Leerstandsabgabe als Hebel gegen Bodenversiegelung?

Am 3. April endete die Begutachtungsfrist für eine Verfassungsnovelle, die es den neun Bundesländern erleichtern soll, eine Abgabe für leerstehende Wohnimmobilien einzuführen. Einen Tag vor Ablauf der Frist präsentierte Greenpeace eine aktuelle Berechnung, die folgendes zeigt: Etwa 230.000 Wohnungen und Häuser in Österreich stehen leer. Damit könnte locker der gesamte Wohnbedarf der Stadt Graz gedeckt werden. Gleichzeitig werden jährlich rund 60.000 neue Wohnungen gebaut und damit fruchtbare Böden zubetoniert. Greenpeace fordert, dass schnellstmöglich eine Leerstandsabgabe beschlossen und von den Ländern verpflichtend umgesetzt wird.

 

Der neue Gesetzesentwurf enthält einen hinzugefügten Halbsatz, wonach Gesetze zum Volkswohnungswesen Sache des Bundes seien, „nicht jedoch die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung“. Die Datenlage zu leerstehenden Wohnimmobilien ist laut ORF schwierig. Es existieren keine offiziellen Danten diesbezüglich, allerdings rechnet die Statistik Austria  regelmäßig die Zahl aller Wohnheiten in Österreich mit dem Melderegister gegen und kam so laut ORF zuletzt auf rund 650.000 Wohnimmobilien, an denen niemand gemeldet ist – also fast dreimal soviel als die Greenpeace-Berechnung ergab. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass die Zahl etwa auch zur Vermietung angebotene Ferienwohnungen, Wohnungen, die gerade zwischen zwei Vermietungen kurz leer stehen, oder Kleingartenhäuser umfasst.

 

Ein absurdes, umweltschädliches System

Melanie Ebner, Bodenschutz-Sprecherin bei Greenpeace: „In Österreich stehen tausende Wohnungen leer. Gleichzeitig werden hektarweise fruchtbare Böden verbaut und enorme Mengen an Ressourcen aufgewendet, um neuen Wohnraum zu schaffen. Das ist ein absurdes, umweltschädliches System, von dem in erster Linie Immobilienspekulanten profitieren.”

 

„Das ist schon schmerzhaft und hilft gegen das Horten von Wohnungen“, so Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) gegenüber ORF.at. Erhalten die Länder nun wie angekündigt mehr Kompetenzen, würde dies das Instrument der Leerstandabgabe griffig machen und einen Mobilisierungseffekt bringen, so Amann.

 

Greenpeace hat basierend auf den verfügbaren Daten und Studien zu Wohnungsbau und Leerständen berechnet, dass

  • rund 230.000 Wohnungen mit
  • 17,4 Millionen Quadratmeter Wohnungsfläche leer stehen.
  • Gleichzeitig werden pro Jahr durchschnittlich 60.000 Wohnungen neu gebaut.

Die Bevölkerung nimmt hingegen viel langsamer zu als die neu gebaute Wohnfläche:

  • Während diese im Zeitraum von 2011 bis 2021 um 6,3 Prozent gewachsen ist,
  • hat der Wohnraum im selben Zeitraum um beinahe das Doppelte (12,4 Prozent) zugelegt.

 

Leerstandsquoten im Überblick

 

Im Schnitt beträgt die Leerstandsquote in Österreich 4,7 Prozent.

Die höchsten Leerstandsquoten finden sich in

  • Kärnten (5,7 Prozent),
  • Tirol (5,6 Prozent) und
  • Salzburg (5,2 Prozent).

 

Die niedrigsten Leerstandsquoten haben

  • Wien mit 3,4 % und
  • Vorarlberg mit 3,9 Prozent.

 

Laut Greenpeace-Erhebung sind zudem 11,5 Prozent aller Wohnungen in Österreich als Nebenwohnsitz angemeldet – und stehen damit ebenfalls temporär leer. Die höchsten Nebenwohnsitz-Quoten befinden sich in

  • Burgenland,
  • Niederösterreich
  • Salzburg

 

Das französische Modell

Wie effizient eine Leerstandsabgabe ungenutztem Wohnraum entgegenwirken kann, zeige das französische Modell, meint Greenpeace in seiner Presseaussendung: Die 1999 in Frankreich eingeführte Leerstandsabgabe konnte die Anzahl der Leerstände ab der Einführung bis 2013 um 13 Prozent reduzieren. Auf Österreich umgelegt entspräche das rund 40.000 Wohnungen, die wieder bewohnt wären. Mit dem Steuererlös einer Leerstandsabgabe könnten laut der Umweltorganisation anschließend dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen finanziert werden. „Wenn leer stehende Wohnungen und sporadisch genutzte Zweitwohnungen reaktiviert werden, könnten wir bis zu 4.170 Hektar an Fläche für Neubauten einsparen – das ist etwa der gesamte Boden, den Österreich in einem Jahr verbraucht”, sagt Ebner. Greenpeace fordert die Bundesländer auf, eine Leerstands- inklusive Nebenwohnsitzabgabe verbindlich und rasch umzusetzen, sobald die gesetzliche Grundlage beschlossen ist.

 

Unser pro.earth.Fazit:

Das Thema Bodenversiegelung beschäftigt uns in der Redaktion oft. Wir sehen die enorme Wichtigkeit und wie wenig in diesem Bereich vorangeht. Zum einen halten wir eine Flächenwidmung auf Gemeindeebene für höchst problematisch, weil jeder auf sein kleines Reich sieht statt auf das große Ganze. Eine Leerstandsabgabe auf Länderebene könnte ebenfalls das große Ganze aus den Augen verlieren, ist aber prinzipiell als ein mögliches Steuerungsinstrument zu überlegen – allerdings nur in Kombination mit anderen tiefgreifenden Maßnahmen zum Schutz unseres Bodens und unseres Nahrungssicherheit.