EU-Saatgutrecht soll Klima- und Artenvielfaltkrise entgegenwirken

Am 7. Juni 2023 will die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein neues europäisches Saatgutrecht veröffentlichen. In den anschließenden Verhandlungen werden die Spielregeln für Produktion, Tausch und Verkauf von Saatgut für die kommenden Jahrzehnte neu definiert. Der Verein ARCHE NOAH forderte Anfang Februar bei der Präsentation einer aktuellen Studie zur Zukunft des Saatgutrechts die Stärkung der Biodiversität durch das neue Gesetz, um den Anforderungen der Klima- und Artenvielfaltskrise gewachsen zu sein.

 

ARCHE NOAH fordert vom neuen Saatgutrecht die EU-weite Umsetzung des bäuerlichen Rechts auf Saatgut, Befreiung von Erhaltungsarbeit und Hobbygärten aus dem derzeitigen Regelkorsett, Förderung der Kulturpflanzenvielfalt und zukunftsweisende Testbedingungen. Absurde Einschränkungen für Landwirt:innen und Hobbygärtner:innen in ihrer Erhaltungsarbeit haben in einem modernen Saatgutrecht keinen Platz mehr. Vorabtestungen von Saatgut müssen durch eine deutliche Reduktion synthetischer Pestizide und Düngemittel endlich zukunftstauglich werden und zumindest für biologisches Saatgut unter Bio-Bedingungen stattfinden. Und die völkerrechtliche Verpflichtung des Rechts auf Saatgut muss endlich EU-weit umgesetzt werden, so die ARCHE NOAH in einer Presseaussendung. Die Studie zur Zukunft des Saatgutrechts wurde für die EU-Abgeordneten Sarah Wiener und Martin Häusling von den Europäischen Grünen verfasst.

 

„Die Europäische Union ringt seit mehr als einem Jahrzehnt um ein neues Saatgutrecht – das derzeitige ist den Herausforderungen der Klima- und Artenkrise längst nicht mehr gewachsen. Offen ist, ob nun Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und gesunde Ernährung präsentiert werden, oder ob doch weiter auf Monokulturen, immer teurere synthetische Düngemittel und giftige Pestizide gesetzt werden soll“, kritisiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss.

 

Die Dominanz der Großen

Wenige große Firmen – darunter Bayer AG mit Monsanto, ChemChina mit Syngenta, Corteva und BAS dominieren mittlerweile die Saatgutzüchtung. Diese vier Konzerne erzeugen weltweit über 60 Prozent des vertriebenen Saatguts und 80 Prozent aller Pestizide laut des internationalen Gremiums für nachhaltige Lebensmittelsysteme (IPES-Food).

 

Anstatt das bäuerliche Recht auf Saatgut zu respektieren und den Weg für lokales und anpassungsfähiges Saatgut freizugeben, wollen manche nur ihre Monopolstellung ausbauen.
Magdalena Prieler, ARCHE NOAH

Problematisch ist darüber hinaus der Versuch dieser Konzerne, immer mehr Züchtungen patentieren zu lassen und damit noch mehr Kontrolle über unsere Lebensmittel zu erlangen. Unter den bereits patentierten Züchtungen sind beispielsweise Melonen, Paprika, Bier und Braugerste, Salat, Tomaten, Zwiebeln. Ein Teufelskreislauf für Landwirt*innen entsteht und die Abhängigkeit von diesen Konzernen nimmt durch Hybridsaaten, passende Düngemittel sowie Pestizide und Patente ständig zu.

Enormer Verlust der Artenvielfalt

 

 Unglaubliche 75 Prozent aller Nutzpflanzen sind  bereits verschwunden, so die FAO.

 

„Laut Schätzungen der UN haben wir in den letzten 50 bis 100 Jahren fast 90% der globalen Arten- und Samenvielfalt verloren. Dieser nachlässige Umgang mit unserem Welterbe ist nicht nur ein unwiederbringlicher Verlust für die Geschmacksvielfalt auf unseren Tellern. Weniger Auswahl im Genpool der Natur, intensiv bewirtschaftete Monokulturen, degenerativ unfruchtbare Hybridsamen und patentierte Sorten und Rassen halten die Bäuerinnen und Bauern in einer unzumutbaren Abhängigkeit.

Um den Veränderungen durch die Klima- und Biodiversitätskrise trotzen zu können, brauchen wir Vielfalt. Alte, regional angepasste Sorten sind Krisenprävention und bringen Ernährungssouveränität für die Zukunft. Das muss die EU-Saatgutreform auch widerspiegeln“, kommentiert Sarah Wiener, Grüne EU-Abgeordnete und Mitglied im Agrarausschuss.

 

Unser pro.earth.Fazit: Die Großkonzerne haben ein enormes wirtschaftliches Interesse an der globalen Abhängigkeit von ihren Produkten und setzen ihre enorme Marktmacht ein, diese zu sichern bzw. auszubauen. Daher begrüßen wir alle Schritte, Initiativen und Aktionen der Gesellschaft, die diese zunehmende Dominanz verringern. Wir sind ebenfalls davon überzeugt, dass die EU-Saatgutreform den freien Zugang zu Saatgut und die Möglichkeit der Weitervermehrung samenfester Sorten im bäuerlichen Umfeld ebenso wie im gärtnerischen sicherstellen muss. Saatgut und die daraus entstehenden Pflanzen müssen wieder den regionalen Gegebenheiten durch entsprechende Zucht angepasst werden können, um einerseits den klimatischen Bedingungen besser trotzen zu können (ohne Einsatz schädlicher Pestizide) und uns andererseits selbst unsere Ernährung sichern zu können. Vielfalt statt Einfalt!

 

 

Links:

ARCHE NOAH Presseaussendung