Stockholm: Wir müssen draußen bleiben

Ab 31. Dezember 2024 dürfen in einem Teil des Stadtzentrum Stockholms keine Autos mit Diesel- oder Benzinmotoren mehr fahren. Erlaubt sind danach nur mehr E-Autos und Biogas-Fahrzeuge. Damit ist die schwedische Hauptstadt die erste Stadt weltweit, die diesen radikalen Schritt geht. Besonders die Feinstaubbelastung soll mit dieser Maßnahme drastisch reduziert werden.

Dies berichtete die schwedische Nachrichtenagentur TT und der Rundfunksender SVT.  Ziel des von der rot-grünen Stadtverwaltung ausgegebenen Verbots ist es, eine bessere Luft und Geräuschumgebung zu schaffen, sagte Verkehrsstadtrat Lars Strömgren zu SVT.

„Heutzutage führt die Luft in Stockholm dazu, dass Babys kranke Lungen haben und ältere Menschen vorzeitig sterben“, sagte Strömgren in einer Erklärung, aus der die Nachrichtenagentur AFP zitiert. „Wir müssen die schädlichen Abgase von Benzin- und Dieselfahrzeugen begrenzen.“ Das Verbot gelte in einem Gebiet „mit vielen Fußgängern und Fahrradfahrern, wo die Luftqualität besser sein muss“, so Strömgren. Man treffe die Entscheidung, „Stockholm schöner und gesünder zu machen, aber wir treffen sie auch, um den Klimawandel zu entschleunigen und die Emissionen der Stockholmer zu reduzieren.“

 

Problematik Feinstaub

Es ist laut Umweltbundesamt erwiesen, dass Feinstaub zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Je kleiner die Partikel sind, desto tiefer können sie in die Atemwege eindringen. Während größere Partikel in der Nase festgehalten werden, können feinere Partikel (Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer) tiefer in die Lungen vordringen: in die Bronchien, Bronchiolen und auch in die Lungenbläschen, die sog. Alveolen.

Ultrafeine Partikel (Partikel kleiner als 100 Nanometer) dringen ebenfalls bis in tiefe Zellebenen der Lunge vor und können von dort auch ins Blut oder in das Lymphsystem gelangen. Je kleiner die Partikel sind, desto unwahrscheinlicher ist es auch, dass diese wieder abgeatmet werden oder dass die Reinigungszellen der Lunge sie erkennen und bekämpfen.

Dies kann zu Schleimhautreizungen, lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien bis hin zu einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen des vegetativen Nervensystems führen.

„Die Weltgesundheitsorganisation (⁠WHO⁠) hat in Untersuchungen festgestellt, dass es keine Feinstaubkonzentration (bezogen auf PM10 und PM2,5) gibt, unterhalb derer eine schädigende Wirkung ausgeschlossen werden kann. Die Feinstaubbelastung sollte also so gering wie möglich sein, um gesundheitsschädliche Effekte zu minimieren.“ schreibt das Umweltbundesamt abschließend.

 

Stadtgebiet Stockholms

Das betroffene Gebiet –  die sogenannte Umweltzone Klasse 3  – umfasst rund 20 Blocks zwischen vier Einkaufsstraßen Kungsgatan, Birger Jarlsgatan, Hamngatan und Sveavägen und auch den Finanzdistrikt. „Dies ist auch ein Teil der Stadt, in dem wir sehen, dass es ein großes Interesse an einer schnelleren Elektrifizierung gibt, mit Akteuren, die den Übergang vorantreiben können“, erklärte der Politiker weiter. Nachdem  E-Fahrzeuge leiser seien, erhoffe er sich auch, dass mehr Lieferverkehr in der Nacht stattfinden kann. „Das wird auch die Staus auf den Straßen im Stadtzentrum verringern.“ Lediglich für Pflege- und Sicherheitsdienste, die Polizei und Rettungswagen soll es Ausnahmen geben.

Diesem ersten Schritt sollen Mitte 2025 noch weitere Maßnahmen folgen. Welche genau, ist aber noch unklar.

Doch die Pläse sind auch hier nicht umstritten: Die konservative Opposition in der Hauptstadt sprach von „ideologischer Symbolpolitik“  und der schwedische Verband der Transportunternehmen kritisierte in einer Mitteilung, die Grünen und die Stadt Stockholm „haben es viel zu eilig“. Immerhin habe der Transportbereich seine Emissionen seit 2010 um 34 Prozent reduziert.

 

Maßnahmen anderer Städte: Maut, Blocks, Prämien

Auch andere Großstädte haben ähnliche Pläne, Verbrennerautos aus den Zentren zu verdrängen.

So verfolgt zum Beispiel Brüssel einen Mehrstufenplan bis zum Jahr 2035: Zunächst sollen Euro-5-Diesel ab 2025 aus der Stadt verschwinden, danach alle Diesel im Jahr 2030 und schließlich 2035 auch noch die Benziner. Ab 20235 würden Brüssel ebenfalls nur mehr Elektroautos fahren dürfen – so wie in Stockholm.

Die britische Hauptstadt London setzt auf  eine Maut für besonders umweltschädliche Autos, wo seit Ende August auf das gesamte Stadtgebiet eine sogenannte „Ultraniedrigemissionszone“  verhängt wurde – seitdem ist für besonders schmutzige Verbrenner-Autos eine Gebühr fällig.

Barcelona setzt auf eine weitere Strategie: Dort werden ganze Straßenzüge zu sogenannten „Superblocks“ zusammengefasst und in verkehrsberuhigte Zonen umgewandelt.

In vielen deutschen Städten – so auch in Berlin  – hingegen entwickelt sich der Kurs in die entgegengesetzte Richtung und Umweltzonen werden teilweise wieder abgeschafft, weil sich die Luftgüte verbessert hat.

In Paris gibt es in den letzten Jahren große Fortschritte in der Verkehrswende. Dazu beigetragen hat auch die landesweit eingeführte „Abschaff-Prämie“, bei der jede*r, die/der ihr/sein Auto abgibt, einen Zuschuss für den Kauf eines Fahrrads erhält. Die Prämie kann einkommensabhängig bis zu 4000 Euro betragen.