Weiter keine Mehrheit zu EU-Lieferkettengesetz

Mitte Februar wurde die finale Absegnung des EU-Lieferkettengesetzes auf heute, Mittwoch, vertagt, weil sich die EU-Botschafter nicht einigen konnten. Auch heute fand der in TRILOG-Verhandlungen erarbeitete Kompromisstext keine qualifizierte Mehrheit bei der  Abstimmung im Ausschuss der Ständigen Vertreter (COREPER). Das heutige Abstimmungsergebnis kann im EU-Ministerrat noch umgedreht werden. Ob dies gelingen wird, ist allerdings fraglich. Österreich zählt wie Deutschland zu den Ländern, die das EU-Lieferkettengesetz nicht unterstützen. Wirtschafts- und Arbeitsminister Kocher hat angekündigt, sich zu enthalten, was auf EU-Ebene einer Gegenstimme gleichkommt.

 

„Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen.“ meint dazu die belgische Ratspräsdientschaft. Ob über das Vorhaben noch einmal neu verhandelt werden muss, obwohl es im Dezember eigentlich bereits einen Kompromiss zwischen Unterhändlern der beiden Institutionen gab, ist somit unklar.

 

Update zu EU-Lieferkettengesetz: Votum vertagt

 

„Historische Chance verpasst“

Österreichs Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die im Vorfeld der Abstimmung auf eine Zustimmung seitens Österreich gepocht hatte, bezeichnet den heutigen Ausgang in einer Aussendung als „bitter“. „Damit wurde eine historische Chance verpasst, Millionen von Kindern vor Ausbeutung zu schützen und unsere Umwelt vor weiterer Zerstörung zu bewahren“, so Zadić und versichterte gleichzeitig trotz des heutigen Rückschlags nicht aufzugeben. „Ich werde mich weiter auf allen Ebenen für den Schutz von Kindern, der Natur und der Menschenrechte einsetzen“, heißt es in dem Statement.

 

„Verheerendes Signal“

“Österreichs Beteiligung an der Blockade des ausgehandelten Kompromisses ist eine Pflichtverletzung in Bezug auf die Menschenrechte”, sagt Gertrude Klaffenböck, Südwind-Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne in Österreich. “Das ist zudem ein verheerendes Signal: Vergehen gegen Menschenrechte und Umweltbestimmungen bleiben weiterhin ungestraft. Die Politik schützt damit noch länger Konzerne auf Kosten der Rechte, des Lohns und der Sicherheit jener Arbeiter:innen, die etwa unsere Kleidung, Lebensmittel, oder Elektronikprodukte herstellen.”

Das neue EU-Lieferkettengesetz mit seinen Stärken und Schwächen

 

Bundesminister Kocher, der für Österreich an den bisherigen Verhandlungen beteiligt war, beruft sich seit kurzem auf einen “Listen-Ansatz”, der Unternehmen entweder auf “positive” oder “negative Listen” setzen soll, schreibt Südwind in einer Aussendung. Ein solcher „Listen-Ansatz“ hätte laut der NGO keine präventive Wirkung und würde nur zeigen, wo der Schaden bereits angerichtet ist. Völlig ungeklärt wäre auch die Frage, wie Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Trauriges Mahnmal ist etwa der Einsturz der zertifizierten Rana Plaza-Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013: Über 1.100 Menschen kamen dabei ums Leben. Die Angehörigen mussten jahrelang um Wiedergutmachung kämpfen und waren schlussendlich auf das freiwillige Entgegenkommen der Unternehmen angewiesen, erklärt Südwind.
Weitere Scheinargumente und Mythen zum Lieferkettengesetz hat das Bündnis “Treaty Alliance” in einem kurzen Überblick widerlegt.

 

„Schlag ins Gesicht“

„Die heutige Ablehnung des EU-Lieferkettengesetzes im Ausschuss der Ständigen Vertreter (COREPER) ist ein Schlag in das Gesicht von 160 Millionen arbeitender Kinder. Sie werden ihrer Zukunftschancen beraubt und Österreich trägt daran eine klare Mitschuld“, kritisiert Reinhard Heiserer, Geschäftsführer der österreichischen Entwicklungsorganisation Jugend Eine Welt, die heutige Enthaltung von Österreich bei der Abstimmung über ein EU-Lieferkettengesetz scharf. „Anstatt Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht zu nehmen, damit menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse und Kinderarbeit endlich der Geschichte angehören, ist Österreich einer der EU-Staaten, der dafür sorgt, dass Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und Umweltzerstörung nach wie vor auf der Tagesordnung stehen und ungestraft bleiben“, so Heiserer weiter.

„Ja zu EU-Lieferkettengesetz ist Ja zum Schutz von Mensch, Umwelt und Klima“

„Blockade nicht nachvollziehbar“

AK-Expertin Sarah Bruckner: „Deutschland und Frankreich haben bereits Lieferkettengesetze. Die Blockade des EU-Lieferkettengesetzes ist nicht nachvollziehbar, denn es wäre von Vorteil, wenn überall in der EU die gleichen Regeln gelten – auch viele Unternehmen sehen das so. Wirtschafts- und Industrieverbände stemmen sich aber dagegen und haben massiv lobbyiert. Dabei stellt sich die Frage: In wessen Interesse? Viele Unternehmen, die bereits jetzt auf saubere Lieferketten achten, unterstützen das EU-Lieferkettengesetz, weil es für fairen Wettbewerb sorgt. Big Business will im alten Stil weitermachen. Das ist nicht akzeptabel.“

 

„Wettbewerbsnachteil verhindert“

Erwartungsgemäß diametral entgegengesetzt argumentiert die Industriellenvereinigung „Mit dem heutigen Beschluss wurde zurecht in letzter Minute ein massiver Wettbewerbsnachteil für den europäischen Wirtschafts- und Industriestandort verhindert. Der vorliegende Entwurf war zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Für viele Unternehmen, gerade im mittelständigen Bereich wären die Vorgaben schlichtweg nicht umzusetzen gewesen“, so Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung. Mit dem heutigen Ergebnis konnte somit das drohende Bürokratiemonster sowie die damit verbundenen Klagsrechte, die den europäischen Standort im internationalen Wettbewerb bedrohen, vorerst abgewendet werden, so die IV in einer Aussendung.