Rückschau 2023: Klimarelevante Rückschritte

Nach einem ereignisreichen Jahr ziehen wir Bilanz: 2023 war ein Jahr der Extreme. Die Auswirkungen der Klimakrise waren weltweit sichtbar – Hitzewellen, Dürren, sintflutartige Regenfälle, Wirbelstürme, Waldbrände. Ein Viertel aller Spezies sind bedroht. Plastik findet man überall, sogar in Wolken. Auf politischer Ebene wurden 2023 einige herbe Rückschläge im Kampf gegen den Klimawandel und das Artensterben verzeichnet – dazu zählen die neuerliche Zulassung von Glyphosat und das Ausbleiben einer Pestizidverordnung. 

 

Auswirkungen der Klimakrise weltweit

 

Dieses Jahr wurden die höchsten Temperaturen und die höchsten Treibhausgasemissionen seit Beginn der Messungen weltweit verzeichnet. Deshalb widmen wir diesem großen Thema morgen einen eigenen Beitrag. Die Auswirkungen der Erderwärmung waren dieses Jahr überall spürbar.

 

„Eine beispiellose Dürre im Amazonas, Starkregen in Libyen und Brasilien, Waldbrände in Griechenland, Hitzewellen unter anderem in Indien und China, desaströse Überflutungen weltweit: 2023 zeigte die Klimakrise global ihre Zähne. Umso wichtiger ist, dass wir kompromisslos und mutig Klima- und Biodiversitätsschutz vorantreiben. 2023 sind bereits einige wegweisende Entscheidungen für die Umwelt gefallen. So wurde auf der Weltklimakonferenz in Dubai erstmals von allen Staaten anerkannt, dass wir uns von fossilen Energien abwenden müssen. Das ist ein guter erster Schritt. Nun müssen Politikerinnen und Politiker weltweit auch tatsächlich den Turbo beim Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einlegen“, sagt Marc Dengler, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace.

 

Dürre im Amazonas

Im größten Regenwald des Planeten herrschte 2023 die schlimmste Trockenheit seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Pegelstand des Amazonas-Flusses sank um 17 Meter. Durch die niedrigen Flusspegel waren im gesamten brasilianischen Amazonasgebiet hunderte Flussgemeinden isoliert und nur eingeschränkt mit Trinkwasser versorgt. Auch Pflanzen und Tiere – unter ihnen der rosa Flussdelfin – litten unter Wassermangel. Greenpeace Brasilien lieferte per Flugzeug Lebensmittel, Wasser und andere grundlegende Ressourcen an die betroffenen Gemeinden im Amazonasgebiet.

 

Weltweite Extremwetterereignisse

Mehrere Hitzewellen rollten dieses Jahr über Europa hinweg und belasteten sowohl Menschen als auch die Natur stark. Darauf folgte vielerorts Starkregen. Nicht nur bei uns. Dieser verwüstete Landstriche in Libyen und Brasilien, Brände wüteten unter anderem auf der Hawaii-Insel Maui, in Kanada und im mediterranen Raum. China verzeichnete 2023 sowohl die höchste (plus 52 Grad Celsius) als auch die kälteste (minus 53 Grad) jemals gemessene Temperatur. und schwere Überflutungen trafen unter anderem Kärnten, Slowenien und Italien. Zahlreiche italienische Dörfer und Städte wie Grado, Lignano und Venedig waren von Adria-Hochwasser betroffen, in Slowenien wurden mehrere Dörfer durch Überflutungen von der Außenwelt abgeschnitten und auch in Kärnten war die Feuerwehr tagelang im Dauereinsatz.

Weltweit verloren Tausende Menschen ihr Leben.

Mittelmeertragödien sind Resultat der Hitzewellen

 

Artensterben: Die Zahl der gefährdeten Pflanzen- und Tierarten stieg an

Es gibt schlechte Nachrichten für Umwelt- und Klimaschutz: Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat die Rote Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten aktualisiert und kommt zum Schluss, dass mehr Arten bedroht sind, als bisher gedacht, insgesamt sogar 25 Prozent. Davon sind Amphibien und Süßwasserfische besonders bedroht.

Aktualisierte Rote Liste: Mehr als ein Viertel aller Arten bedroht

 

Die Plastik-Verschmutzung nimmt zu

Weltweit steigt neben der Plastikverschmutzung allgemein auch die Mikroplastikbelastung – internationale Forscher:innen haben die kleinen Teilchen 2023 in Wolken, in Ackerböden und in Organen wie dem Herz oder dem Gehirn gefunden. Greenpeace hat im Sommer sieben Badeseen in Österreich auf Mikroplastik untersucht. Auch hier wurden im Labor in allen Wasserproben Mikroplastik gefunden. Trotz der immensen Verschmutzung will die Plastikindustrie die jährliche Produktion bis 2040 sogar verdoppeln. Die UNO-Staaten arbeiten aktuell an einem globalen Abkommen gegen die Plastikkrise, das 2024 abgeschlossen werden soll.

Mit einem weltweiten Abkommen gegen die Plastikflut

 

Boden: Unser Bodenverbrauch ist eine Katastrophe

 In Österreich werden laut Berechnungen der Umweltschutzorganisation täglich bis zu 13 Hektar natürliche Böden verbaut und beansprucht, Forststraßen eingerechnet. 2022 waren das 4.755 Hektar – das entspricht mehr als der Fläche des Attersees. Umweltschutzorganisationen fordern von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden, noch dieses Jahr eine ambitionierte Bodenschutzstrategie mit einem klaren Zielwert von 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 zu beschließen. Dies ist bis dato nicht passiert.

Weltbodentag: Wir müssen dringend unseren Bodenverbrauch einschränken

 

Pestizide und Herbizide bleiben

Glyphosat: Wiederzulassung für zehn weitere Jahre

Im November 2023 beschloss die EU-Kommission, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen – nachdem sich davor die Mitgliedsstaaten bei der Abstimmung auf keine gemeinsame Position zu Glyphosat einigen konnten. Glyphosat ist ein Totalherbizid: Es vernichtet Beikräuter und raubt Bestäubern und anderen Insekten ihre Futterquellen. Das Spritzmittel tötet aber nicht nur Pflanzen an der Oberfläche ab, sondern wirkt auch auf Pilze und Mikroorganismen im Boden. Das Pflanzengift greift daher in das Ökosystem Boden ein und beeinträchtigt – besonders wenn das Mittel öfter genutzt wird – nachweislich dort angesiedelte Lebewesen. Ebenso kann Glyphosat massive Schäden in Gewässern anrichten und wirkt toxisch auf ohnehin bereits gefährdete Amphibien. Glyphosat ist laut WHO außerdem möglicherweise krebserregend, kann Studien zufolge neurologische Erkrankungen fördern, das Hormonsystem sowie die Fruchtbarkeit schädigen und schwere Augenschäden verursachen.

Es ist zum Weinen: EU verlängert Glyphosat um zehn Jahre

 

Pestizidverordnung kommt nicht

Nach monatelangen Verhandlungen hat das Europäische Parlament am Mittwoch, dem 22.11.2023 keine Position zur Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR) gefunden. Der Antrag, den Vorschlag an den Umweltausschuss zurückzuweisen, wurde auch abgelehnt.Viele EU-Bürger:innen haben sich für einen kompletten Ausstieg aus chemisch-synthetischen Pestiziden bis 2035 ausgesprochen, doch die konservativen, rechten und liberalen Kräfte im Parlament verhinderten das erfolgreich. Eine Entscheidungg, die die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet und einem Schlag gegen die Artenvielfalt gleichkommt.

Ein herber Rückschlag für Umwelt und Ernährungssicherheit

 

Gemeinnützigkeitsgesetz

Im Dezember wurde das Gemeinnützigkeitsgesetz in Österreich reformiert: Das grundsätzlich begrüßenswerte Paket enthält jedoch auch Passagen, die grobe Einschränkungen für aktivistisch agierende Organisationen mit sich bringen. Denn Verwaltungsübertretungen können jederzeit zum Entzug der Spendenabsetzbarkeit und damit zum finanziellen Ruin führen. So können durch das neue Gesetz in Zukunft Finanzbeamt:innen ohne ein ordentliches, gerichtliches Verfahren mit einem Federstrich die Existenz von gemeinnützigen Vereinen zerstören. Führende Sozial- und Umweltschutzorganisationen sowie Spitzenjurist:innen wie Irmgard Griss und der ehemalige Justizsprecher der ÖVP, Michael Ikrath, warnen vor einem Angriff auf die Zivilgesellschaft durch die steuerliche Hintertür.