ökotourismus. Dieser Ansatz betont den Schutz der Umwelt und die Förderung eines sanften Tourismus, der die natürlichen Ressourcen erhält und die lokale Kultur respektiert. Er steht für ökologisch und sozial verträgliches Reisen und soll weder der Natur noch der Bevölkerung vor Ort schaden.

 

  • Erneuerbare Energien

Investitionen in erneuerbare Energien, um den Energieverbrauch der Tourismusbranche zu reduzieren – zum Beispiel in solarbetriebene Seilbahnanlagen, PV-Anlagen für Hotels, Biomasseheizungen und vieles mehr

 

  • Sanfte Mobilität

Förderung von öffentlichen Verkehrsmitteln (Züge, Elektrobusse) und Radwegen mit Fahrradverleihsystemen, um den Individualverkehr zu minimieren.

 

  • Ökosysteme erhalten

Erhaltung und Schutz der alpinen Ökosysteme und Biodiversität – keine weiteren Erschließungen neuer Skigebiete, dafür Schneeschuhwanderungen, Langlaufloipen und andere Alternativen zu alpinem Skisport

 

  • Bewusstseinsbildung

Bildung und Sensibilisierung der Touristen für umweltfreundliche Praktiken – Naturverträglichere Aktivitäten wie das Winterwandernoder mit Schneeschuhen, Langlauf, Skitouren oder Rodeln statt alpinen Skisport

 

  • Weg von Massentourismus

Das enorm große Angebot an verschiedensten Freizeitaktivitäten belastet die Natur: von Tourengehen und Schneeschuhwandern im Winter bis zu Canyoning, E-Bike-Touren, Klettern im Sommer. Um diese Individualsportarten umweltfreundlich zu betreiben, sind Regeln und eine gute Besucherlenkung notwendig.und Maßnahmen zur Lenkung der Besucherströme werden immer wichtiger, ebenso die Erhaltung der Ortsbilder und die Eindämmung des Flächenfraßes durch neue touristische Infrastrukturen wie Hotelbauten, Parkplätze und Großveranstaltungen wie Olympische Winterspiele.

 

  • Zweitwohnsitze und Hotelbauten

Manche Orte verkommen zu Geisterstädten sobald die Touristensaison vorbei ist und Immobilienpreise sind in diesen Orten so hoch, dass sich Einheimische kaum Wohnungen leisten können. Die Zersiedelung in vielen touristischen Gebieten hat ebenfalls enorm zugenommen. Dazu schreibt der deutsche Naturschutzbund sehr treffend: „Pseudo-folkloristische Chaletdörfer sprengen harmonische Ortsbilder, sind extrem flächenintensiv und sollten nicht mehr genehmigt werden.“ Diese Entwicklungen müssen eingedämmt werden. Es gibt mittlerweile viele Hütten (33%  aller Hütten in D, Ö und CH), die mit dem Umweltgütesiegel der Alpenvereine ausgezeichnet sind und auch Hotels, die nachhaltig geführt sind und in diesem Bereich ständig Verbesserungen durchführen.

 

  • Regional und saisonal

Nutzung saisonaler und regionaler Produkte in der Hotellerie und Gastronomie stärkt die regionale Landwirtschaft und hilft dabei, der Absiedelung und dem massiven Bauernsterben entgegenzuwirken. Und es spart Co2, wenn die Lebensmittel nur kurze Transportwege bis zur Verarbeitung benötigen.

 

  • Müllvermeidung

Der Umgang mit unseren Abfällen ist gerade in entlegenen Bergregionen ein besonders wichtiges Thema. Es beginnt damit, Müll möglichst zuvermeiden, was in Zeiten des Plastiks schwierig ist, aber durch regionales Einkaufen und die Verwendung von Mehrwegverpackungen verbessert werden kann.

 

Best-Practice-Beispiel Bergsteigerdörfer

Die Idee der Bergsteigerdörfer war, wirtschaftlich schwache abgelengene Dörfer durch sanften Tourismus zu beleben. Der „Erfinder“ Peter Haßlacher, der lange Zeit Leiter der Fachabteilung Raumplanung und Naturschutz im ÖAV und später Vorsitzender der internationalen Alpenschutzkommission CIPRA in Österreich war, wollte einen Gegenentwurf zum alpinen Massentourimsus schaffen.

Die meisten der 29 Bergsteigerdörfer befinden sich in Österreich (20), vier in Deutschland, drei in Italien und zwei in Slowenien. Um den Namen tragen zu können, müssen die Orte strenge Kriterien erfüllen. Nach dem Bau eines Chaletdorfs wurde der Gemeinde Kals am Großglocknerder Titel aberkannt.

Daher unterscheiden sich Bergsteigerdörfer in ihrem Erscheinungsbild von vielen anderen alpinen Tourismusregionen: Statt von Seilbahnen ist die natürliche Berglandschaft von einem guten Wegenetz durchzogen. Statt großer Hotelburgen prägen kleine Hotels und Gästehäuser das Ortsbild. Und statt Tiefkühlgermknödel und Pommes kommen lokale Produkte auf den Teller. Und Großevents sucht man vergebens, genauso wie große Schischaukeln.

 

Am Foto sieht man Ramsau, das 2015 als erstes Bergsteigerdorf Deutschlands aufgenommen wurde.